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Im Juli könnten Ergebnisse zur Wirksamkeit des Impfstoffes von Biontech/Pfizer für Fünf- bis Zwölfjährige vorliegen, im September für Jüngere.

Foto: Reuters / SHAWN ROCCO/DUKE HEALTH

Jetzt könnte es schnell gehen: Der deutsche Konzern Biontech rechnet mit einer baldigen Zulassung seiner Covid-19-Schutzimpfung für Kinder – wie Biontech-Chef Uğur Şahin dem Spiegel sagte.

Anfang April veröffentlichten Biontech und Pfizer erste Ergebnisse einer klinischen Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit ihres Impfstoffes bei Zwölf- bis 15-Jährigen. Der Impfstoff habe demnach eine 100-prozentige Wirksamkeit, die Nebenwirkungen in dieser Altersgruppe seien vergleichbar mit jenen bei 16- bis 25-Jährigen. Karl Zwiauer, Mitglied im Nationalen Impfgremium, zeigte sich deshalb in der "ZiB2" am Donnerstagabend hoffnungsvoll, dass demnächst auch Zwölf- bis 15-Jährige geimpft werden könnten.

Karl Zwiauer, Mitglied im Nationalen Impfgremium, in der "ZiB2.
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Zu Monatsbeginn kündigten die Impfstoffpartner auch an, die Studienergebnisse bald bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA und der US-Zulassungsbehörde FDA einzureichen. In den USA wurde bereits ein Antrag gestellt. Kommenden Mittwoch soll es laut Şahin nun so weit sein: Die bedingte Zulassung des Impfstoffs für Zwölf- bis 15-Jährige bei der EMA wird beantragt.

Bei den bereits in der EU zugelassenen Corona-Vakzinen vergingen zwischen Antrag und Zulassung jeweils einige Wochen. Şahin rechnet deshalb damit, dass ab Anfang Juni die ersten Schulkinder geimpft werden können.

Seit März testen Biontech und Pfizer ihren Impfstoff bei Kindern unter zwölf Jahren. Dabei handelt es sich um eine Dosisfindungsstudie, wobei mit den ältesten Kindern begonnen wird. Laut Şahin sei die Untersuchung inzwischen bei der jüngsten Altersklasse angelangt: bei Kindern ab sechs Monaten.

Im Juli könnten erste Ergebnisse daraus für die Fünf- bis Zwölfjährigen vorliegen, im September für die jüngeren Kinder. Die Auswertung der Daten würde dann etwa vier bis sechs Wochen dauern. Danach, so Şahin, könne man den Antrag auf Zulassung des Impfstoffs für alle Kinder der jeweiligen Altersgruppe einreichen.

"Totaleinbruch"

Die Impfung, auf die alles blickt, ist also auch für Kinder und Jugendliche auf dem Weg. Andere Immunisierungen sind angesichts der Corona-Pandemie und der damit verbundenen äußerst unregelmäßigen Schulbesuche allerdings auf der Strecke geblieben. Von einem regelrechten "Impfdilemma" spricht etwa der Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH), denn: "Es ist kaum eine schulärztliche Tätigkeit und schon gar nicht eine Impftätigkeit festzustellen gewesen in der Pandemie", berichtet Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer von einem "Totaleinbruch im Schulärztesystem".

Als Konsequenz dieser Entwicklung sei damit zu rechnen, dass mittels Impfung zurückgedrängte Krankheiten bald wieder verstärkt ausbrechen. Ein Szenario: Zwar habe es in Österreich seit April 2020 durch die Corona-Maßnahmen keine Masernfälle mehr gegeben. Zeitgleich ortet der Kinderarzt und Kammervertreter Schmitzberger aber auch bei der Masernimpfung einen "großen Nachholbedarf". Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechne mit einem größeren Ausbruch der Krankheit, sobald die internationale Reisetätigkeit wieder zunimmt.

Die Folgen von Impfnachlässigkeit könne man am Beispiel der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) beobachten: Die Menschen in Österreich hätten sich seit Pandemiebeginn verstärkt im Freien aufgehalten. Der Effekt: Ein "Allzeithoch" an FSME-Fällen, sagt Schmitzberger – mehr als 200 davon wurden 2020 im Spital behandelt.

Lücken bei HPV-Impfung

Auch andere – teilweise kostenlose – Impfungen für Kinder und Jugendliche müssten dringend nachgeholt werden, heißt es beim ÖVIH. So gelte es etwa Lücken bei der HPV-Impfung zu schließen, warnt Elmar Joura von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde an der Medizin-Uni Wien. Humane Papillomaviren (HPV) lösen insgesamt sechs verschiedene Krebsarten bei Frauen und Männern aus. Das Rachenkarzinom bei Männern werde etwa bald häufiger sein als die Zahl der Frauen mit Gebärmutterhalskrebs.

Was der ÖVIH anregt: weniger Föderalismus beim Impfen. Schon vor der Pandemie sei das Impfprogramm an Schulen höchst unterschiedlich umgesetzt worden. Ein Factsheet mit Informationen, wo versäumte Impfungen jetzt nachgeholt werden können, soll Eltern helfen, bei der Vorsorge auf den aktuellen Stand zu kommen. (Eja Kapeller, Karin Riss, 29.4.2021)