Von links nach rechts: Sarkophag (vorne/hinten), dekorierte Cartonnage-Umhüllung, CT-Scan und Röntgenbild der mumifizierten Schwangeren.
Bilder: Muzeum Narodowe w Warszawie, Warsaw Mummy Project

Erst vor zwei Wochen berichteten schwedische Forschende über den aufgeklärten Fund eines Fötus im Sarg eines mumifizierten Bischofs. Nun ist es nicht ein Leichnam aus dem 17. Jahrhundert, sondern eine etwa 2000 Jahre alte Mumie aus Ägypten, die mit einem solchen Zusatzfund überrascht. Beim Durchleuchten der Mumie per Röntgen und Computertomografie stellte das Warschauer Forschungsteam fest: Es handelt sich dabei nicht um einen männlichen Priester namens Hor-Djehuty, wie Inschriften im Sarkophag suggerieren. Stattdessen haben sie es mit einer einbalsamierten Frau zu tun, die außerdem im 7. bis 8. Monat schwanger ist.

Laut den Forschenden handelt es sich bei diesem Leichnam des Nationalmuseums Warschau weltweit um den ersten Fall einer schwanger einbalsamierten ägyptischen Mumie. Ungewöhnlicherweise wurde der Fötus hier nicht aus dem Bauch der Mutter entfernt und neben ihr bestattet, wie es bisherigen Funden zufolge üblich war.

Die Mumie bei der Computertomografie.
Foto: AFP/Aleksander Leydo

Einzigartige Entdeckung

Die Untersuchungen enthüllten, dass es sich bei der Schwangeren um eine 20- bis 30-jährige Frau handelte, die den Grabbeigaben zufolge einen hohen sozialen Status hatte. Mögliche Todesursachen werden derzeit ermittelt. Nachdem sie starb, wurden jedenfalls einige innere Organe wie Herz und Eingeweide entnommen, einbalsamiert und in die Bauchhöhle zurückgelegt. Der Fötus, laut Kopfumfang etwa in der 26. bis 30. Schwangerschaftswoche, wurde hingegen nicht aus der Gebärmutter entfernt. Er wurde gemeinsam mit der Mutter mumifiziert.

"Das macht diese Mumie wirklich einzigartig", sagt der beteiligte Archäologe Wojciech Ejsmond von der Polnischen Akademie der Wissenschaften. "Wir wissen allerdings nicht, warum der Fötus während der Mumifizierung nicht aus dem Bauch der Verstorbenen genommen wurde."

Röntgen- und CT-Bilder zeigen die Lage des Fötus – innerhalb der Gebärmutter und deshalb nicht klarer erkennbar – im Becken der Frau.
Bilder: Marcin Jaworski, Marzena Ożarek-Szilke

Womöglich wollte man die Schwangerschaft verheimlichen, so eine Vermutung. Auch bisher unbekannte religiöse Vorstellungen von Jenseits und Wiedergeburt könnten eine Rolle gespielt haben. Wie auf den Bildern erkennbar ist, wurde der Bauch nicht in stark ausgeprägter Wölbung mumifiziert. Für die Verbindung von Schwangerschaft und Tod und deren Bedeutung im alten Ägypten dürfte der Fund jedenfalls für neuen Diskussionsstoff sorgen.

Mumientausch

Das Forschungsteam empfiehlt zudem, die Identitäten von Mumien kritisch zu überprüfen: Es dürfte in der Vergangenheit häufig zu Mumientauschen gekommen sein. "Man kann nur darüber spekulieren, dass die Mumie im Altertum versehentlich in einem falschen Sarkophag platziert wurde oder im 19. Jahrhundert durch Antiquitätenhändler zufällig in diesem Sarkophag landete", heißt es im Artikel, der im Fachblatt "Journal of Archaeological Science" erschien.

Damals sei es nicht unüblich gewesen, auf der Suche nach wertvollen Gegenständen Mumien teilweise aus- und wieder einzuwickeln und sie dabei auch in andere Särge umzulagern. Die "mysteriöse Dame des Warschauer Nationalmuseums", wie sie von den Forschenden bezeichnet wird, kam im Jahr 1826 durch den polnischen Künstler Jan Wężyk-Rudzki in den Besitz der Universität Warschau. Die Lage des ägyptischen Grabs ist aufgrund von widersprüchlichen Angaben nicht eindeutig, vermutlich befindet es sich in der Nähe der altägyptischen Stadt Theben. (Julia Sica, 30.4.2021)