24 Prozent aller Studierenden müssen laut Studierendensozialerhebung während der Ausbildung ein Praktikum absolvieren. Viele Junge sind aktuell auf der Suche.
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Ferienzeit ist Praktikumszeit – den Job dafür sollte man am besten schon jetzt in Aussicht haben. Doch wie bereits im vergangenen Jahr finden auch heuer viele Studierende keine Ferialpraktika, selbst Pflichtpraktika sind rar.

Einerseits ist die Konkurrenz groß: Immerhin müssen 24 Prozent aller Studierenden laut Studierendensozialerhebung während der Ausbildung ein Praktikum absolvieren. Und die Arbeitslosigkeit ist in der Pandemie besonders bei 20- bis 25-Jährigen stark gestiegen. Andererseits schreiben Unternehmen wegen der derzeitigen Wirtschaftslage, Lockdowns, Abstandsregeln im Büro oder Homeoffice kaum bis gar keine Praktika aus.

Was also tun, wenn man kein Praktikum findet, die Hochschule aber eines vorschreibt? Österreichweit gebe es dazu keine einheitliche Regelung, sagt Boris Ginner, Experte für Praktika bei der Arbeiterkammer. Manche würden die Praktika verschieben, die Anforderungen ändern oder Alternativen wie ein "virtuelles Praktikum" einführen.

"Vorstellbar wäre auch, den Studierenden die Praktikumspflicht zu erlassen", sagt Ginner. So sei das – unter bestimmten Auflagen – schon bei den Schülern passiert. Durch die die Autonomie der Hochschulen sei das aber schwieriger durchzusetzen.

Aussetzen oder Verschieben

Auch die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) will Erleichterungen: "Dass in dieser sowieso schon schwierigen Situation Studierende aus Gründen, die nicht in ihrem Machtbereich liegen, am Studienfortschritt gehindert werden, kann nicht hingenommen werden", sagt ÖH-Chefin Sabine Hanger. Hochschulen sollten das Aussetzen oder Verschieben von Praktika in Erwägung ziehen, fordert sie. Einige FHs böten die Möglichkeit, das Praktikum bis zum Ende des Studiums nachzuholen und nicht in einem bestimmten Semester oder zwingend im Ausland zu absolvieren. Hanger schlägt zudem vor, auch Recherchearbeiten oder ein Ehrenamt als Praktikum anzurechnen.

Ob es heuer tatsächlich weniger Praktikumsplätze geben werde, lasse sich noch nicht abschätzen, sagt Julia Bock-Schappelwein vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Die Erfahrung aus dem Vorjahr lasse aber vermuten, "dass es vielen Unternehmen trotz der gegenwärtigen Rahmenbedingungen und Unsicherheit über die weitere Entwicklung ein Anliegen ist, Praktikumsplätze und Ferialjobs anzubieten" , sagt die Ökonomin.

Praxiserfahrung auf eigene Faust

Um auch ohne Praktikum Texte zu schreiben, hat Magdalena Riedl mit zwei Kommilitonen ein Projekt gestartet.
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Magdalena Riedl hat schon fast aufgegeben, ihr Traumpraktikum zu finden. Die Journalismusstudentin im vierten Semester will bei einer Zeitung oder einem Magazin in der Kultur oder Politik hineinschnuppern. "Ich habe seit Dezember über zehn Bewerbungen geschrieben und bisher nur Absagen oder gar keine Antwort bekommen", sagt die 21-Jährige. Viele Redaktionen hätten die ohnehin wenigen Praktika auch heuer abgesagt.

Die Studentin ist frustriert. Schon im Sommer hat sie keine Stelle bekommen, heuer wollte sie ihren Lebenslauf mit Praxiserfahrung aufwerten, um dem Ziel, Journalistin zu werden, näherzukommen. "Eigentlich erstellt man an der FH nach und nach ein Portfolio mit Radio- und Fernsehbeiträgen, die man bei Bewerbungen mitschicken kann. Weil ich im Distance-Learning die Software der FH nicht nutzen kann, haben die Beiträge nicht die Qualität, die sie haben sollten."

Riedl fürchtet, auch 2022 das Pflichtpraktikum nicht machen zu können. Das Studium zu verlängern würde ihre Pläne über den Haufen werfen. Sie hat mit ihren Eltern eine Finanzierung bis zum Bachelorabschluss nächstes Jahr vereinbart. Um auch ohne Praktikum Texte zu schreiben, hat Riedl mit zwei Kommilitonen das Online-Feuilleton Die Gutschrift gegründet: "So kommen wir nicht aus der Übung."

Einmal im Büro für Vertrag und Laptop

Im Büro war Sonja Klein nur einmal: als sie den Vertrag unterzeichnet und den Laptop abgeholt hat.
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Vor Corona nervte es Sonja Klein, an der Uni anwesend sein zu müssen. Nun sehnt sie sich zurück an den Ort des Geschehens: Auch für ihr Praktikum verlässt sie die WG nicht. Es findet remote statt. Für den Bachelor in Bildungswissenschaften an der Uni Wien macht die 22-Jährige seit März ein Pflichtpraktikum in einer Consultingfirma, die E-Learnings designt. Im Büro war sie einmal: als sie den Vertrag unterzeichnet und den Laptop abgeholt hat. Nun lernt sie zu Hause, wie man Umschulungen und Weiterbildungen konzipiert.

Ihre Chefin hat Klein nur online kennengelernt. Für Kaffeepausen mit Kollegen gibt es einen Online-Meetingraum, einmal im Monat veranstaltet die Firma ein virtuelles Speed-Dating, bei dem Kollegen zusammengewürfelt werden. Sonja findet es gut, dass der soziale Austausch gefördert wird – trotzdem fehlt es ihr, ihre Kollegen persönlich kennenzulernen. Das Homeoffice brachteaber auch Gutes mit sich: Ihr Leben ist flexibler geworden. Sei der Laptop zugeklappt, beginne auch schon der Feierabend, sagt Klein. Und: "Früher konnte ich nur in der Bibliothek oder in Cafés gut lernen. Jetzt bin ich auch zu Hause produktiv."

Drei Praktika während des Gap-Year

Antonia Weinberger entschied sich für ein Gap-Year, um in der einjährigen Studienauszeit Berufserfahrung zu sammeln.
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Während viele Gleichaltrige verzweifelt nach einer Stelle suchen, ist es Antonia Weinberger gelungen, bereits zwei Praktika zu absolvieren. Das dritte macht die 23-Jährige seit April. Bei einem Kosmetik-Start-up lernt sie in der Marketingabteilung Anzeigen zu schalten, kümmert sich um den Kundenservice und betreut die Homepage. Dazu darf sie ins Büro kommen. Tests, Masken und Abstand machen das im Team von vier Personen möglich, erzählt Weinberger.

Zuvor war sie im Herbst zwei Monate Praktikantin in der Personalabteilung eines Lebensmittelkonzerns, im Dezember machte sie ein Praktikum bei einer Unternehmensberatung in der Audit-Abteilung. Das Beratungspraktikum wollte Weinberger bereits im Sommer machen. Wegen Corona wurde es zunächst abgesagt. So hatte sie Zeit, ihre Bachelorarbeit in Internationaler Betriebswirtschaftslehre fertigzuschreiben.

Doch nach dem Abschluss stellte sie fest: Den Master wollte sie nicht in der Distanzlehre beginnen. Sie entschied sich für ein Gap-Year, um in der einjährigen Studienauszeit Berufserfahrung zu sammeln. Lange suchen musste sie nicht – auf jede Bewerbung erhielt Weinberger eine Zusage. Sie erklärt den Erfolg so: "Mit meinem Studium bin ich nicht auf eine Branche festgelegt."

Unternehmensgründung statt Praktikum

Nach erfolgloser Suche absolviert Bastian Kalaschek nun ein virtuelles Praktikum über die FH.
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Eigentlich hätte Bastian Kalaschek bis April ein Praktikum absolvieren müssen. Trotz Fristverlängerung der FH BFI Wien ist es ihm nicht gelungen, eine Stelle zu finden. Dann wurde ihm von der Möglichkeit des virtuellen Praktikums erzählt. Seit März macht der Student des Fachs European Economy and Business Management sein Pflichtpraktikum online – ohne für eine Firma zu arbeiten.

Das virtuelle Praktikum hat die FH eingerichtet, damit Studierende trotz pandemiebedingt fehlender Praktikumsstellen rechtzeitig abschließen können. Es gleicht eher einem Seminar: Die Teilnehmer lernen, wie aus einer Idee ein Start-up wird. "Momentan lesen wir vor allem Bücher zu Unternehmensstrategie", sagt der 26-Jährige. Später sollen die Teams Ideen pitchen und Businesspläne erarbeiten.

Kalaschek ist zufrieden mit dem Praktikum: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich bei einem Unternehmen mehr lernen würde." Schließlich bekomme man da meist nur oberflächliche, kurze Einblicke. Und wer weiß, vielleicht gründe er ja das Unternehmen, das er derzeit plant. Viel will er dazu noch nicht verraten, aber: "Es geht um den Bereich Kultur und Information." (Lisa Kogelnik, Allegra Mercedes Pirker, 3.5.2021)