Dämonische Randgestalt, die sich mit "Lupazivaginabundus" vorstellt (Theresa Palfi).

Foto: Herwig Prammer

Dämonische Randgestalt, die sich mit "Lupazivaginabundus" vorstellt (Theresa Palfi).

Foto: Herwig Prammer

Sie sind höchst ungeeignet für Homeoffice, gehen am liebsten ins Wirtshaus, und ziehen auch sonst ein heiteres Leben am Abgrund vor: Drei extra sturen Handwerksburschen hat Johann Nestroy in Lumpazivagabundus (uraufgeführt 1833) ein bis heute wirkmächtiges Denkmal gesetzt. In einer Neuinszenierung von Georg Schmiedleitner am Landestheater Linz lüften Knieriem, Leim und Zwirn seit Freitagabend wieder ihre ungewaschenen Lumpen.

Im Rahmen der Fernseh-Theater-Kooperation "Wir spielen für Österreich" wurde die Vorstellung auf ORF 3 übertragen und ist nun in der Mediathek abrufbar. Eine Saal-Premiere ist für 9. Juni geplant. Insgesamt will das Landestheater in dieser außergewöhnlichen und bis 18. Juli verlängerten Spielzeit noch zwölf Premieren zeigen.

Lotteriefüllhorn

Die drei Gesellen, im Untertitel als "liederliches Kleeblatt" bezeichnet, sind Objekt einer Wette im Zauberreich. Dort, in einer luftigen Welt aus Tüll und Toupés, geht es um die Frage, ob die vom bösen Geist Lumpazivagabundus zur Schurkerei verlockten jungen Männer sich wohl bessern würden, wenn sie nur die nötigen Mittel zur Verfügung hätten. Auf die Besserungsfähigkeiten wetten die rivalisierenden Feen Fortuna und Amorosa. Allesamt von bezaubernd schlichtem Gemüt und der Umgangssprache mächtig.

Die Glücksfee Fortuna (ihr T-Shirt ziert das denglische Bekenntnis "cost what it may", zu Deutsch: "koste es, was es wolle") wird das Lotteriefüllhorn über den dreien ausschütten, sodass ihnen unverhofft Kapital für einen Neuanfang zufliegt. Jeder Neos-Wähler tut einen Luftsprung. So viel aber vorweg: Ein Jahr später von Start-ups keine Spur.

Doch der Reihe nach. Regisseur Schmiedleitner hält sich sowohl bei Zauber als auch bei Posse zurück. Zumindest lässt sich die in den Himmel auffahrende Feenkönigsbar und die entgrenzte Zauberstimmung über das Fernsehbild nicht gut genug vermitteln. Auch was sich im Goldlametta der Hinterbühne abspielt, bleibt fern. Auf konzentrisch von der Bühnenmitte wegführenden Holzstegen wird agiert. Drehbühne it is!

Nahaufnahmen

Als Abgesandter Mephistopheles‘ kommt Lumpazivagabundus aka Lumpazivaginabundus (Theresa Palfi) aus dem Untergrund gekrochen und gibt den wortkargen, dafür mit verächtlichen Blicken nicht sparenden "bösen Geist", der die drei Protagonisten des Besserungsprojekts scheitern sehen will. Er wird zu einer teuflischen Randfigur dämonischen Zuschnitts: schwarze Lippen, Knautschlackmantel, Cowboystiefel (Kostüme: Cornelia Kraske).

Das Zepter reißen in der von Live-Klavierbegleitung stimmungsmäßig gestützten Arbeit die Herren Knieriem, Leim und Zwirn in Nahaufnahmen an sich. Den Teufel tun sie, um ein sinnhaftes, anständiges Leben zu führen. Tausende von Taler haben sie dümmlich verprasst oder ins Branntweinhaus getragen. Der Schneider Zwirn (Jan Nikolaus Cerha) hat im Übermut sogar ein Dienerdoppel angestellt, das immer synchron zur Stelle ist.

Und Knieriem (Julian Sigl), der Hobbyastronom, kommt in Erwartung des baldigen Weltendes (Komet!) an keiner einzigen Schnapsflasche vorbei. Sein Versuch, samt seiner Hände im Galateppich eingerollt, dringend am Hochprozentigen zu nuckeln, gehört zu den besonderen Momenten des Abends, der ohne Tiefe bleibt, dafür aber lustig poltert.

Einzig der Tischler Leim (Daniel Klausner) hat sich zum Slimfit-Anzugträger gemausert und spielt sich seinen alten Freunden gegenüber als karitativer Entrepreneur auf, was bei ihnen gar nicht gut ankommt. "Im Wirtshaus muss man sein!" schreit Knieriem und singt das destruktivste Kometenlied seit langem. Das Experiment wäre also gelungen, die Probanden sind sogar noch am Leben. Doch Weltverbesserung ist selbst für Feenkräfte ein zu hartes Pflaster. (Margarete Affenzeller, 1.5.2021)