Selbst die ignorantesten Technikverweigerer und Analogverfechterinnen müssen mittlerweile kapitulieren: Die Digitalisierung und Automatisierung schreiten unaufhaltsam voran, bestenfalls können sie noch in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Und selbst wer versucht, sie zu umgehen, stößt spätestens bei Bankeinzahlungen oder Smart Assistants beim Flughafen-Check-in an seine Grenzen. Ist der Kampf Mensch gegen Maschine also längst verloren?

Wer die Antwort darauf zu kennen glaubt, stellt vermutlich die falsche Frage. Weder utopische Szenarien, wonach Maschinen uns Menschen in allen Lebensbereichen nur unterstützen, ohne uns negativ zu beeinflussen, noch dystopische Schreckensbilder von Massenarbeitslosigkeit und Machtübernahme der Roboter werden in dieser Form eintreten.

Die eigentlich entscheidende Frage kann deshalb nur lauten, auf welche Weise wir mit den intelligenten Maschinen künftig zusammenleben und -arbeiten wollen. Auf welche gesellschaftlichen Bahnen also sollen wir den Fortschritt lenken?

Sexistisch und rassistisch

In den USA zeigt sich ein ureigenes Problem der "Vermaschinisierung der Gesellschaft" schon in der Sprache. Während bei uns von einem Kampf zwischen Menschen und Maschinen gesprochen wird, heißt es dort in den meisten Fällen "man versus machine". Schon klar: "Man" soll in dieser Auslegung für die gesamte Menschheit, für "mankind" gelten. Frauen sind also wieder einmal mitgemeint. Tatsächlich aber sind Frauen nicht nur in jenen Berufen unterrepräsentiert, die das intelligente Maschinenleben um uns herum produziert, sie sind auch viel zu oft die Leidtragenden eben jener Technik.

Illustration: Fatih Aydogdu

Fast monatlich poppen neue Studien auf, die immer wieder zu demselben Ergebnis kommen: Viele Algorithmen sind üble Sexisten – zum Teil auch noch Rassisten. Die traurige Erklärung: Sie sind eben Spiegelbilder unserer Gesellschaft. Wenn die besten Bilderkennungsalgorithmen unserer Zeit einem männlichen Kongressabgeordneten primär Attribute wie "offiziell", "seriös" und "businesslike" zuschreiben und dieselbe Software bei einer weiblichen Abgeordneten die Frisur, die Haarfarbe und die Schönheit des Gesichts in den Vordergrund stellt, dann haben wir ein Problem – und zwar kein kleines.

Nach regelmäßigen Shitstorms geloben die Silicon-Valley-Größen meist schnelle Besserung und mehr Inklusion von Minderheiten und Frauen. Aber was ist das für eine Gesellschaft, in der sich immer erst dann etwas ändert, wenn der Schaden bereits angerichtet ist? Das muss doch auch anders gehen!

Gesellschaftliches Update

Wir müssen uns eingestehen, dass die intelligenten Algorithmen und Softwares heute schon eine enorme Gestaltungsmacht haben. Sie lenken, welchen Tweet oder welches Tiktok wir als Nächstes angezeigt bekommen, schlagen uns Essen und Filme vor, die wir mögen. Das ließe sich auch zum Positiven nutzen. Wir könnten langwierigen und in vielfach überfälligen gesellschaftlichen Wandel vielerorts massiv beschleunigen. Bis No-go-Attitüden wie Homophobie, Sexismus oder Rassismus einer Gesellschaft weitestgehend "ausgetrieben" sind, dauert es oft Generationen. Und jede ist eine zu viel.

Dabei mögen einige argumentieren, dass gesellschaftlicher Wandel in Etappen passieren muss, um keine reaktionären Gegenströmungen zu provozieren. Aber seien wir uns einmal ehrlich: Warum sollten Systeme, die zweifelsfrei auch jetzt schon sexismus- und rassismusfrei programmiert werden könnten, immer noch mit dem langsamen Trott des gesellschaftlichen Wandels gleichgeschaltet sein? Eine bessere Version unser selbst zu sein ist gar nicht so leicht. Wäre es da nicht wichtig, ab und zu einen Spiegel vorgehalten zu bekommen? Und zwar nicht erst dann, wenn man sich bereits blamiert hat. Wie wäre es, beim Whatsappen eine gendergerechte Sprache vorgeschlagen zu bekommen und auf diskriminierende Wörter aufmerksam gemacht zu werden? Wenn einem vor dem Posten Studierende statt Studenten oder Indigene statt Indianer vorgeschlagen wird? Tut das so weh?

Demokratische Kontrolle

Klar müsste es ein demokratisches Instrument geben, um zu definieren, was wir als Gesellschaft wirklich wollen, damit die Entscheidungen auch eine gewisse Kontinuität aufweisen. Ein Grundkonsens, dass unsere Kinder weder Sexismus noch Rassismus erleben und versprühen sollen, müsste aber wohl klar mehrheitsfähig sein. Maschinen haben den Vorteil, dass sie neue Regeln blitzschnell befolgen können. Wenn sie nur von uns lernen, werden sie nicht besser, als wir werden. Wenn wir ihnen aber zeigen, was wir gerne wären, können sie helfen, uns da hinzukommen.

Algorithmen und Gesichtserkennungssoftwares bestimmen immer öfter unseren Alltag. Sie sind aber alles andere als frei von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe. Das muss doch besser gehen. (Fabian Sommavilla, 2.5.2021)