Am 15. April erging an einem Pariser Berufungsgericht ein Urteil, das sowohl in Wien als auch im Fürstentum Liechtenstein für große Erleichterung sorgte. Demnach sei ein im März 2016 in einer Ausstellung in Aix-en-Provence beschlagnahmtes Gemälde aus den fürstlichen Sammlungen zurückzugeben: die Darstellung einer Venus, datiert in das Jahr 1531 und, laut einem Gutachten von 2013, von Lucas Cranach gemalt.

Wann, wo genau und unter welchen Umständen der mittlerweile schriftlich vorliegenden Anweisung der Oberstaatsanwaltschaft Folge geleistet wird, weiß Chefkurator Johann Kräftner noch nicht. Weder ihm noch dem Fürstenhaus oder den Anwälten ist der gegenwärtige Aufenthaltsort des Kunstwerkes bekannt, sagte er dem STANDARD. Das ist nicht die einzige Eigentümlichkeit in einem an Absurditäten reichen und fünf Jahre laufenden Verfahren, in dem Untersuchungsrichterin Aude Buresi – so monieren involvierte Anwälte – Objektivität missen ließ und den ursprünglichen Fälschungsverdacht zu bestätigen versuchte.

Zivilklage als Auslöser

Dabei hat Buresi mit Kunst an sich nichts am Hut, es sei denn, solche spielt im illegalen Waffenhandel, bei Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung eine Rolle. Deshalb landete die potenziell strafrechtlich relevante Causa, die mit einer anonymen Anzeige ins Rollen kam, auch auf ihrem Schreibtisch. Auslöser war die 2014 eingebrachte Zivilklage eines Sammlers und Amateurhändlers gegen einen ehemaligen Kompagnon, der ihn monetär übers Ohr gehauen hatte: etwa auch beim Verkauf der Venus, die über Umwege für stattliche sieben Millionen Euro in der Sammlung Liechtenstein gelandet war.

Cranachs "Venus" sitzt noch in Frankreich fest.
Foto: Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz–ViennaLucas

Erst jüngst wurde bekannt, dass sich der Beklagte zu einem Gegenangriff veranlasst sah: in Form eines anonymen Schreibens, in dem sowohl das Cranach-Werk als auch andere als Fälschungen bezeichnet wurden, die vom Kläger in den Markt eingeschleust worden wären.

Exakt dieses Schreiben nahm Buresi zum Anlass für die Beschlagnahme: ohne vorherige Ermittlungen oder den Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Eigentümer, der allenfalls das Opfer von Betrügern gewesen wäre.

Experten im Widerstreit

Das Fürstenhaus wähnte sich vorerst in Sicherheit. Als man das Gemälde im Sommer 2013 vom deutschen Kunsthändler Konrad Bernheimer erwarb, hatten die beiden international wichtigsten Cranach-Experten die Echtheit des Gemäldes ja längst bestätigt. Nach der Beschlagnahme änderten sie jedoch ihre Meinung. Hinzu kamen neue Gutachter, die bestimmte Pigmente auf dem Gemälde ebenso infrage stellten wie das Alter der Holztafel. Weiters sei das Krakelee, also das Sprung- oder Rissnetz an der Oberfläche, womöglich durch künstliche Erwärmung herbeigeführt worden.

Die fürstlichen Sammlungen beauftragten ihrerseits weitere Gutachten von internationalen Kapazundern, die jedwede Zweifel ausräumten und belegten, dass es sich nicht um eine Fälschung handeln kann: Das Bild stammt aus dem Datierungszeitraum, "entstand noch zu Lebzeiten Lucas Cranach des Älteren und schlimmstenfalls in seiner Werkstatt", so Kräftner.

Ausstellungen storniert

Diese Venus bietet allenfalls eine Grundlage für weitere Forschungen, wenn es darum geht, zwischen der Hand eines Meisters und Anteilen seiner Schüler oder Atelierassistenten zu differenzieren. Ein solcher Werkstattbetrieb war zeittypisch, sollte jedoch nicht als Grundlage für Zweifel an der Authentizität missverstanden werden.

Wann immer auch die Venus wohlbehalten in Wien eintreffen wird, die Causa wird auf mehreren Ebenen nicht ohne Folgen bleiben. Bereits 2016 hat das Fürstenhaus mehrere mit französischen Museen vereinbarte Ausstellungen storniert. Bis auf weiteres wird es auch keine weiteren Leihgaben aus den fürstlichen Sammlungen geben. Gemeinhin sind im Ausland gastierende Vermögenswerte durch Immunität geschützt: nicht jedoch in Frankreich und nicht, wenn es um ein vermeintliches Beweismittel geht, wie sich herausstellte.

Das Risiko werden auch andere nicht in Kauf nehmen wollen. Eine für den Ausstellungsbetrieb verheerende Konsequenz. Denn Privatleihgaben sind unverzichtbar, womit der Fall eine kulturpolitische Dimension von internationaler Tragweite erhält. (Olga Kronsteiner, 1.5.2021)