"The music won’t fade out." Ja, Panik (von links): Andreas Spechtl, Stefan Pabst, Laura Landergott und Sebastian Janata.

Foto: Max Zerrahn

Eines versuchten Andreas Spechtl und seine in den Nullerjahren vom Burgenland über Wien nach Berlin abgewanderte Band Ja, Panik immer schon. Gesellschaftliche Zustandsbeschreibungen sollten mit persönlichen Gefühligkeiten verschränkt werden. Einer Analyse aus dem Bauch heraus wurde im Zweifel immer der Vorzug gegeben. Die Symbiose von politischer Bildung und Herzensbildung, die Verweigerung von Tagespolitik und die Hinwendung zu allgemeinen menschlichen Befindlichkeiten in einem kranken System stehen im Vordergrund der lyrischen Bestrebungen Spechtls.

Dabei entstanden über die Jahre in der Nachfolge von Blumfeld oder Tocotronic – und natürlich eines im gewissen Sinn historisch unbelastet gehaltenen Zugangs zur Lyrik Bob Dylans – Alben wie The Angst And The Money oder DMD KIU LIDT – und zuletzt die Sozialutopie Libertatia von 2014. Auf Libertatia versuchten Ja, Panik damals auch, sich von den Vorgaben einer auf Gitarren gebauten Protestkunst weg zu entwickeln.

Im Sinne eines subversiv-affirmativen Gedankens benutzte die Band Stilvorgaben von schon in den 1980er-Jahren dementsprechend mit gefälligen Soul- und Charts-Sounds in den Pop-Mainstream vordringenden Gruppen wie Scritti Politti oder The Style Council.

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Nach einem kollektiv verfassten biografischen Buch, das 2016 mit dem schönen Titel Futur II nicht nur das vom Aussterben bedrohte Plusquamperfekt zum Thema machte, sondern gleichzeitig auch die eigene Vorvergangenheit als Band vorwegnahm, verabschiedeten sich die Mitglieder in eigene Projekte.

Andreas Spechtl etwa reiste viel. Er veröffentlichte elektronisch angehauchte, experimentellere Soloalben, arbeitete fürs Theater oder schlug die Laute bei der befreundeten Berliner Kombo Die Türen. Schlagzeuger Sebastian Janata produzierte für Voodoo Jürgens dessen Hit Heite Grob Ma Tote Aus. Er belebte mit seinem Vater Herbert Janata als Duo Worried Man & Worried Boy den Austropop neu und veröffentlichte im Vorjahr den vielbeachteten Heimatroman Die Ambassadorin. Bassist Stefan Pabst war brav und schloss sein Designstudium ab, Keyboarderin Laura Landergott machte anderweitig Musik.

Das neue Album Die Gruppe entstand voriges Jahr im Lockdown daheim bei Spechtls Mutter im Burgenland. Dort dürfte sich der normale Alltag von der damaligen Ausnahmesituation nicht wesentlich unterscheiden. Deshalb darf man jetzt auch nicht das hässliche Wort Lockdown-Album dazu sagen. Die Lieder sind allesamt ohnehin vor 2020 entstanden

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Zum gewohnt zwischen Sperrigkeit, Aufsässigkeit und steifer Oberlippe vorgebrachten, traditionell auch auf Lou Reeds Gitarrenschrammeleien gründenden Bandsound, der immer auch einer gewissen Romantik verpflichtet ist, gesellt sich dieses Mal ein zart irrlichterndes Saxofon. Die berüchtigten denglischen Texte Spechtls, ausgehend von einer dystopisch gehaltenen Grundgestimmtheit, werden mit zunehmender Dauer optimistischer: "Eine Gruppe möcht ich sein", heißt es da im Titelsong.

Sehr hübsch die verwaschene Hymne Backup. Der gefährlich nah an U2 vorbeischrammende Viereinhalbminüter endet allerdings nicht im Kirchenschiff, in dem sich die Menschen erheben: "I built me a rocket, die Welt zu verlassen. Schau her, schau dich um. Nur ein kurzer Blick. Fear left the room und nahm mich mit." Dafür verharrt man zu sehr in einem Wartezustand. Dieser wird schließlich im ruhig fließenden, wortreichen Stück Apokalypse or Revolution gehalten.

Die Welt geht weiter

Ja, Panik verbreiten Optimismus, ohne gleichzeitig Trost zu spenden. Eine Apokalypse bedeutet ja nicht das Ende der Welt. Die geht im Zweifel auch ohne uns weiter. Eine Apokalypse kann der Anfang von etwas Neuem sein: "It is the past that will return from the future this time", singt Spechtl. Da haben wir es wieder, das Plusquamperfekt. Und weiter: "Hier ist so lang nichts passiert, hier kann nur eines passiert sein. Es hat sich ewig versteckt. Jetzt ist es da und stellt Fragen. Du wirst die Antwort verfluchen, Apocalypse or Revolution."

Nach sieben Jahren Pause mag dieses Album unaufgeregt daherkommen. Beinahe wirkt es etwas aus der Zeit gefallen. Vom lauten Getöse nimmt man in diesen Zeiten aber auch gern einmal eine Auszeit. (Christian Schachinger, 30.4.2021)