Bei seinem Spring-Loaded-Event hat Apple eine Reihe neuer und überarbeiteter Produkte vorgestellt. Von Apple-Kennern bereits sehnsüchtig erwartet und von Konkurrenzanbietern gefürchtet wurden dabei die sogenannten Airtags – kleine Tracker, die an Gegenstände angebracht werden können , um diese innerhalb des "Wo ist?"-Systems zu orten. DER STANDARD hat den neuesten Ankömmling der Apple-Familie einem Test unterzogen.

Die Airtags sind mit allen Geräten, die iOS 14.5 installiert haben, kompatibel.
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Nie wieder verlieren

Seit Freitag sind die kleinen, runden Chips auf dem Markt. Die Airtags verbinden sich mittels Bluetooth mit allen iOS-Geräten, die die neueste Version 14.5 verwenden können. Neben Bluetooth verwendet der Tracker auch Ultrabreitband und NFC, um beim Suchen von Objekten zu helfen. Die Airtags sind vollständig im Ortungssystem "Wo ist?" des Apple-Ökosystems integriert und kosten 35 Euro das Stück, 119 Euro im Viererpack. Kurz vor dem Start der Airtags kündigte Apple auch an, das "Wo ist?"-System für Drittanbieter zu öffnen.

Es ist eine Kindheitsvorstellung, alle Dinge, die einem wichtig sind, nie mehr zu verlieren, weil man sie jederzeit orten kann. Ortungsgeräte erfüllen ebendiesen Traum und sind kaum eine neue Erfindung. Konkurrenten wie Chipolo und Tile bieten solche Tracking-Lösungen seit mehreren Jahren an. Nun präsentierte Apple sein eigenes Produkt, das stark vom gesamten iCloud-Eco-System aus Cupertino profitiert.

Kurioser Mentos-Look

Mit einem Gewicht von 11 Gramm und einem Durchmesser von 31 Millimeter liegt der Chip schwer in der Hand an, ähnlich wie eine zwei Euro Münze. Das glatte Plastik und die polierte Stahlkappe geben dem Airtag ein hochwertiges Gefühl, während das Design jedoch zu wünschen übrig lässt.

Sieht etwas gewöhnungsbedürftig aus.
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Die weiße Oberfläche ist unaufregend und lässt Platz für Gravuren und maximal vier Zeichen lange Worte oder Initialen. Ohne weitere Personalisierungen sieht der Tracker jedoch aus wie ein großes Mentos-Zuckerl, oder ein "Go"-Spielstein – auf einer Handtasche oder einem Schlüsselanhänger macht er sich daher nicht unbedingt stylisch.

Kinderleichte Koppelung

Ähnlich wie bei anderen Bluetoothgeräten von Apple, etwa den kabellosen Airpods-Kopfhörern, funktioniert das Koppeln reibungslos. Die Airtags werden mittels Knopfbatterie (CR2032) betrieben, die eine Laufzeit von ungefähr einem Jahr haben sollte und von Nutzern einfach ausgewechselt werden kann. Um einen neuen Tracker erstmals in Betrieb zu nehmen, muss eine Lasche entfernt werden, die den Kontakt zwischen Batterie und Airtrag unterbindet. Ist die Folie einmal herausgezogen, gibt der Chip einen Ton von sich. Wenn sich ein iOS- oder iPadOS-Gerät mit der aktuellsten Version 14.5 in der Nähe befindet, kann der Airtag nun mittels Bluetooth gekoppelt werden.

Das Smartphone erkennt den Airtag automatisch, ähnlich wie bei den Airpods.
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In der "Wo ist?"-App, wo bereits Apple-Geräte wie Airpods, iPads, iPhones und Macs geortet werden können, geht die Registrierung des Chips nun weiter. Die Airtags können unter dem neuen Menüpunkt "Gegenstände" einer Reihe voreingestellter Objekte zugeordnet werden. Zur Auswahl stehen etwa Schlüssel, Taschen, Rucksäcke, Geldbörsen oder Regenschirme, die durch passende Icons auf der "Wo ist?"-Karte dargestellt werden. Natürlich kann man dem Tracker auch einen beliebigen anderen Namen geben.

So sieht mein Schlüssel-Airtag in der "Wo ist?"-App aus.
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Accessoires unumgänglich

Ist der zu trackende Gegenstand einmal definiert und die Kontaktdaten des Besitzers sind bestätigt, können die Airtags in einem zusätzlichen Menüpunkt in der "Wo ist?"-App auf der Karte angezeigt werden. Um den Chip nun auch an das Hab und Gut anbringen zu können, bedarf es noch eines zusätzlichen Accessoires.

Schlüsselanhänger (Leder) und Schlaufe (Leder) im Detail.
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Unter dieser polierten Stahlfläche befindet sich die Knopfzelle.
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Für die Montage des Zubehörs müssen die Airtags zunächst in einen kleinen Ring eingeführt werden, der die Seiten des Chips unbedeckt lässt. Die weiße Oberfläche produziert nämlich jene Töne, die den Airtag wesentlich einfacher zu finden machen. Apple hat die Airtag-Hülle in zwei verschiedenen Varianten im Angebot: als Schlüsselanhänger und als größere Schlaufe, erhältlich in einer Leder- oder Kunststoff-Ausführung.

"Genaue Suche" mit neuen iPhones

Es ist Zeit, auf die Straße zu gehen und die Chips auszutesten. Um verlorene Gegenstände wiederzufinden, gibt es drei grundlegende Funktionen. Zum einen können Gegenstände mittels Bluetooth und unabhängig von der Internetverbindung geortet werden. Das funktioniert jedoch nur mit Geräten, die Apples U1-Chip verbaut haben, der die Kommunikation mittels Ultrabreitband-Technologie ermöglicht – also nur iPhone-11- und 12-Modelle; das iPad Pro und ältere iPhone-Modelle fallen nicht darunter. Einen U1-Chip haben außerdem die Apple Watch Series 6 und der Homepod Mini. Zurzeit wird die Suchfunktion von diesen jedoch nicht unterstützt.

Die sogenannte "genaue Suche" funktioniert ähnlich wie ein Heiß-Kalt-Suchspiel. Das iPhone leitet den Nutzer mittels Pfeilen und haptischem Feedback zum verlorenen Gegenstand und ist dabei bis auf wenige Zentimeter genau. Im Test sprang die "genaue Suche" ab einem Umkreis von 15 Metern erstmals an und wurde ab 10 Metern immer konkreter. Die "genaue Suche" eignet sich daher am besten für den Einsatzbereich Wohnung oder Wiese und erwies sich im Test als wirklich hilfreiche Funktion.

Befindet sich der Chip in einer ähnlichen Reichweite, kann mittels Siri-Befehl "Wo sind meine Schlüssel?" auch ein Ton abgespielt werden. Besonders Menschen mit einer Sehbehinderung können mithilfe läutender Chips ihre Sachen um einiges schneller finden, sollten sie einmal abhandenkommen.

Warm …
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Wärmer …
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Heiß.
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Gefunden!
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iPhones weltweit helfen bei Suche

Zum anderen kann der zuletzt erfasste Standort des Chips über die iCloud aufgerufen werden. Sollte ich einen Schlüsselbund mit Airtag beispielsweise in einem Schanigarten verlieren und nach Hause fahren, kann auf der "Wo ist?"-App jene Position abgerufen werden, bei der mein iPhone zuletzt Kontakt mit dem Airtag hatte.

Doch was passiert, wenn sich ein verlorener Gegenstand bewegt? Um die Suche nach Chips zu unterstützen, können alle Apple-Geräte, die im "Wo ist?"-System eingespeist sind, den Standort eines fremden Airtags anonym updaten, sobald sie sich in seiner Nähe befinden. Um eine konstante Ortung von außen zu unterbinden, wird die Bluetooth-Kennung des Trackers regelmäßig verändert.

Im Praxistest klappte dies hervorragend. Eine Testperson begab sich dafür, zusammen mit ihrem iPhone 11 (iOS 14.5) und dem Airtag, in eine U-Bahn und fuhr davon. Die Position des Trackers wurde etwas zeitversetzt, aber laufend aktualisiert. Es stellt sich jedoch die Frage, wie effektiv die Ortung ist, wenn kaum oder wenige iPhone-Nutzer in der Nähe sind.

Verloren-Modus und NFC

Nutzer, die einen Airtag gänzlich aus den Augen verloren haben, haben die Möglichkeit, diesen zu sperren und in den "Verloren"-Modus zu versetzen. Andere iPhone- und auch Android-Nutzer, die einen Gegenstand mit Airtag finden, können ihr NFC-fähiges Smartphone an den Chip halten, um die Kontaktdaten des Besitzers aufzurufen, um eine Rückgabe in die Wege zu leiten.

Im Zuge des Tests wurde ein weiteres iPhone 11 mit iOS 14.5 herangezogen. Etwa zehn Minuten nachdem sich die Testperson mit ihrem Apple Smartphone meinem auf der Straße verlegten Schlüssel genähert hatte, erhielt ich eine Nachricht auf meinen Geräten, die mich alarmierte, dass meine verlorenen Schlüssel zuletzt bei jener Adresse gesichtet wurden. Die Anzeige der Kontaktdaten mittels NFC erwies sich im Test als eher unzuverlässig. Nach mehreren Versuchen gelang es nur einmal, einen registrierten und als "verloren" markierten Airtag mit einem fremden iPhone zu identifizieren.

Keine Unterstützung für alte Drittanbieter-Tracker

Bisher gab es eine Handvoll Anbieter, die seit Jahren ähnliche Tracking-Lösungen anbieten. Tile, einer der bekannteren Tracker-Marken, gab bereits 2020 bekannt, kartellrechtliche Schritte gegen Apple einleiten zu wollen. Um die Konkurrenz nicht vollständig aus dem System von Apple-Nutzern auszuschließen, öffnete der iPhone-Hersteller das "Wo ist?"-System auch für Drittanbieter, samt U1-Chip-Funktionalitäten. Für Tile genüge dies jedoch nicht, da das Unternehmen die eigene App, inklusive Abo-Modell, nicht aufgeben wolle, hieß es Anfang April.

Dem Anschein nach unterstützen viele Geräte von Drittanbieter die Einspeisung ins "Wo ist?"-Netzwerk noch gar nicht. Im Test versuchten wir es mit dem "Chipolo One"-Tracker, der für die App nicht sichtbar wurde. Für die Einbindung in Apples System benötigt wird nämlich das brandneue "Chipolo One Spot"-Modell. Außer diesem Tracker sind bisher nur zwei weitere Produkte bekannt, die vom "Wo ist?"-System Gebrauch machen, und zwar die kabellosen Kopfhörer Soundfo RM Freedom von Belkin und die S3 und X3 E-Bikes von Vanmoof.

Chipolo und Apple Airtag im Vergleich. Der abgebildete Chipolo-Tracker kann nicht in das "Wo ist?"-System aufgenommen werden.
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Schönheitsfehler

Die Airtags sind schlicht und unkompliziert in der Verwendung. Während die IP67-Einstufung für ein wasser- und staubdichtes Gerät spricht, das den meisten äußeren Einwirkungen standhalten sollte, ist die polierte Stahlkappe, die die Batterie verdeckt, alles andere als stressresistent. Bereits nach wenigen Minuten wies die spiegelnde Oberfläche sichtbare Kratzer und Schrammen auf.

Die Airtags lassen sich außerdem kaum ohne Accessoires verwenden, da sie nur durch diese an Gegenständen angebracht werden können. Während die größere Schlaufe von Apple gut auf Taschen und Koffer hält, erscheint der Schlüsselanhänger, samt Lederriemen, schon recht groß und unflexibel. Wenn man sich für Apples eigenes Zubehör entscheidet, sollten die dadurch verbundenen Zusatzkosten nicht unterschätzt werden. Apples Airtag-Schlaufen liegen preislich nämlich auf gleicher Höhe wie die Tracker selber: Ein Schlüsselanhänger aus Leder kostet etwa 40 Euro, ein sogenannter "Airtag Loop" aus Kunststoff 35 Euro.

Nach einer Testreise um den Häuserblock sind schon einige Kratzer zu sehen.
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Diebstahlschutz für Stalkingschutz getauscht

Apple legt mit den Airtags einen Fokus auf Datenschutz und Sicherheit. Standortdaten sollen stets mittels Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Dritte und auch Apple unzugänglich gemacht und anonymisiert werden, verspricht der Konzern. Doch können die kleinen Chips nicht einfach verwendet werden, um Personen zu tracken? Um ungewollte Verfolgungen mittels fremder Airtags zu verhindern, sollen iOS-Nutzer über die "Wo ist?"-App benachrichtigt werden, wenn sich ein Airtag mit ihnen bewegt. Ist es im "Verloren"-Modus, kann mittels NFC herausgefunden werden, wem der Tracker gehört.

Für den Fall, dass der Chip für andere Zwecke missbraucht wird, erscheint auf dem iPhone eine Anleitung zur Abschaltung des Airtags – und zwar muss einfach der Metalldeckel entfernt werden, um die Batterie zu entnehmen. Im Test sprang diese Sicherheitsfunktion innerhalb einer Stunde noch nicht an. Immerhin könnten Airtag-Nutzer ja auch nebeneinander Zeit verbringen, ohne Alarmglocken läuten zu lassen.

Kaum Schutz für Android-Nutzer

Doch wie werden Nutzer, die kein iPhone besitzen, vor Stalking geschützt? Sollte ein Tracker über längere Zeit von seinem Besitzer getrennt werden, fängt er an zu klingeln, um auf sich aufmerksam zu machen. Im Test wurde versucht, eine solche Situation zu konstruieren, jedoch konnten die Warngeräusche noch nicht festgestellt werden.

Berichten zufolge setzt das Geräusch erst nach drei Tagen ein. Sollten Android-Nutzer gestalkt werden, st das eine lange Zeit. Diese Lücke sorgte bereits für Kritik, – ob Apple in Zukunft mit Google kooperieren könnte, um eine gemeinsame Lösung zu finden, ist zurzeit nicht bekannt.

Fazit

Mit diesen Sicherheitsmaßnahmen ist jedoch augenscheinlich, dass der Tracker nicht für den Schutz gegen Diebstahl konzipiert wurde, da ein Airtag, der sich nicht in der Nähe seines Besitzers befindet, tendenziell gefunden werden möchte. Ist der Chip erst mal entdeckt, ist es ein beabsichtigt leichtes Spiel, diesen zu deaktivieren. Betrachtet man den Tracker als Hilfsmittel, um die wichtigsten Gegenstände zu Hause schneller zu finden oder verlorene Schlüssel besser aufspüren zu können, sind die Airtags ein gelungenes Produkt, das beinahe nahtlos in das Eco-System eingebunden wird.

Beinahe deshalb, da die Funktion "genaue Suche" für das letzte iPad Pro 2020 und die Apple Watch SE wegen fehlendem U1-Chip nicht unterstützt wird. Auch kann die Apple Watch aktuell nicht verwendet werden, um mittels "Siri"-Befehl nach einem Airtag in der Nähe zu suchen, also einen Ton abzuspielen. Spannend ist auch die Frage, um welche Funktionen die Airtags in Zukunft erweitert werden. Tracker anderer Anbieter können beispielsweise Smart-Alerts auslösen, wenn der Nutzer das Haus ohne seinen Schlüssel verlässt.

Lässt man die recht teuren und klobigen Accessoires außer Acht, liegen die Airtags preislich auf der Höhe der meisten Drittanbieter und sind eine praktische Alternative für Nutzer, die gerne alle Daten unter einen Hut bringen möchten. (Tiana Hsu, 30.4.2021)