Die gewaltsame Auflösung der Antiabschiebungsdemonstration am 30. Jänner 2021 in Innsbruck war rechtswidrig.

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Innsbruck – Am 30. Jänner 2021 rief die Sozialistische Jugend Tirol (SJ) unter dem Motto "Grenzen töten" zu einer Demonstration in Innsbruck auf. Rund 600 Personen marschierten an diesem Samstag durch Innsbruck. Im Zuge der Demonstration kam es zu einem massiven Polizeieinsatz, bei dem insgesamt 19 Personen festgenommen wurden und auch ein Polizist verletzt wurde. Die Polizei sprach 45 Anzeigen wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt aus, 50 weitere wegen Nichteinhaltung des Mindestabstands, sieben wegen fehlender Schutzmasken sowie 15 zusätzliche Anzeigen wegen anderer Verwaltungsübertretungen.

Die Veranstalter reichten eine Maßnahmenbeschwerde gegen den Polizeieinsatz beim Tiroler Landesverwaltungsgericht (LVwG) ein. Diese richtet sich einerseits gegen die Auflösung der Kundgebung und andererseits gegen den Pfeffersprayeinsatz, zu dem es dabei kam. Die Kritik am Polizeieinsatz wurde auch in Videoform gebracht. Zeuginnen und Zeugen berichten darin von ihren Beobachtungen. Die einzelnen Aussagen, aber auch ein Zusammenschnitt der Statements wurden online gestellt.

Demo-Veranstalter erhielten vor Gericht recht

Das LVwG hat nun den Beschwerdeführern recht gegeben. Die Tiroler Landespolizeidirektion wurde wegen rechtswidrigen Vorgehens im Zuge der Demonstration verurteilt und muss die Verfahrenskosten in der Höhe von 1695 Euro tragen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Beide Parteien könnten nur noch eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) versuchen.

Das Recht der Demoveranstalter, sich zu versammeln und versammelt zu bleiben, sei verletzt worden, urteilte das Tiroler Gericht. Dies zum einen dadurch, weil – um den sogenannten Schwarzen Block von den "normalen" Demonstranten zu trennen – zwei Sperrgürtel errichtet worden seien, der Schwarze Block eingekesselt und damit eine Straße komplett abgesperrt wurde. Somit kam die gesamte Versammlung zum Stillstand und wurde letztlich aufgelöst. Dies sei unverhältnismäßig gewesen.

Pfefferspray-Einsatz war rechtswidrig

Auch der Einsatz von Pfefferspray durch vier Beamte sei rechtswidrig erfolgt. Denn im Falle einer "geschlossenen Einheit", wie es die Versammlung dargestellt habe, sei ein solcher Einsatz von Pfefferspray nur gestattet, wenn er von einem Kommandanten angeordnet worden wäre. Aber dies sei nicht der Fall gewesen.

Die Demo sorgte für politische Nachwehen. SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim richtete eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). "Er hat sich dabei in wesentlichen Fragen gleichgültig und nicht um Aufklärung bemüht gezeigt", kritisiert sie. Umso wichtiger sei das Urteil: "Es zeigt, wie wichtig die Überprüfung solcher Vorfälle durch die Gerichte ist. Das Eingreifen der Polizei war offensichtlich überschießend."

Skurrile VP-Anfrage als Bumerang

Innerhalb der türkis-grünen Koalition kam es zu einem skurrilen Streit wegen der Demo. Der Tiroler VP-Nationalratsabgeordnete Hermann Gahr richtete eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister. Grund dafür: Die grüne Mandatarin Barbara Neßler und Innsbrucks grüner Bürgermeister Georg Willi kontaktierten nach der gewaltsamen Demoauflösung am 30. Jänner die Polizei, um sich zu erkundigen, was passiert sei.

Gahr wollte nun wissen, ob die Grünen etwa für die Festgenommenen intervenieren wollten. Das Ministerium verneinte das. Und informierte in der Beantwortung, dass nicht nur die Grünen, sondern auch Innsbrucks VP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber bei der Polizei angerufen hatte. Für Gahr ist "auch das zu hinterfragen". (ars, 29.4.2021)