Vom Rollen des Magendonners und der Untergrabung der staatlichen Ordnung: Kurt Palm.

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Wenn jemand in unmittelbarer Nähe eines Polizisten einen Furz lässt, so überschreitet das die Grenzen des Erlaubten, "weil diese Handlungsform geeignet erscheint, jedwede staatliche Ordnung völlig zu untergraben und der Lächerlichkeit preiszugeben".

Dieses Urteil des Wiener Verwaltungsgerichts beweist einmal mehr, dass Österreich ein Operettenstaat ist, in dem Korruption, Postenschacher und Bestechung als weniger bedrohlich empfunden werden als ein Schas, der in Gegenwart eines Polizisten gelassen wird.

Das Gericht argumentierte weiters damit, dass ein Furz "keinen kommunikativen Inhalt" habe und deshalb auch nicht vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei. Ein Blick in die Literatur der letzten Jahrhunderte zeigt allerdings, dass ein Furz sehr wohl einen kommunikativen Inhalt hat und dass er nicht zuletzt aufgrund seines widerständigen Wesens immer schon Anlass für alle möglichen Verwicklungen war.

Bei Homer

Am Anfang war der Furz. Aber nicht, weil man den Urknall profan auch als Furz Gottes interpretieren könnte, sondern weil bereits in den Homerischen Hymnen der Flatus literarisch verewigt wurde. In einem dieser Gesänge, die vor etwa 2700 Jahren entstanden sind, wird berichtet, dass Hermes, als er noch ein Baby war, in den Armen des Sonnengotts Apollon ein derart "kräftiger Bote des Bauchs entfuhr", dass Apollon das Kind vor lauter Schreck auf den Boden fallen ließ.

Die Götterwelt war erschüttert, aber Hermes rappelte sich wieder auf und machte dann trotz dieses Zwischenfalls noch eine beachtliche Karriere als Beschützer der Reisenden, Schutzgott der Diebe und Geliebter der Aphrodite.

Der Pups-Gott Crepitus

Etwa dreihundert Jahre später taucht Apollon in der Komödie Die Wolken von Aristophanes erneut im Furz-Kontext auf, indem er von Strepsiades angerufen wird, weil es in dessen Gedärmen ordentlich rumort. Dem Philosophen Sokrates erklärt Strepsiades, "dass sich Furz und Donner im brummenden Tone ähnlich sind", woraufhin Sokrates einen tiefsinnigen Vergleich zwischen dem menschlichen Bauch und dem Universum anstellt: "Wenn dein Bäuchlein, winzig und klein, so gewaltige Bumbums herausfurzt, wie entsetzlich muss erst im erhabenen Raum das Rollen des Donners rumoren?"

Mit Sätzen wie diesen ist Sokrates zu Recht als Begründer des abendländischen Denkens in die Geschichte eingegangen.

Kaiser Caracalla verbot während seiner Terrorherrschaft bei Todesstrafe, dass an "heiligen Orten" oder in seiner Gegenwart gefurzt wurde.
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Angesichts der Tatsache, dass griechische und römische Dichter in ihren Werken dem Flatus im großen Stil huldigten, verwundert es ein wenig, dass es in der Antike keinen Gott des Furzes gab. Diesen zu erfinden war Gustave Flaubert vorbehalten, der in seinem Roman Die Versuchung des heiligen Antonius dem Pups-Gott Crepitus sogar ein eigenes Kapitel widmete.

Darin erinnert sich Crepitus wehmütig an die Zeit, als ihn die Athener noch als Vorzeichen des Glücks begrüßten und er die Menschen zum Lachen brachte, wenn sich bei den Festmahlen "das Innere der Feiernden wie Pauken entlud".

Und wenn Cäsar das Aftersausen bekam, horchte das ganze All auf, weil das Volk dann wusste, dass der Kaiser gut gegessen hatte. Nichts mehr zu lachen hatte Crepitus hingegen unter Kaiser Caracalla, der während seiner Terrorherrschaft bei Todesstrafe verbot, dass an "heiligen Orten" oder in seiner Gegenwart gefurzt wurde.

Furz und Gesundheit

Wesentlich freizügiger ging es im 16. Jahrhundert in Frankreich zu, wo der Vapeur in zahlreichen Theaterstücken sogar die Hauptrolle spielte. So auch in der anonymen Farce Du pect, in der Monsieur Hubert vor Gericht zieht, weil seine Frau Jeanette durch einen fürchterlichen Darmwind sein Haus verpestete und er diese "Schande" rächen will. Der Richter sieht die Sache freilich anders, weil Hubert, als er Jeanette heiratete, "auch ihren Arsch zur Ehe nahm". Jeanette darf also weiterhin ungestraft zu Hause Luft ablassen, ob es ihrem Ehemann nun passt oder nicht.

Einhundert Jahre später hat der große irische Satiriker Jonathan Swift in seiner Abhandlung The Benefit of Farting, die er unter dem Pseudonym Don Fartinhando Puffindorst veröffentlichte, ein flammendes Plädoyer für den Flatus gehalten und darin auch die Frauen ermuntert, öfter zu furzen, weil es ihnen dann besser gehen würde.

In seinem Traktat beschreibt Swift auch ausführlich fünf verschiedene Furz-Typen, die vom sonoren, volltönenden Furz bis zum mürrischen, unterdrückten Furz reichen. Mit Letzterem geht Swift hart ins Gericht, weil er äußerst ungesund sei und die Menschen nur unglücklich mache. Swift vertritt also dieselbe Meinung wie Martin Luther, von dem die kluge Erkenntnis stammt: "Aus einem verzagten Arsch fährt kein fröhlicher Furz."

Faszination

Das wusste auch James Joyce, in dessen Roman Ulysses ebenfalls viel geböllert wird und wo sich Leopold Bloom einmal einer wahren Flatusorgie hingibt, die mit einem lauten "Pprrpffrrppfff" endet. Blooms Frau Molly lässt auch immer wieder einen krachen, wobei sie ihre Kracher nicht zu sehr in die Länge zieht, gemäß ihrem Motto: "Fasse dich kurz, lass einen Furz."

In Finnegan’s Wake geht Anna Livia Plurabelle gar so weit, eine direkte Verbindung zwischen dem Darmwind und der Sprache herzustellen, wenn sie sinniert: "No wind, no word."

Wie sehr Joyce Fürze faszinierten, zeigt sich auch in den Briefen an seine Frau Nora. Einmal schreibt er: "Du hattest einen Arsch voller Fürze in jener Nacht, meine Liebste, und ich habe sie alle aus Dir herausgefickt, die großen fetten Böller, die langen windigen Zischer, die schnellen kleinen lustigen Kracher und eine Menge winzige kleine unartige Pfürzchen, die zuletzt mit einem langen Luftstrom aus Deinem Loch ausgeblasen wurden."

Suche nach dem Verursacher

Ein begnadeter Fäkalkomiker war auch Wolfgang Mozart, der in seinen Briefen mehr über das Kacken und Furzen als über das Komponieren schrieb und der vor allem in der Korrespondenz mit seiner Cousine Maria Anna Thekla aus seiner Faszination für den Dreck kein Hehl machte, wie das folgende Beispiel beweist: "Dreck, schmeck! Dreck leck! Dreck schmeck und leck! Schmeck Dreck und leck Dreck!"

In einem anderen Brief berichtet er seiner Cousine von einem Streit mit seiner Mutter, bei dem es um die Frage ging, wer denn nun diesen Arschwind gelassen habe, der nach Angebranntem roch. Mozart bestreitet, dass er der Verursacher gewesen sei, macht dann aber die Probe aufs Exempel und steckt sich den Finger in den Arsch. Und siehe da: "Ecce provatum est: Die Mama hatte recht."

Der englische Autor Anthony Burgess, der sowohl Joyce als auch Mozart sehr schätzte, lässt in seinem Roman Enderby den Titelhelden überhaupt gleich mit einem lauten Knall auftreten: "Pfffrrrammmp!"

Da für den Dichter Enderby, der sich seinen Arbeitsplatz auf dem Abort eingerichtet hat, die Literatur so etwas wie das "Abführmittel der Zeit" ist, wird sein Text folgerichtig immer wieder von Fürzen unterbrochen: "Quörpkprrmp." Und wenig später: "Pfffrumpfff." Mit einer Anzeige wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung" hat Enderby freilich nicht zu rechnen, weil er ja allein auf dem Klo sitzt.

Das Schlusswort gehört aber der Opernsängerin Elīna Garanča, die ihre pragmatische Haltung zum Thema Furzen kürzlich mit den Worten auf den Punkt brachte: "Was reinkommt, muss auch rausgehen." (Kurt Palm, ALBUM, 30.4.2021)