Während im Hintergrund die ersten Zeilen von Rihannas Song Disturbia ertönen, zeigt ein Kameraeffekt Sara Velić in dreifacher Ausführung. Sie imitieren den Gesang. Und auf die eingeblendete Frage, ob Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zurücktreten soll, heben dabei alle drei den Daumen. Die Spitzenkandidatin des Verbands sozialistischer Student_innen (VSStÖ) veröffentlicht auf ihrem Tiktok-Account 15-sekündige Videos mit Inhalten zur Wahl der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) im Mai. In einem anderen kritisiert sie die Distanzlehre.

Sara Velić, Spitzenkandidatin des VSStÖ, macht Wahlkampf auf Tiktok und Instagram.

Soziale Medien als unterstützendes Kommunikationstool sind weder bei der Nationalratswahl noch bei der ÖH-Wahl neu. Doch wenn in der Pandemie mit Distance-Learning und Lockdown das Netz zur primären Bühne für politische Botschaften wird, müssen neue Strategien her. Mit Plakatständern und Debatten auf der Straße erreicht man nur wenige Studierende. "So etwas gab es zuvor nicht. Es wird ein Trial-and-Error-Wahlkampf für alle Beteiligten", urteilt Uta Rußmann, Dozentin für Neue Medien an der FH Wien der WKW.

Wie buhlen die Kandidaten also um Aufmerksamkeit? Facebook, aber vor allem Instagram, nennen die acht wahlwerbenden Gruppen als Hauptplattformen. Sie schalten dort zielgruppenorientierte Werbung – reihum der Kern der Onlinestrategie sowie der größte Ausgabenpunkt. Um die jüngere "Generation Z" – die Jahrgänge von 1997 bis 2012 – zu erreichen, greifen die Wahlkampfteams vermehrt zu trendigen Formaten: Für Veranstaltungen dient neben Instagram Live die unter Gamern etablierte Messaging-App Discord.

Twittert und teilt das auf Instagram: Sarah Wotschke, Spitzenkandidatin der Junos.

Die Verwendung der iOS-Audio-App Clubhouse, für deren Nutzung die Einladung eines bestehenden Mitglieds benötigt wird, plant einzig der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS). Die kommunistischen Fraktionen KSV-KJÖ und KSV-Lili setzen auf Podcasts. Die Junos bedienen sich erneut Tinder als Plattform: Findet man beim Swipen durch potenzielle Dates Fotos der Junos-Kandidaten, kann man im Profil ihre Wahl-Forderungen lesen.

Den Radius erweitern

Während die Grünen und alternativen Student_innen (Gras) Anfang April noch überlegten, ob Tiktok für sie das Richtige sei, war die App bei KSV-KJÖ, Junos und Aktionsgemeinschaft (AG) bereits fester Bestandteil der Strategie. Anders als bei Instagram und Facebook erreichen Videos Tiktok-Nutzer, auch ohne dass sie den jeweiligen Kanälen folgen. "Viele Kommentare, die ich auf Tiktok erhalte, stammen von Studierenden außerhalb des VSStÖ-Kreises", sagt Sara Velić.

Der KSV-KJÖ macht Reels zu den kommunistischen Vision. Zu sehen: Spitzenkandidatin Elena Ellmeier.

Häppchenweise vereinfachende und humorvolle Videos auf Social Media machen aus Information schnell Infotainment. Etwas, das auch oft kritisiert wird, weil man desinteressierten Wähler hinterherlaufe und sie belohne. Doch auch diese Wählergruppe zu erreichen ist für Social-Media-Expertin Rußmann Aufgabe der Politik: "Diesen Spagat müssen die Fraktionen machen." Zudem binde ein digitaler Wahlkampf auch jene mehr ein, die etwa wegen physischer und psychischer Barrieren weniger an der Uni präsent sind, weiß man beim VSStÖ. Zu einem Posting am Welt-Autismus-Tag habe man Rückmeldungen bekommen, dass sich betroffene Studierende sichtbarer fühlten.

Zugleich besteht beim Online-Wahlkampf die Gefahr, dass der Austausch in digitale Echokammern wandert, statt die breite Masse zu erreichen. Dem kann man mit zielgruppenorientierter Werbung entgegenwirken oder indem reichweitenstarke Accounts die Beiträge teilen. Dafür eignen sich etwa die Mutterparteien der Listen: Junos und RFS legen offen, mit Neos und FPÖ zu kooperieren, um den Radius der Postings zu vergrößern. Die traditionelle Methode, um über die eigene Blase hinaus zu wirken, hat indes nicht ausgedient: Auf den Wahlkampf vor Ort will keiner verzichten, die Wahlkampfteams verteilen Flyer und Goodies vor nahezu leeren Hochschulen. Das birgt Vorteile gegenüber Videoschnipseln, sagt KSV-KJÖ-Wahlkampfleiter Louis Strasser: "Im Gespräch kann man auf Fragen und Missverständnisse leichter eingehen."

Die Listen sind sich einig, dass Präsenz eine wichtige Rolle in der Erreichbarkeit von Studierenden spielt. Sie befürchten, dass sie vor allem zu jenen, die die Uni nur im Distanzbetrieb kennen, nur schwer durchdringen zu können. Wenngleich es aber auch seit Corona mehr Beratungsanfragen gibt, die Arbeit der ÖH sichtbarer geworden sei. Noch nie gab es so viele Teilnehmer in ÖH-Infoveranstaltungen wie im Wintersemester", sagt ÖH-Chefin und AG-Kandidatin Sabine Hanger. Damit besteht auch Potenzial, jene zu erreichen, die sonst wenig Berührung mit der ÖH hatten.

Die Aktionsgemeinschaft mit Spitzenkandidatin und ÖH-Chefin Sabine Hanger verschicken Goodies per Post.

Ohnehin hätten sich manche in der Pandemie zunehmend politisiert, andere fühlten sich distanzierter vom Uni-Leben, sagt Rußmann. Für sie ist dabei nicht entscheidet, wie viele Studienjahre jemand bereits hinter sich hat. Laut der Social-Media-Expertin sei dieser Wahlkampf daher vor allem ein Mobilisierungs- und kein Überzeugungswahlkampf. Ob das Like auf Sozialen Netzwerken tatsächlich zum Kreuzerl auf dem Wahlzettel wird, wird sich erst Mitte Mai zeigen. (Katharina Nieschalk, 29.4.2021)