Die beiden Ökonominnen Angela Köppl und Margit Schratzenstaller schreiben in ihrem Gastbeitrag, was es braucht, damit Österreich das Klimaziel erreicht.

"Steuerautomatismus" ist das neue politische Reizwort, spätestens seit im Vorfeld der letztwöchigen ORF-Pressestunde mit Umweltministerin Leonore Gewessler erste Pläne für ein Klimaschutzgesetz an die Öffentlichkeit gelangt sind. Dabei lohnt es sich, einen gesamthaften Blick auf die Ausgestaltungsmöglichkeiten einer ökosozialen Steuerreform mit einer CO2-Bepreisung als Kernstück zu machen.

Schließlich hat die EU ihr Klimaziel auf 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 erhöht. Österreich will die Klimaneutralität bis 2040 erreichen. Das Vorhaben zur Umsetzung einer ökosozialen Steuerreform bekräftigte die Bundesregierung zudem jüngst bei der Vorstellung ihres Comeback-Plans sowie der Projekte, die bei der Europäischen Kommission zur Finanzierung aus dem europäischen Aufbaufonds eingereicht werden.

Emissionen im Blick: Noch ist der Flugverkehr durch die Corona-Krise sehr eingeschränkt.
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Die Bepreisung negativer externer Effekte ist seit langem eine der zentralen Säulen der Umweltökonomie. Dabei ist die "optimale" Bepreisung im Kontext des Klimawandels mit Unsicherheiten konfrontiert, die mit der Komplexität des Klimasystems zusammenhängen. Auch wegen der Bedeutung der Wechselwirkungen zwischen Energiebedarf und den zugrundeliegenden Kapitalstöcken – zum Beispiel Gebäude, Verkehrsinfrastruktur – des zeitlichen Auseinanderklaffens der Steuerleistung und der Wirkungen im Klimasystem oder von Marktbarrieren braucht es eine Erweiterung der Perspektive auf CO2-Steuern.

Um den Übergang zur Klimaneutralität spürbar unterstützen zu können, müssen CO2-Steuern in einen breiteren Instrumentenmix eingebettet werden, der preisbasierte Instrumente, Subventionen, Regulierungen sowie öffentliche und private Investitionen integriert. Als alleinige Maßnahme sind CO2-Steuern unzureichend, darauf deuten mehrere aktuelle Studien hin. Um etwa die Emissionen im Verkehr deutlich zu senken, braucht es neben einer CO2-Steuer auch Investitionen in eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur, Förderungen für E-Mobilität und eine entsprechende Raumordnung.

Eine zunehmende Anzahl von Evaluierungen von tatsächlich eingeführten CO2-Steuern – sowohl Länderstudien als auch länderübergreifende Analysen – zeigt, dass diese die CO2-Emissionen bis zu einem bestimmten Ausmaß effektiv reduzieren oder zumindest ihr Wachstum dämpfen können, ohne Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu beeinträchtigen. Die ermittelten Schätzungen der emissionsmindernden Effekte liegen in einem recht breiten Bereich und sind oft eher moderat. Die Höhe des CO2-Steuersatzes ist ein entscheidender Faktor für seine Wirksamkeit: Nur ein hoher Steuersatz ist in der Lage, CO2-Emissionen effektiv zu reduzieren. Nur zur Verdeutlichung der Größenordnungen: Ein Steuersatz von 50 Euro pro Tonne CO2-Emissionen würde etwa einen Liter Benzin um zwölf Cent pro Liter und Diesel um 14 Cent pro Liter verteuern, eine Größenordnung, die nicht über die üblichen Schwankungen der Treibstoffpreise hinausgeht.

Ökonomischer Nutzen

Der Schlüssel zur Erreichung einer doppelten Dividende in Form von ökologischer Wirksamkeit und einem ökonomischen Nutzen ist die Verwendung der Einnahmen: Die Rückgabe der Einnahmen über die Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Senkung von Steuern auf Arbeitseinkommen sind im Gegensatz zu pauschalen Transfers meist mit einer doppelten Dividende verbunden. Zudem beeinträchtigen CO2-Steuern die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, wenn überhaupt, nur in geringem Maße. Bisher fehlen jedoch überzeugende empirische Belege dafür, dass eine Bepreisung von CO2, etwa über CO2-Steuern, den technologischen Wandel herbeiführen kann, der für eine vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft erforderlich ist.

Es besteht auch ein empirischer Konsens darüber, dass Umweltsteuern differenzierte Verteilungseffekte haben: Generell wirkt die Besteuerung von Kraftstoffen in vielen Ländern progressiv, während Steuern auf Heizstoffe leicht regressiv und Steuern auf Strom deutlich regressiv wirken. Pauschale Transfers sind besser geeignet, die regressiven Effekte für niedrigere Einkommen abzumildern, während höhere Einkommen stärker von einer Reduktion der Abgaben auf Arbeit profitieren.

Schließlich hängt die öffentliche Akzeptanz von CO2-Steuern von einer Reihe von Faktoren ab und kann durch öffentliche Information, die Vermeidung negativer Verteilungseffekte und die Zweckbindung eines Teils der Einnahmen für "Umweltprojekte" erhöht werden. "Paketlösungen", die mehrere klimapolitische Maßnahmen kombinieren, können effektiver sein als Einzelmaßnahmen. Schließlich muss jede konkrete politische Reform sowohl die Systemgrenzen als auch den spezifischen politischen Kontext und die allgemeinen sozioökonomischen Bedingungen und Politikstile im jeweiligen Land berücksichtigen. Darüber hinaus deutet die einschlägige Literatur auf zusätzliche wirtschaftliche und ökologische Vorteile einer internationalen oder zumindest EU-weiten Koordinierung der Politik hin.

Klimawandel im Fokus

Österreich sollte sich daher vor allem auf der EU-Ebene bei den anstehenden Reformvorhaben, die im Rahmen des Europäischen Green Deals derzeit auf der Agenda stehen, aktiv einbringen: insbesondere in das Fit-for-55-Paket, das für Juni angekündigt ist und unter anderem die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus und Reformen im EU-Emissionshandelssystem einschließlich der effektiveren Bepreisung der Emissionen von Flug- und Schiffverkehr sowie der Energiesteuerrichtlinie enthält.

Die Covid-19-Pandemie hat die politische Energie nun schon seit über einem Jahr gebunden. Mit einer zunehmenden Durchimpfung sollte sich der Fokus möglichst rasch wieder auf den Klimawandel richten. Je früher eine konkrete ökosoziale Steuerreform auf den Tisch kommt, desto besser. (Angela Köppl, Margit Schratzenstaller, 30.4.2021)