Finanzminister Hartwig Löger (links) galt bei den Mitarbeitern laut Chats wohl nicht als besonders mächtig; sein Nachfolger Gernot Blümel (rechts) hat andere Chat-Probleme

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Am Dienstag geht der Ibiza-U-Ausschuss weiter – und da werden die Mandatare erneut frischen Fragestoff an der Hand haben. Denn am Freitag hat ihnen die Wirtschafts- und Korruptiosstaatsanwaltschaft 632 Seiten mit neuen Chat-Protokollen geschickt. Es geht um Unterhaltungen, die Thomas Schmid mit einer Mitarbeiterin und einem Mitarbeiter geführt hat. Sie stammen überwiegend aus Schmids Zeit als Generalsekretär im Finanzministerium im Jahr 2018, vieles dreht sich um die Vorbereitung auf die staatliche Beteiligungsholding Öbag, deren Chef er Ende März 2019 wurde – ein Posten, den er lang angestrebt hat. Die WKStA übermittelte die Nachrichten aus Schmids Handy, weil sie einen "abstrakten" Zusammenhang zum Verfahrensgegenstand haben könnten, im U-Ausschuss geht es um mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung und um Postenschacher.

Aus den Unterhaltungen Schmids mit seiner Mitarbeiterin lässt sich auch ein recht buntes Bild zeichnen, wie es unter Generalsekretär Schmid im Finanzministerium zuging, vor allem im Ministerkabinett. Hartwig Löger (ÖVP) war damals Minister, wenngleich sich aus der Kommunikation von Schmid erschließt, dass eigentlich er der starke Mann dort war – oder zumindest sein wollte. Im Kabinett gab es oft Stunk – vor allem eine andere ehrgeizige Mitarbeiterin dürfte immer wieder Streitigkeiten im Team ausgelöst haben, Schmid schätzte sie nicht sehr. Es habe im Kabinett "Anspannungen" gegeben, heißt es in den Anmerkungen der WKStA dazu, es entstehe daraus der Eindruck, dass die schon mit Schmids Wechsel in die Öbib (später Öbag) zusammenhängen, weil es bei den Streitigkeiten um den Kabinettschef-Posten in der Post-Schmid-Ära gegangen sei. Notabene: Die spielten sich bereits im Frühling 2018 ab; also fast ein Jahr , bevor es die Öbag überhaupt gab und damit auch lang vor der Ausschreibung des Chefpostens, lang vor Schmids Bewerbung und lang vor Schmids Bestellung am 27. März 2019.

"Diese Weiber"

Am 25. Mai 2018 ging es anscheinend wieder einmal rund, "diese Weiber machen aus unserem Kabinett eine Telenovela", hielt Schmid fest und seine Vertraute fand, dass es "wie bei den Vorstadtweibern ist" (eine ORF-Serie; Anm.). Es sei "ein Fehler" gewesen, die Frau, die in Schmids Augen lieber "etwas hackeln" und "einfach nur ihren Job machen" solle, ins Kabinett zu holen. Seine verbündete Mitarbeiterin, die offenbar viel schlichten musste, hatte nur noch einen Wunsch: "Ich möchte mich da eigentlich von dem ganzen Drama distanzieren bzw. nicht mehr in dem Bitchfight drin sein".

Die angesprochene Kollegin stelle sich den Kabinettschef-Job halt als einen mit "Macht" vor, meinte die Vertraute, aus der Antwort Schmids erfährt man ein wenig über sein Selbstbild. Der Kabinettschef (das war er selbst) habe keine Macht, Macht habe man nur "aufgrund einer Autorität", die man sich erarbeiten müsse", schrieb der, und erinnerte die Mitarbeiterin an den gemeinsamen "Anfang, als wir beide ohne Computer im Büro saßen. Hatten wir da Macht? (...) Wir haben uns alles erarbeitet. Du und ich. Das war ein langer Weg."

Löger als "Diva"

An dessen Ende Schmid aber offenbar recht viel Macht hatte. Den Minister nannte er schon mal "Diva", wenn er eine organisatorisch komplizierte Flugreise als "holprig" bezeichnete, er fühle sich überhaupt von "lauter Diven" umgeben, meinte Schmid da, und – womöglich selbstironisch – es gebe "nur noch einen einzigen Geerdeten und der bin ich". Die Termine des Ministers wurden vom Kabinettschef handverlesen, zu einer Sitzung der Bundesparteileitung, zu der er eingeladen war, solle er aber schon gehen, wie Schmid meinte. Bei einem Termin mit ausländischen Teilnehmern habe er sich wacker geschlagen, er habe "alle Unterlagen, die wir ihm geschrieben haben, gekonnt", lobte die Schmid-Vertraute, es ging um das Thema Standort Österreich. Weniger glücklich war man, als der Minister (Österreich hatte im zweiten Halbjahr 2018 die EU-Ratspräsidentschaft inne) auch zwei ausländische Politiker in die Oper einlud: man hatte nicht genug Karten. "Wenn die (beiden) absagen, wäre es kein Problem", hoffte die Mitarbeiterin, der Generalsekretär gab knapp zurück: "Die braucht kein Mensch."

Dass die mit Schmid eng verbundene Kabinettsmitarbeiterin Löger auch auf Reisen begleitete und "viel mitbekam" dabei, wie sie meinte, kam Schmid offenbar zupass: "So weiß ich immer alles ", freute er sich und sie sah auch einen weiteren Nutzen: "Er braucht das eh, man kann ihn ja nicht allein lassen ohne Kontrolle. Sonst glaubt er, er kann Sachen selbst entscheiden."

Als im Herbst 2018 schon offiziell war, dass die Öbib zur Öbag wird, war die Nachfolgesuche für den Kabinettschef durch Schmid bereits im Gange, er hatte konkrete Vorstellung, wer das werden sollte. "HBM (der Herr Bundesminister, Anm.) darf sich nur nicht selbst jemanden aussuchen", hielt die Mitarbeiterin fest. Schmid: "Ich weiß. Das wäre schrecklich." Seine Mitarbeiterin wusste, warum: "Dann ist diese Türe zu!" Schmid: "Horror".

"Kabinettsdrama bahnt sich an"

Im Dezember 2018 löste die Nachfolgersuche im Kabinett die nächste Krise aus. "Kabinettsdrama bahnt sich an", erfuhr Schmid von seiner Mitarbeiterin, alle stritten. Ein von Schmid für eine Spitzenposition in Stellung gebrachter Kandidat sei halt "nervös", der sei "einfach noch ein Kind". Er müsse nun aber erwachsen werden, forderte seine Mitarbeiterin. Schmid war damals, am 3. Dezember 2018 in Gedanken aber schon weit weg, wohl bei der Öbag: "Das ist aber nicht mehr mein Problem", konstatierte er, "wir müssen jetzt an uns denken. Das Büro usw. aufbauen".

Zur Erinnerung: Das Gesetz, mit dem der Umbau der Öbib zur Öbag erfolgte, wurde in der zweiten Dezember-Woche im Nationalrat beschlossen.

Ab 4. Dezember ließ Schmid seine Mitarbeiterin, die sich einen Termin mit dem Öbib-Pressesprecher ausgemacht hatte, einen "Fahrplan" erstellen: Es sei nicht auszuschließen, dass es sich dabei um "Vorbereitungshandlungen für die Umwandlung der Öbib in die Öbag handelt", hält die WKStA dazu fest. Damals lief längst auch die Suche nach Aufsichtsratsmitgliedern für die neue Staatsholding. "Ich hoffe, dass wir Siegfried Wolf noch los werden", hielt Schmid fest. Hintergrund: Der Kanzler habe Wolf als Aufsichtsratschef bevorzugt das befürchtete zumindest Schmid.

"Du musst dich dann vorbereiten"

Der Stress war groß. Schmids Besuch der noch bis 13. Jänner laufenden Pieter-Bruegel-Ausstellung im Kunsthistorischen Museum ging sich nicht aus. Die Mitarbeiterin erinnerte ihren Chef am 5. Dezember, dass es nur noch einen Monat bis zur Ausschreibung des Öbag-Chef-Postens sei "und du musst dich dann vorbereiten". Zur Erinnerung: Am Ausschreibungstext arbeitete Schmid mit, es herrscht der Verdacht, dass er auf ihn zugeschnitten wurde. Kurz darauf setzte Schmid schon Medientrainings auf seine To-Do-Liste, ein Privatissimum zur Aufsichtsratstätigkeit, vier Halbtage für Unternehmensbriefings (BIG, OMV, Telekom, Post und Casinos) – und: "Meine Präsentation im Öbag-Aufsichtsrat vorbereiten".

Zur Einordnung: Der Öbag-Aufsichtsrat wurde dann am 15. Februar bestellt. Schmids Hearing dort fand am 27. März 2019 statt. Das Gremium bestellte ihn per Ende März zum Alleinvorstand. Die Ära Schmid in der Öbag wird jedoch eine kurze bleiben: Nach der Veröffentlichung zahlreicher Chats, in denen er sich auch despektierlich über künftige Öbag-Aufsichtsräte äußerte, kündigte Schmid an, seinen Vertrag nicht mehr verlängern zu wollen. Er wird 2022 die Öbag verlassen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 1.5.2021)