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Nawalny wurde per Video zu einer Gerichtsanhörung vom Straflager aus zugeschaltet.

Foto: AP/Babuskinsky District Court Press Service

Moskau – Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist erstmals nach der Beendigung seines mehr als dreiwöchigen Hungerstreiks wieder in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Per Videoverbindung wurde der 44-jährige Oppositionspolitiker am Donnerstag zu einer Gerichtsanhörung vom Straflager aus zugeschaltet. Er war kahl geschoren und schien merklich an Gewicht verloren zu haben.

Im Prozess griff Nawalny erneut Russlands Präsident Wladimir Putin an. "Der nackte Kaiser will bis zum Ende regieren, er hat sich an die Macht geklammert", sagte der Oppositionelle am Donnerstag nach einem Bericht des unabhängigen Internetsenders Doschd in einem Berufungsverfahren vor Gericht. Wenn Putin weiter regiere, werde zu einem bereits "verlorenen Jahrzehnt ein gestohlenes Jahrzehnt" hinzukommen.

Vorwurf: Veteranenbeleidigung

Das Gericht bestätigte erwartungsgemäß eine Entscheidung gegen Nawalny von Mitte Februar wegen Beleidigung eines Weltkriegsveteranen. Demnach muss der 44-Jährige 850.000 Rubel (rund 9.400 Euro) Strafe zahlen – etwa das Doppelte eines durchschnittlichen Jahresgehalts in Russland. Seine Anwälte kündigten an, vor den Europäischen Menschengerichtshof zu ziehen.

Hintergrund war seine Kritik an einem Video, das das Staatsfernsehen im vergangenen Sommer ausgestrahlt hatte. Darin warben mehrere Bürger – auch ein 94-jähriger Veteran – für eine Verfassungsänderung, die der Sicherung von Putins Macht dient. Nawalny beschimpfte die Protagonisten auf Twitter damals als "Verräter". Das wurde ihm als Veteranenbeleidigung ausgelegt.

Nawalny-Stiftung will auch bei Verbot weiterarbeiten

Nawalnys Unterstützerteam erklärte zudem in einem Youtube-Video, dass es sein Netzwerk regionaler Mitstreiter-Gruppen aufgelöst habe, nachdem die Staatsanwaltschaft Anfang der Woche ihnen alle Aktivitäten verboten hatte. Das Verbot soll bis zum Abschluss eines Gerichtsverfahrens gelten, in dem es um die Einstufung der Nawalny-Unterstützer als extremistisch gehe. Die Staatsanwaltschaft wirft den Gruppen vor, die politische Lage destabilisieren und eine Revolution auslösen zu wollen.

Es sei unmöglich, die Arbeit des Netzwerks in seiner jetzigen Form fortzusetzen, schrieb der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram. Im Falle einer Einstufung als extremistisch drohten den Mitarbeitern und Unterstützern strafrechtliche Konsequenzen. "Leider ist es unmöglich, unter solchen Bedingungen zu arbeiten", schrieb Wolkow, der im Ausland lebt. Aufgeben wolle man aber dennoch nicht, meinte Wolkow. So will etwa Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung ihre Aktivitäten auch im Falle eines Verbots weiterführen. Das machte Stiftungsleiter Ivan Schdanow in einem auf Youtube veröffentlichten Video deutlich.

Nawalny hatte am Freitag seinen am 31. März begonnenen Hungerstreik beendet, mit dem er eine bessere medizinische Behandlung in der Haft erwirken wollte. Der Kritiker von Präsident Wladimir Putin hatte im vergangenen Jahr einen Giftanschlag in Russland überlebt und war in Deutschland ärztlich behandelt worden. Bei der Rückkehr in seine Heimat im Jänner wurde Nawalny festgenommen und zu mehr als zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Dies wurde international scharf kritisiert, die EU und die USA haben deswegen Sanktionen gegen Russland verhängt. (APA, Reuters, dpa, 29.4.2021)