Bundeskanzler Sebastian Kurz war vergangenen Sommer im U-Ausschuss.

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Der Ibiza-Untersuchungsausschuss beschäftigt wieder einmal den Verfassungsgerichtshof (VfgH): Ab Donnerstag laufen Beratungen bezüglich mehrerer Anträge der Oppositionsparteien rund um Aktenlieferungen. Die Causa prima sind fehlende E-Mails aus dem Bundeskanzleramt: Kein einziges Schriftstück soll dem U-Ausschuss übermittelt worden sein, beklagte die Opposition. Kann es tatsächlich sein, dass keine für das Untersuchungsgremium auch nur "abstrakt relevanten" E-Mails existieren; zum Beispiel zu den Themen Glücksspiel oder Beteiligungsmanagement des Bundes?

Das Kanzleramt beharrt in einer Stellungnahme auf diesem Standpunkt – und hat dem Verfassungsgerichtshof 692 E-Mails von Mitarbeitern vorgelegt, die bestätigten, keine relevanten Unterlagen gefunden zu haben. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) versicherte am Montag, alles Relevante an den U-Ausschuss übermittel zu haben. "Was es niemals gegeben hat, und auch alles, was vernichtet worden ist, das kann selbstverständlich nicht geliefert werden", erklärte Kurz.

Das Misstrauen wächst

Die Involvierung so vieler Mitarbeiter löst auch intern Kritik aus – allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Sollten tatsächlich Unterlagen existieren, diese aber nicht übermittelt worden sein, machen sich auch diese einfachen Bediensteten der Beweismittelunterdrückung schuldig. Hat der Verfassungsgerichtshof entsprechende Hinweise, wäre er anzeigepflichtig. Dann könnte die Staatsanwaltschaft das Bundeskanzleramt durchsuchen – noch ist das aber rein hypothetisch.

Allerdings ist das Vertrauen der Opposition in das Bundeskanzleramt nicht besonders hoch, nicht zuletzt wegen der ÖVP-Schredderaffäre. So vernichtete im Sommer 2017 ein Mitarbeiter unter falschem Namen Festplatten, deren Herkunft für SPÖ und Neos bis heute zum Teil ungeklärt ist. Die Staatsanwaltschaft Wien hat vor kurzem ein neues Verfahren dazu eingeleitet, es richtet sich gegen enge Mitarbeiter von Kurz, für die natürlich die Unschuldsvermutung gilt.

Gekämpft wird auch um Nachrichten aus dem Mobiltelefon des Kanzlers. Dazu hieß es in einer Stellungnahme des Kanzleramts an den Verfassungsgerichtshof: "Auf dem Mobiltelefon des Bundeskanzlers sind keine Nachrichten im Sinne des Antrags aus dem Untersuchungszeitraum vorhanden. Auch nach dem Untersuchungszeitraum wurden und werden die Nachrichten regelmäßig gelöscht." Außerdem sei der Antrag der Opposition "überschießend", heißt es in der Stellungnahme.

Ministerium "bemüht sich"

Eine ähnliche Fragestellung beschäftigt den Verfassungsgerichtshof auch bezüglich E-Mails aus dem Finanzministerium. Auch hier blieb die Aufforderung, E-Mails zu übermitteln, bislang unbeantwortet. Im U-Ausschuss sagte Finanzminister Gernot Blümel dazu: "Wir bemühen uns sehr, dem Ersuchen im Finanzministerium auch möglichst vollinhaltlich nachzukommen."

Es gäbe jedoch "rechtlich zu klärende Fragen, was den Umfang und die teilweise darin umfassten Daten betrifft. Hier gibt es teilweise höchstpersönliche Daten, personenbezogene Daten, gesundheitsrelevante Daten, die teilweise mit dem Untersuchungsgegenstand nichts zu tun haben", erläuterte Blümel. Das müsse nun geprüft werden; deshalb dauere die Übermittlung noch.

Die nächste – davon unabhängige – Aktenlieferung an den U-Ausschuss steht in den kommenden Tagen bevor. Verantwortlich für die Übermittlung der Akten aus der Justiz ist die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, deren Leiter Johann Fuchs selbst der Falschaussage im U-Ausschuss verdächtigt wird – es gilt die Unschuldsvermutung. Fuchs ist derzeit aber nicht mehr für die Begutachtung der von den einzelnen Staatsanwaltschaften übermittelten Akten zuständig.

Gegen Fuchs wurde auch eine Disziplinaranzeige beim Obersten Gerichtshof eingebracht; diese wurde allerdings mit Verweis auf das parallel laufende Strafverfahren wieder unterbrochen. Dessen Ausgang wird abgewartet, bevor die disziplinarrechtliche Beurteilung folgt.

Für die Fachaufsicht über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist OstA-Leiter Fuchs jedenfalls vorerst nicht mehr zuständig. (Fabian Schmid, Renate Graber, 29.4.2021)