Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Mittwoch mit dem Sicherheitsminister von Bosnien und Herzegowina, Selmo Cikotić, einen Rückführungsplan vereinbart.

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Bei seinem Besuch in Bosnien-Herzegowina unterzeichnete Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch eine Absichtserklärung mit dem bosnischen Sicherheitsminister Selmo Cikotić, um unter anderem Rückführungen von Migranten ohne Bleibeperspektive vorzunehmen, die sich in Bosnien-Herzegowina befinden. Österreich will demnach die Flüge organisieren und finanzieren, mit denen die Betroffenen zurückgebracht werden.

Bosnien-Herzegowina hat es bisher kaum geschafft, jene Migranten in ihre Heimatstaaten – darunter vor allem Pakistan und Marokko – zurückzuführen, die kein Aufenthaltsrecht und keinen Anspruch auf humanitären Schutz haben. Die bosnischen Behörden sind heillos damit überfordert, die Migranten auch nur zu registrieren, geschweige denn fremdenrechtliche oder asylrechtliche Verfahren durchzuführen. Es fehlt an Beamten, an Know-how und an Übersetzern. Zudem wollen viele der Betroffenen gar nicht in Bosnien-Herzegowina bleiben und daher auch keinen Kontakt mit den Behörden.

1,5 Millionen Euro für Betreuung

Cikotić bedankte sich am Mittwoch bei Nehammer für die Hilfe aus Österreich: Im Winter wurde für die Versorgung von Migranten im Camp Lipa unweit der Stadt Bihać eine Million Euro zur Verfügung gestellt, für den Ausbau des Camps zahlt Österreich weitere 500.000 Euro. Auch Container wurden nach Bosnien-Herzegowina gebracht.

Nehammer bedankte sich wiederum für "das ausgezeichnete Gespräch und die tiefe Freundschaft zwischen den Sicherheitsbehörden von Österreich und Bosnien-Herzegowina". Er kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass Bosnien-Herzegowina Mitglied der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex werden könne.

Abkommen muss zuerst ratifiziert werden

Zurzeit sind die geplanten Rückführungsflüge aus Bosnien-Herzegowina mit der Hilfe Österreichs aber noch nicht möglich, denn das Rückübernahme-Abkommen zwischen Bosnien-Herzegowina und Pakistan muss zunächst in den Parlamenten in Islamabad und in Sarajevo ratifiziert werden. Und das kann noch dauern. Selbst dann ist es nach vielen Erfahrungen europäischer Länder sehr schwierig zu erreichen, dass Pakistan seine Staatsbürger zurücknimmt.

Nehammer bestätigte am Mittwoch in Sarajevo, dass erst nach der Ratifizierung in den Parlamenten von Österreich Flüge organisiert werden können. Bosnien-Herzegowina selbst hat noch keine gecharterten Rückführungsflüge durchgeführt. Seit etwa 2017 kommen aber jährliche tausende Migranten über Serbien nach Bosnien-Herzegowina. Sie versuchen dann, über die Grenze nach Kroatien und dann nach Italien zu gelangen, um dort unterzutauchen. Viele – etwa Menschen aus Pakistan oder Nordafrika – wollen oft nicht um Asyl ansuchen, weil sie wissen, dass sie keine Chance darauf haben.

Viel Geld für die Reise

Viele von den jungen Männern sind bereits vor Jahren aus Pakistan aufgebrochen, ihre Familien haben viel Geld für die Reise ausgegeben. Sie wurden in Griechenland oder Bulgarien zwar registriert, die Verfahren in diesen EU-Staaten gelten allerdings als erledigt, weil die Betroffenen weiter Richtung Norden gingen. Die EU-Staaten weigern sich bisher auch, die Daten der EU-Datenbank Eurodac mit den Nicht-EU-Staaten wie Bosnien-Herzegowina auszutauschen. Hinzu kommt, dass das EU/Türkei-Abkommen, wonach genau solche Leute, die später nach Bosnien-Herzegowina kommen, eigentlich von Griechenland aus zurückgebracht werden sollten, nur teilweise umgesetzt wird.

Die Migranten selbst leben indes oft unter entsetzlichen humanitären Bedingungen in Abbruchhäusern oder Zelten in Bosnien-Herzegowina und sind insbesondere im schweren bosnischen Winter jedes Jahr aufs Neue gefährdet, zu erkranken oder gar zu versterben. Bei ihren Versuchen, über die Grenze nach Kroatien zu gelangen ("The Game" genannt), werden viele dieser jungen Männer von kroatischen Grenzbeamten brutal verprügelt und oft sadistisch gequält. So müssen sie etwa ihre Schuhe ausziehen und kilometerweit im Winter barfuß zurückgehen. Diese Menschenrechtsverletzungen wurden auch von vielen Hilfsorganisationen dokumentiert.

Problem der EU

Bosnien-Herzegowina wies in der Vergangenheit immer wieder darauf hin, dass die Situation der Migranten vor allem ein Problem der EU sei, weil die Betroffenen gar nicht in Bosnien-Herzegowina bleiben wollen und zudem aus den EU-Staaten Bulgarien und Griechenland kommen. Der Aufbau eines effizienten Asylsystems in dem Staat wird – jenseits der Hilfe Österreichs bei den Rückführungen – jedenfalls noch lange dauern.

Asyl- und fremdenrechtliche Verfahren wollen die EU-Staaten nicht anstelle der Westbalkanstaaten übernehmen. Nehammer sprach am Mittwoch ausschließlich von Rückführungen. Er verwies auf die Koordinierungsplattform für Migrationspolitik, in die auch die EU-Kommission miteinbezogen wird. 50 sogenannte bosnische "Rückführungsspezialisten" sollen nun jedenfalls auf Anfrage von Bosnien-Herzegowina in Österreich ausgebildet werden. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 28.4.2021)