Sozial akzeptiert geschrien wird eigentlich nur im Sport, am besten nach einem Sieg – wie es hier Thomas Muster vormacht.

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Mäßigung ist gesellschaftlich angesagt. Öffentliche Gefühlsausbrüche erfüllen Beobachter meist mit Befremden. Nicht umsonst war das Land verblüfft, als Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei seinem Rücktritt unlängst die Tränen kamen. Die Linzer Kunststudentin Marion Theres Winter will Gefühlen mehr Platz geben und hat deshalb die Aktion Gipfelschrei gestartet. Seit Montag lädt sie Freiwillige dazu ein, sich auf der Dachterrasse der Linzer Kunstuni die Seele aus dem Leib zu brüllen.

Stand Munchs berühmtes Gemälde Pate? Auf die Idee ist sie gekommen, weil sie selbst schreien wollte und einen Ort dafür gesucht hat. "Den habe ich nicht gefunden und mir gedacht, ich bin sicher nicht die einzige Person, der es so geht." Auf ihren Ort zum Schreien stieß sie schließlich beim Wandern, daher der Name der Aktion. Doch die Idee war geboren.

"Nichts Negatives oder Aggressives"

Der Andrang gibt ihr recht, Winter muss Interessierten bereits absagen. Warum die Leute schreien wollen, spielt für sie keine Rolle. "Schreien muss nichts Negatives oder Aggressives bedeuten. Manchmal ist es einfach schön, ein bisschen lauter zu sein", sagt Winter.

Dass laut zu sein nicht als normal empfunden wird, sieht sie auch bei den Teilnehmern: Kinder freuen sich, dass sie endlich einmal schreien dürfen, manche Erwachsenen seien es hingegen gar nicht gewohnt, zu schreien – und würden sich erst langsam mit lauteren und länger werdenden Schreien herantasten. Viele Teilnehmer sagen nachher, dass es ihnen gut getan hat; manche kommen schüchtern hin und gehen offener wieder weg, sagt Winter.

Die künstlerische Gelegenheit zum Schreien endet Freitagabend. Winter nimmt aber alle Ausbrüche auf und spielt sie am Sonntag ab 16 Uhr am Linzer Hauptplatz ab. (wurm, 30.4.2021)