Vom EU-Wiederaufbaufonds angefangen bis hin zu Stiftungen oder privaten Sponsoren: Wer derzeit Fördergelder ausschreibt, tut das – nachvollziehbarerweise – häufig mit einem gewissen Fokus auf Covid-19. Und auch das jedenfalls wichtigste Zukunftsthema, der Kampf gegen die Klimakatastrophe, steht bei aktuellen Calls ganz weit oben. Für viele Non-Profits ergeben sich so unerwartete und scheinbar attraktive Möglichkeiten, ihre Arbeit in Krisenzeiten zu finanzieren. Aber dabei lauern auch Gefahren.

Im Podcast Gemeinwohl Geplauder sprechen wir darüber, wie man eine gemeinnützige Organisation gegenüber Geldgebenden gut präsentieren kann. Dabei ist der Fokus auf die Kernaufgabe – die Mission – unabdingbar. So mancher Verein interpretiert diese je nach Ausschreibung aber gern etwas großzügiger und wundert sich dann, warum man nicht zum Zug gekommen ist. Es ist nachvollziehbar, dass besonders in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wie diesen jeder zusätzliche Euro benötigt wird. Erfolgreiche NPOs und Sozialunternehmen zeichnen sich im Gegenteil jedoch dadurch aus, dass sie ihren Gründungsgedanken nicht aus den Augen verlieren und ihn dennoch laufend hinterfragen. Es ist genau dieses Spannungsfeld, das aufrechterhalten werden muss.

Mission-Drift

Wer die Möglichkeit bekommt, sein Projekt vor einer Jury, der hohen Politik oder einer Philanthropin zu präsentieren, sollte sich auf die konkrete Bedarfslage konzentrieren. Und selbstverständlich muss diese derzeit die Corona-Situation bewusst in Betracht ziehen. Das heißt aber nicht, dass eine Initiative, die bisher lokale Grünflächen vom Müll befreit hat, plötzlich Nachhilfestunden für Kinder, die Schwierigkeiten im Homeschooling haben, anbieten muss. Sehr wohl soll diese Organisation aber darüber reflektieren, wie sich das soziale Leben der Menschen in den letzten Monaten immer mehr auf solche öffentliche Orte verlagert hat. Oder dass möglicherweise bestimmte Gruppen von Ehrenamtlichen zuletzt nicht mehr mithelfen konnten, weil sie sich aufgrund ihres Alters oder von Vorerkrankungen isoliert haben.

Zusätzlich zu den eingeschränkten Personalressourcen gilt es, die Arbeit von Vereinen und Sozialunternehmen auch und gerade in solchen Krisenzeiten zu finanzieren. Die wenigsten Geldquellen kommen allerdings bedingungslos. Förderstellen und Spenderinnen und Spender wollen mit den ausgeschütteten Mitteln in der Regel etwas Bestimmtes bewirken. Wenn relativ schnelles Geld nur zu bestimmten Bedingungen verfügbar ist, die auf eine Organisation nicht zur Gänze zutreffen, scheint es oft einfacher, sich diesen Bedingungen anzupassen als nach passenden Förderungen zu suchen.

NPOs müssen bei neuen Förderungen auf den Mission-Drift achten.
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Falsche Förderakquise mag kurzfristig Löcher im Budget stopfen, birgt allerdings zwei große Tücken und ist oft kontraproduktiv. Denn versprochene Leistungen müssen infolge einer Förderzusage auch erfüllt werden. Verbiegen sich Vereine auf der Suche nach Finanzierung zu sehr, laufen sie Gefahr, von ihrer eigentlichen Mission abzukommen. Statt durch passende Förderungen ihre Mission zu finanzieren, sehen sich NPOs dann etwa in der paradoxen Situation, dass plötzlich Personalressourcen in geförderten Projekten gebunden sind und nicht mehr für das Tagesgeschäft im Sinne der Mission zur Verfügung stehen. Falsche Akquise von Finanzmitteln führt also trotz zusätzlicher finanzieller Mittel zu einem Rückgang der Wirksamkeit. Nimmt dieses Phänomen überhand, spricht man von einem sogenannten Mission-Drift.

Neue Möglichkeiten, Probleme zu lösen

Die zweite Tücke der falschen Förderakquise ist die fehlende Nachhaltigkeit solcher Finanzierungsmodelle. Spezielle monetäre Unterstützungsmaßnahmen, die aufgrund der derzeitigen Sondersituation ausbezahlt werden, sollten nicht zur Grundfinanzierung eines Vereins genutzt werden. Denn sobald die Pandemie vorbei ist oder eine neue Krise vor der Tür steht, werden diese Mittel nicht mehr vorhanden und in bestimmten Bereichen auch gar nicht mehr notwendig sein. Wer sich jetzt von seinen Gründungsaufgaben distanziert und alle Energien auf spezielle Projekte legt, die besser zu einer Ausschreibung passen als zur sozialen Mission, wird früher oder später vor der Herausforderung stehen, sich von Mitarbeitenden oder Räumlichkeiten trennen zu müssen, weil schlichtweg die Anschlussfinanzierung fehlt.

Sollen NPOs also besser überhaupt Abstand davon nehmen, nach neuen Fundraising-Möglichkeiten Ausschau zu halten? Natürlich nicht. Fördereinreichungen sind zwar langwierige und aufwendige Prozesse mit oftmals geringen Erfolgsaussichten, aber die schiere Auseinandersetzung mit den aktuellen Zielen und Prioritäten der eigenen Organisation ist es schon wert. Wenn am Ende neue Wege gefunden wurden, um das Problem zu lösen, dessen Lösung sich die Organisation schon vor Corona gewidmet hatte, ist allen geholfen. Und wenn sich im Beantragungsprozess herausstellt, dass eine Förderung nicht zur eigentlichen Mission passt, ist allein dieser Reflexionsprozess ja auch viel wert. (Fabian Scholda, Gregor Ruttner, 5.5.2021)