Sergej Lawrow stellt klar: Es mangelt an Achtung.

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow gibt eine düstere Prognose für das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen, speziell den USA: Sollte Washington nicht bald seine Politik gegenüber Russland ändern, "dann werden wir wie im Kalten Krieg oder unter noch schlimmeren Bedingungen leben", sagte der russische Top-Diplomat.

Der jetzige Zustand der Diplomatie wird dabei von Lawrow sogar als noch schlechter beschrieben als die Zeit des Kalten Kriegs: "Trotz der ernsten Spannungen, die es damals gab, herrschte eine gegenseitige Achtung, an der es heute mangelt", führte Lawrow aus. Er forderte die USA dazu auf, den Aufbau einer unipolaren Welt aufzugeben, Russland als gleichwertigen und souveränen Gesprächspartner anzuerkennen und sich an die UN-Regeln zur Souveränität anderer Staaten, der Unverletzlichkeit der Grenzen und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten zu halten.

Krieg mit Ukraine nicht ausgeschlossen

Gleichzeitig schloss der russische Außenminister einen Krieg in der Ukraine nicht völlig aus: Aus Sicht Moskaus und der "Volksmilizen" könne und müsse der Konflikt verhindert werden, doch da gleichzeitig der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj allein vom Bestreben, "sich an der Macht zu halten", getrieben werde, könne er keine Garantien für das weitere Vorgehen Kiews geben.

Schon vor Wochen hatten angesichts von inzwischen einer halben Million ausgegebener russischer Pässe an die Donbass-Bevölkerung nicht nur Lawrow, sondern auch der Moskauer Kurator für das Donbass-Gebiet Dmitri Kosak und selbst Präsident Wladimir Putin der Ukraine den Zerfall angedroht, sollte der Donbass-Konflikt noch einmal heiß werden.

Diplomat um Diplomat

Die Ukraine gehört ohnehin zu jenen Ländern, die Russland als "unfreundlich" betrachtet. Nach Lawrows Angaben wird Moskau in Kürze eine entsprechende Liste der "unfreundlichen Staaten" veröffentlichen. Wer neben den USA auf die Liste kommt, ist offiziell noch nicht bekannt. Intern heißt es aber, dass auch Australien, die baltischen Staaten, Großbritannien, Kanada, Polen, Tschechien und die Ukraine auf die Liste kommen. Ob Deutschland, auf das sich die russische Diplomatie zuletzt wegen der Affäre um die Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny verbal eingeschossen hat, auch genannt wird, ist derweil ungewiss. Moskau und Berlin verbinden traditionell eher gute Beziehungen, zudem ist die Pipeline Nord Stream 2 ein verbindendes Element.

Die "schwarze Liste" hat für die Diplomaten der betreffenden Länder unmittelbare Auswirkungen: Russland will "unfreundlichen Staaten" verbieten, heimisches Personal in der Moskauer Botschaft anzustellen. Damit schränkt Russland die Arbeitsfähigkeit der Botschaften ein, da das diplomatische Personal begrenzt ist.

Ausweisungen ohne Ende

In jüngster Vergangenheit ist die Zahl der Diplomaten in Moskau ohnehin geschrumpft: Die im Zuge der neuesten US-Sanktionsrunde veranlasste Ausweisung russischer Diplomaten in Washington beantwortete Russland spiegelgleich. Nach der Ausweisung von 18 russischen Diplomaten in Prag wegen Vorwürfen einer russischen Beteiligung an den Explosionen in zwei tschechischen Munitionslagern 2014 wies Moskau als Antwort sogar 20 Diplomaten aus. Auch gegenüber Polen, das drei russische Diplomaten auswies, fiel die Antwort mit fünf Ausweisungen demonstrativ schärfer aus.

Gegenüber der Slowakei, Litauen, Lettland und Estland ist Russland hingegen wieder zum reziproken System zurückgekehrt und hat am Mittwoch sieben Botschaftsangehörige ausgewiesen; drei aus der Slowakei, zwei aus Litauen und aus den anderen je einen. Damit reagierte Moskau auf die Solidarisierung der Länder mit Tschechien. Ein Ende der Spirale wechselseitiger Sanktionen ist derzeit nicht abzusehen. (André Ballin aus Moskau, 28.4.2021)