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In Umfragen zeigten sich zuletzt zwei Drittel der Befragten unzufrieden mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas.

Foto: AP / Majdi Mohammed

Gaza/Ramallah – In den Palästinensergebieten hat die zuständige Wahlkommission am Freitag offiziell die Aussetzung des Wahlprozesses verkündet. Die für den 22. Mai angesetzte erste Wahl seit mehr als 15 Jahren war zuvor kurzfristig verschoben worden. Als Grund führte Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas den Konflikt um Jerusalem an. Einen neuen Termin gibt es nicht.

Man habe sich darauf verständigt, die Wahl zu verschieben, bis die Teilnahme der Menschen im Ostteil der Stadt gesichert sei, sagte der 85-Jährige in Ramallah. Die islamistische Hamas – zweitgrößte Palästinensergruppe nach der gemäßigteren Fatah von Abbas – kritisierte die Entscheidung.

Die Palästinenser hatten zuletzt wiederholt auf die klare Zustimmung Israels zur Wahlmöglichkeit in Ost-Jerusalem gepocht. Die israelische Seite äußerte sich nicht dazu. Das Außenministerium betonte nur allgemein, Israel wolle sich nicht in die Wahl einmischen oder sie verhindern.

Streitpunkt Jerusalem-Frage

Der Status der Stadt ist einer der zentralen Streitpunkte im Nahostkonflikt. Israel beansprucht Jerusalem als "ewige und unteilbare Hauptstadt" für sich. Die Palästinenser halten ihrerseits an ihrem Anspruch auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt fest.

Spekulationen über eine Absage oder Verschiebung der Abstimmung wegen der Jerusalem-Frage gab es seit längerem. Rechtlich betrachtet ist eine Erlaubnis Israels zur Stimmabgabe im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems nicht nötig, faktisch ist ein Einverständnis aber durchaus erforderlich, da Israel den Osten der Stadt kontrolliert. Die israelische Polizei ging dort zuletzt wiederholt gegen jegliche Wahlaktivitäten vor.

Hälfte der Wahlberechtigten Erstwähler

Experten hatten für den Fall einer Absage oder Verschiebung der Wahl vor großer Enttäuschung unter den Palästinensern gewarnt. Auch Proteste galten als möglich. Aufgrund der vielen jungen Menschen in den Palästinensergebieten und der schon lange zurückliegenden vorigen Parlamentswahl hätte etwa die Hälfte der rund 2,5 Millionen Wahlberechtigten erstmals abstimmen dürfen. In Umfragen zeigten sich zuletzt zwei Drittel der Befragten unzufrieden mit Abbas.

Dieser hatte in einem Mitte Jänner veröffentlichten Dekret eine Parlamentswahl für den 22. Mai und eine Präsidentenwahl für den 31. Juli festgelegt. Noch zu Beginn der vergangenen Woche betonte er, an dem Termin der Parlamentswahl festzuhalten. Die bisher letzte Präsidentenwahl fand 2005 statt, die letzte Parlamentswahl 2006. Wahlen waren in den vergangenen Jahren mehrfach vorgesehen. So konkret wie in diesem Jahr waren die Planungen allerdings noch nicht.

Vorgeschobenes Motiv vermutet

Die Friedensverträge zwischen Israel und den Palästinensern sehen vor, dass palästinensische Bewohner Jerusalems in bestimmten Postfilialen abstimmen können. Die rund 150.000 dort Wahlberechtigten können zwar auch in Vororten abstimmen. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) besteht aber darauf, dass auch in den Postfilialen abgestimmt wird. Im Jahr 2006 hatte Israel die Abstimmung in Ost-Jerusalem ermöglicht.

Manche Beobachter werten den Streit um Ost-Jerusalem als vorgeschobenen Grund für die Wahlverschiebung. Sie vermuten als Motiv unter anderem die Sorge von Abbas und dessen Umfeld vor einer möglichen Niederlage seiner Fatah und deren momentane tiefe Spaltung. Überraschend hatten zwei prominente Kritiker des Präsidenten – der nach einem Mordurteil in israelischer Haft sitzende Marwan Barghouti und der im März aus der Organisation ausgeschlossene Nasser al-Kidwa – angekündigt, mit einer gemeinsamen Liste bei der Wahl anzutreten. Insbesondere Barghouti, den die Palästinenser als politischen Gefangenen Israels sehen, galt als aussichtsreicher Rivale von Abbas. Ihm werden auch Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt.

Israel besorgt über Wahlausgang

Israel steckt nach der vierten Wahl binnen zwei Jahren in einer politischen Krise, ob eine Regierungsbildung gelingt, ist ungewiss. Der Friedensprozess mit den Palästinensern spielte im Wahlkampf praktisch keine Rolle. Ein Wahlsieg Barghoutis würde Israel vor große Probleme stellen. Mit Sorge erfüllte viele in Israel auch ein mögliches Erstarken der Hamas. Die im Gazastreifen herrschende Gruppe wird von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft. Umfragen sahen sie zuletzt aber hinter der Fatah.

Fatah und Hamas waren in den vergangenen Jahren erbitterte Rivalen, vergangenes Jahr nahmen sie Versöhnungsgespräche auf. Bei der Parlamentswahl 2006 hatte die Hamas gesiegt, im Jahr darauf übernahm sie gewaltsam die alleinige Kontrolle im Gazastreifen. Die Fatah herrscht seitdem nur noch in den nicht von Israel verwalteten Teilen des Westjordanlands. Trotz ihrer Ablehnung der Besatzung kooperiert sie – anders als die Hamas – mit Israel.

Die Wahl war als Teil der Versöhnungsbemühungen gedacht. Eine Einigung sollte den Weg für neue Gespräche mit Israel über eine Zwei-Staaten-Lösung ebnen. (APA, 30.4.2021)