Die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, kündigte am Sonntag gemeinsam mit Sozialminister Mückstein eine große Infokampagne gegen Männergewalt an.

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Neun Frauen. Die Zahl der weiblichen Opfer, die in diesem Jahr auf gewaltsame Art und Weise ihr Leben verloren hat, ist erneut angestiegen. Am Donnerstagabend gegen 20 Uhr, soll in Wien-Brigittenau eine 35-jährige Frau in ihrer Wohnung von ihrem Ex-Partner erschossen worden sein. Ein 42-jähriger Mann wurde von der Polizei in schwerem Rauschzustand im Hof des Gemeindebaus vorgefunden, er wurde – wie auch das 35-jährige Opfer – ins Krankenhaus gebracht. Die Frau erlag dort ihren Schussverletzungen in Kopf und Bein.

Nach dem jüngsten Frauenmord reagierte die heimische Politik geschockt. "Zutiefst erschüttert", zeigte sich etwa Alexander Van der Bellen. "Entschlossene Maßnahmen" seien nun dringend erforderlich, erklärte der Bundespräsident: "Frauenhass und Gewalt gegen Frauen und Mädchen dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben." Justizministerin Alma Zadić (Grüne) erklärte: Ein Femizid baute sich in kleinen Schritten auf: "Wir müssen bei der Gewaltprävention ansetzen."

Kampagne gegen Männergewalt

Am Sonntag kündigten Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer eine breit angelegte Präventions-Kampagne gegen Männergewalt an. "Wir müssen alle jene Stellen stärken, die sich mit den Opfern von Gewalt auseinandersetzen", betonte Mückstein. Doch man müsse auch bei den Männern ansetzen – "und zwar bevor es zu Gewalt kommt". Denn wenn man von Opferschutz spreche, sagte der Minister, dann spreche man von einem "Endergebnis", man müsse aber die "Wurzeln behandeln".

Man kenne das Gefühl von Frustration und Angst, betonte Mückstein, das Gefühl wenn man aus einer "beschissenen Situation nicht mehr herauskommt". Wenn Frustration und Angst in Aggression und Hass umschlagen, müsse das jedoch als "Warnsignal" gesehen werden. Von Männern werde zu oft noch immer erwartet, "dass sie auch mal hinschlagen müssen, um sich durchzusetzen", sagte Mückstein. Dieser "falschen Männlichkeit" möchten die Grünen entgegentreten. "Wer in diesem Moment zuschlägt, zeigt Schwäche. Wer das nicht tut, zeigt Stärke", sagte Mückstein.

Evaluierung des Angebots

Gemeinsam mit dem Dachverband für Männer- Burschen und Väterarbeit wolle man die bestehenden Beratungsangebote evaluieren und bekannter machen. Wenn nötig werde es auch eine Ausweitung der Männerberatungsstellen geben. Im Zentrum stehen dabei etwa das opferschutzorientierte Anti-Gewalt-Training, sowie die Stärkung von Männerberatungsstellen, so der Sozialminister, der in seiner Rolle für die Präventionsarbeit zuständig ist und mit dem Frauen-, Familien-, Justiz- und Innenministerium eng zusammenarbeiten möchte.

"Wir müssen bei den Männern ansetzen, die potenziell zum Täter werden", sagte Maurer: "Viele Buben und junge Männer wachsen mit der Anforderung auf, dass sie stark sein müssen." Sie hätten nie gelernt, wie sie mit Frustration umgehen können. Es gebe vielmehr einen "wahnsinnigen Druck, dass Männer keine Weicheier" sein sollen. "Diese veralteten Bilder einer harten Männlichkeit müssen wir durchbrechen".

Einig sind sich beide, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung bereits einiges getan hätte. In der Berichterstattung sei nun seltener von verharmlosenden Begriffen wie "Beziehungsdrama" zu lesen. "Mord ist Mord. Frauen sind nicht mitschuldig zu machen", sagte Mückstein. Bereits in seinem vorherigen Job als Allgemeinmediziner habe er unzähligen Frauen geholfen, "die die Treppe runtergefallen und drei Monate später gegen den Türstock gelaufen sind". In vielen dieser Fällen hätten sich die Frauen nicht getraut, gegen ihren gewalttätigen Partner vorzugehen.

Sicherheitsgipfel

Für Montag wurde zudem von der Regierung ein Sicherheitsgipfel zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt anberaumt. Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) wollen dabei gemeinsam mit den neun Landespolizeidirektoren und Landeskriminalamtsleitern über sogenannte Hochrisikofallkonferenzen beraten, die in den Ländern verankert werden sollen.

Über 200 Kunst- und Kulturschaffende haben unter dem Titel "Gegen Gewalt an Frauen. Frauenmorde – Es geht uns alle an" zudem einen Aufruf gestartet, für den ab Montag Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Initiiert wurde der Aufruf von Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren. Zu den Unterzeichnenden gehören etwa die Autorinnen und Autoren Barbara Frischmuth, Marlene Streeruwitz, Alfred Komarek, Doron Rabinovici und Julya Rabinowich.

Der Tatverdächtige, der am Donnerstagabend seine Ex-Freundin erschossen haben soll, war bereits am Freitagnachmittag ansprechbar, wie sein Rechtsanwalt erklärte. Er wurde zur polizeilichen Einvernahme als Beschuldigter vorgeführt. Dabei machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Er war zu keinen Angaben zum Tatgeschehen bereit, hieß es von der Landespolizeidirektion. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt sich um den sogenannten "Bierwirt", der durch seinen Prozess gegen Maurer bekannt wurde. (Matthias Balmetzhofer, Oona Kroisleitner, 2.5.2021)