Rund 9.600 Soldaten sind noch in Afghanistan.

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Brüssel/Kabul – Der Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan nach fast 20 Jahren hat nach eigenen Angaben des Bündnisses begonnen. Der eigentlich für den 1. Mai vorgesehene Schritt sei bereits gestartet worden, teilte das Militärbündnis am Donnerstagabend in Brüssel mit. Da die Sicherheit der Truppen höchste Priorität habe, würden jedoch keine Details zu der Operation mitgeteilt. Der Abzug solle in "ein paar Monaten" abgeschlossen sein.

Abzug von 9.600 Nato-Soldaten

Nach offiziellen Angaben waren jüngst 2500 US-Soldaten in Afghanistan stationiert. Darüber hinaus befinden sich auch noch rund 18.000 US-Vertragskräfte, sogenannte "Contractors", in dem Land, die verschiedene Aufgaben erfüllen.

Die Nato war mit ihrem Einsatz "Resolute Support" zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte zuletzt noch mit rund 9.600 Nato-Soldaten am Hindukusch. Die deutsche Bundeswehr stellt dabei mit 1.100 Soldaten das zweitstärkste Kontingent nach den USA.

"Der Abzug hat begonnen", sagte ein Nato-Vertreter am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. "Wir planen, unseren Rückzug innerhalb weniger Monate abzuschließen."

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Die Regierung des früheren US-Präsidenten Donald Trump hatte den radikalislamischen Taliban einen Abzug der Nato-Truppen bis zum 1. Mai in Aussicht gestellt. Angesichts fehlender Fortschritte in den Friedensgesprächen zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul wurde dieser Termin nicht eingehalten. Trumps Nachfolger Joe Biden beschloss dann, den Abzug zum 1. Mai zu beginnen und spätestens am 11. September abzuschließen, dem 20. Jahrestag der Terroranschläge des Netzwerks Al-Kaida in den USA.

Das Bündnis ergreife "alle notwendigen Maßnahmen, um unser Personal vor Schaden zu bewahren", sagte der Nato-Vertreter. "Jegliche Angriffe der Taliban während des Rückzugs werden mit einer energischen Reaktion beantwortet."

Das österreichische Bundesheer ist mit 16 Soldaten an der Nato-geführten Ausbildungsmission RSM (Resolute Support Mission) in Afghanistan beteiligt. Die Planungen für den Abzug der österreichischen Soldaten laufen "in enger Abstimmung mit unserem Bündnispartner Deutschland", hatte Verteidigungsministeriums-Sprecher Michael Bauer unlängst auf APA-Anfrage erklärt.

Verschlechterung der Sicherheitslage befürchtet

Der deutsche Außenminister Heiko Maas war am Donnerstag in Kabul. Er versprach Afghanistan Unterstützung auch für die Zeit nach dem Nato-Truppenabzug. Einen Rückfall "in alte Zeiten wollen wir unbedingt verhindern." Der Außenminister sicherte auch weitere zivile Hilfe zu. Dafür hat Deutschland im laufenden Jahr 430 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für die nächsten Jahre bis 2024 wurde die gleiche Summe in Aussicht gestellt.

Laut "Spiegel" befürchtet man in Berlin jedoch eine Verschlechterung der Sicherheitslage am Hindukusch. Aus einem vertraulichen Bericht geht laut dem deutschen Nachrichtenmagazin hervor, dass die deutsche Regierung mit "einer weiteren, erheblichen Verschlechterung der Sicherheitslage" in Afghanistan rechnet, sollte "keine Einigung mit den Taliban über Art, Umfang und verlängerte Dauer der Präsenz internationaler Streitkräfte" erzielt werden. Der Bericht soll das Ergebnis einer gemeinsamen Delegation von Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium sein, die Anfang März vier Tage lang die Lage in Kabul sondierte. "Internationale Organisationen könnten wieder Ziel von Hochwertanschlägen werden", heißt es dort.

Absolute "Worst-Case-Szenarien wie zum Beispiel ein Bürgerkrieg mit Sturm auf Kabul" und damit auch die Schließung der Botschaft seien "nicht völlig auszuschließen", heißt es in der Analyse. (APA, AFP, red, 29.4.2021)