Das Parlament stimmte mehrheitlich für die Entlassung der Richter.

Foto: imago

San Salvador – Das Parlament von El Salvador hat in einer umstrittenen Entscheidung alle Richter des Obersten Gerichtshofes abgesetzt – und das Land damit in eine politische Krise gestürzt. Das neu gewählte Parlament stimmte am Samstag für die Entlassung der obersten Richter, weil diese "willkürliche" Urteile gefällt hätten. "Und das Volk von El Salvador hat durch seine Vertreter gesagt: Abgelehnt!", so Präsident Nayib Bukele. Die Opposition wertete den Schritt als versuchten Staatsstreich.

Richter weigern sich, Posten zu verlassen

Die betroffenen Richter weigerten sich, ihren Posten zu verlassen und beriefen sich auf die "Verfassungswidrigkeit" des Dekrets, das ihre Entlassung vorsieht. Die Abgeordneten stimmten auch für die Entlassung von Generalstaatsanwalt Raúl Melara, der der Opposition nahe stehen soll.

Die Opposition, die seit der Parlamentswahl im Februar deutlich geschwächt ist, verurteilte den Schritt als Putschversuch. "Als parlamentarische Fraktion werden wir uns nicht an diesem Putsch beteiligen", sagte die Vertreterin der linken Partei FMLN, Anabel Belloso.

Kritik aus den USA

Auch in den USA und bei den Vereinten Nationen sorgte die Entscheidung für Kritik: "Das ist nicht die Art, wie Dinge getan werden sollten", erklärte der Lateinamerika-Berater von US-Präsident Joe Biden, Juan González, auf Twitter. Der UNO-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten, Diego García-Sayán, verurteilte den Schritt als Schwächung der "richterlichen Unabhängigkeit".

"Bukele bricht mit der Rechtsstaatlichkeit und versucht, alle Macht in seinen Händen zu konzentrieren", erklärte der für Nord- und Südamerika zuständige Human-Rights-Watch-Direktor, José Miguel Vivanco. Präsident Bukele, der seit 2019 an der Macht ist, hatte in der Vergangenheit wiederholt Auseinandersetzungen mit dem Obersten Gerichtshof.

Seine Partei "Neue Ideen" war im Februar gestärkt aus der Parlamentswahl hervorgegangen, in der sie sich 56 der 84 Sitze im Ein-Kammer-Parlament sicherte. Ihre Verbündete, die Große Allianz für Nationale Einheit (Gana) erlangte fünf Sitze. Damit ist Bukele der erste Präsident des Landes seit dem Ende des Bürgerkriegs 1992, der nicht auf Kompromisse mit der Opposition angewiesen ist. (APA, 2.5.2021)