In Zeiten der Klimakrise will jeder ein bisschen was für das eigene Unternehmensimage tun. Der Reihe nach kündigen Konzerne an, schon jetzt klimaneutral zu sein. Der Haken: Die Unternehmen reduzieren ihre Emissionen in vielen Fällen gar nicht, sondern kompensieren den eigenen Ausstoß einfach anderswo – etwa durch das Pflanzen von Bäumen. Die Universität Graz hat nun ein Instrument entwickelt, das Betriebe dabei unterstützen soll, ihren Ausstoß tatsächlich zu reduzieren.

Das Zauberwort heißt "Carbon-Management", erklärt der Klimaforscher Gottfried Kirchengast vom Wegener Center, der das Konzept zusammen mit seinem Team entwickelt hat. Im Grunde geht es darum, wie Entitäten – das kann der Staat sein, ein Unternehmen, aber auch Einzelpersonen – auf einen Emissionsreduktionspfad gelangen, der mit den Pariser Klimazielen kompatibel ist.

Durch "Carbon-Management" soll das Pariser Klimaziel tatsächlich erreicht werden.
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Am einfachsten lässt sich das Projekt anhand eines Unternehmens erklären: Angenommen ein Betrieb sieht die Notwendigkeit, mehr für das Klima zu tun. Dann kann er sich an das Forschungsteam wenden, das das Unternehmen bei der Berechnung eines Klima-Referenz-Budgets unterstützt. Das heißt: Welcher Emissionsabbau wäre in welchem Zeitrahmen notwendig, damit der Betrieb klimaneutral werden kann. Das Ziel sei, Unternehmensziele mit Emissionszielen zu verbinden, erklärt Kirchengast.

Der Prozess soll aber nicht nur wissenschaftlich begleitet werden, sondern – je nach Wunsch – auch von ausgelagerten Consulting-Unternehmen. Diese sollen Betrieben helfen, funktionale Klimakonzepte zu entwickeln. Also wie Veränderungen in den Bereichen Energie, Mobilität oder Ressourcenmanagement aussehen sollten, damit das Zielbudget eingehalten wird.

Quartalsweise Evaluation

Der Fortschritt soll quartalsweise evaluiert und Maßnahmen sollen gegebenenfalls angepasst werden. "Wir wollen Unternehmen beim Klimaschutz nicht allein lassen", erklärt Kirchengast die Idee hinter dem Projekt.

Das Carbon-Management setzt natürlich voraus, dass Unternehmer selbst Interesse am Klimaschutz haben. Das ist in Österreich durchaus der Fall: Immer mehr Betriebe fordern klare Klimaschutzvorgaben. Erst im Dezember sprachen sich einige größere Konzerne, darunter Spar und Ikea, in einem offenen Brief für höhere Klimaziele aus.

Mit dem gleichen Fokus auf das Ziel wie die Läuferinnen bei der Leichtathletik-WM in Barcelona soll sich Österreich in Richtung Klimaneutralität bewegen.
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Die Universität Graz geht jedenfalls selbst mit gutem Beispiel voran und will mithilfe des Management-Ansatzes die eigenen Emissionen bis 2030 um zwei Drittel reduzieren. Bis 2040 soll die Hochschule dann "ehrlich" klimaneutral sein – also mindestens 90 Prozent ihrer fossilen Emissionen abgebaut haben.

Derzeit emittiert die Uni rund 18.500 Tonnen CO2-Äquivalente. Zwei Drittel davon entfallen auf Elektrizität und Wärme, über ein Viertel auf die Mobilität. Hier will man künftig etwa bei Dienstreisen für eine bessere Klimabilanz sorgen: "Ein Flug ins benachbarte Ausland verursacht dabei beispielsweise etwa zehnmal so viel CO2 wie eine Zugfahrt derselben Streckenlänge."

Auch auf Regierungsebene

Bei Betrieben wollen die Forscher nicht haltmachen. Das System ließe sich auch größer ausrollen – etwa für den Staat Österreich oder einzelne Bundesländer. Der Zeitpunkt ist gut: Wie aus dem Entwurf für das neue Klimaschutzgesetz hervorgeht, soll künftig viel früher gegengesteuert werden, wenn zu viel emittiert wird.

Zeigt bereits eine Prognose, dass der Ausstoß zu hoch ist, soll die Regierung Gegenmaßnahmen setzen. Bisher war das schwierig: Bis die finale Klimabilanz veröffentlicht wird, dauert es in der Regel eineinhalb Jahre; Prognosen bezogen sich auf Daten aus der Vergangenheit. Hierfür sei das Klima-Management "das perfekte Werkzeug", meint Kirchengast, der das System in den kommenden Wochen an die Regierung herantragen will.

Aber nicht nur für die Politik könne es als evidenzbasierte Entscheidungshilfe herhalten. Klimazielpfade ließen sich auch für Individuen berechnen. Hier kann sich der Forscher zum Beispiel eine "MyPath2Paris"-App vorstellen, durch die auch der persönliche Klimaerfolg möglich wird. Vonseiten der Universität sei eine solche App-Umsetzung nicht geplant, man wolle das System jedoch über eine offene Plattform breit für Interessenten anbieten. (Nora Laufer, 29.4.2021)