Es ist schon ein Weilchen her, dass an dieser Stelle ein sogenanntes "Chinaphone" getestet wurde. Der Grund dafür ist schnell erklärt. Jene Firmen, die den Begriff lange geprägt haben – landläufig werden darunter Handys verstanden, die es nur oder fast nur am chinesischen Markt zu haben gibt – sind mittlerweile auch ganz offiziell in unseren Breitengraden gelandet. Smartphones von Xiaomi, Oppo und Co müssen nicht mehr zwangsläufig über Importhändler bestellt werden.

Das gilt auch für das Angebot von Realme, einer Auskoppelung von Oppo, die, genauso wie auch Oneplus, Vivo und Iqoo, unter dem Dach der BBK-Electronics-Holding operiert. Bisher bedient man westliche Märkte aber noch eher vorsichtig und vorwiegend mit Mittelklassegeräten. Das ist schade, denn in China hat man mit dem Realme GT seit einiger Zeit ein Smartphone im Angebot, das zumindest auf dem Papier unter "Flaggschiff" fällt. Und selbst wenn man es über einen Importhändler mit etwas Aufschlag zum Originalpreis bezieht, ist es deutlich günstiger als die Konkurrenz. Ab rund 470 Euro ist das Gerät zu haben. DER STANDARD hat getestet, ob man dafür einen "Flaggschiffkiller" bekommt.

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Exkurs: "Chinaphones"

Als Vorwort sei aber noch auf ein paar Dinge verwiesen, die man beachten sollte, bevor man den Kauf eines "Chinaphones" erwägt. Es handelt sich in der Regel um Geräte für den chinesischen Markt. Das bedeutet, das möglicherweise manche Datenfunk-Frequenzbänder in verschiedenen Märkten nicht unterstützt werden, wobei in diesem Falle alle in Österreich eingesetzten 4G- und 5G-Frequenzen abgedeckt sind, inklusive dem bei solchen Geräten sonst gern fehlenden LTE-Band 20. Ebenso ist die Systemoberfläche normal nicht auf Deutsch, sondern meist nur auf Chinesisch, Englisch und eventuell einigen anderen asiatischen Sprachen verfügbar.

Dazu kommen vorinstallierte Apps, die in Ermangelung von Übersetzung und der Anbindung an chinesische Anbieter keinen Nutzen bieten. Weiters kommuniziert das Gerät zumindest hin und wieder mit Servern in China. Das lässt sich zumindest teilweise nur mit Funktionseinschränkungen unterbinden, es sei denn, es steht eine angepasste offizielle oder alternative Firmware für internationale User zur Verfügung.

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Und last but not least sind Googles Dienste, darunter der Play Store, nicht standardmäßig installiert, da diese in China nicht angeboten werden. Viele Importhändler können diese aber vor der Auslieferung installieren. So auch Tradingshenzhen, das dem STANDARD das Testgerät zur Verfügung gestellt hat. Während des Tests gab es mit der Google-Anbindung auch kein einziges Problem, auch nach einem Systemupdate funktionierte diese problemlos.

Basics

Nach dem recht ausführlichen "Disclaimer" zurück zur Rezension. Das Handy präsentiert sich in einer Größe von 158,5 x 73,3 x 8,4 Millimeter und rund 190 Gramm Gewicht, was es nach modernen Standards sogar zu einem Recht kompakten Gerät macht. Die Rückseite ist verglast, der Rahmen aus in Metalloptik gehaltenem Kunststoff. Die Tasten – Ein/Aus, Lauter, Leiser – sind gut erreichbar. Und obwohl das Gerät ziemlich schlank ist, lässt es sich gut halten. An der Verarbeitung gibt es nichts auszusetzen.

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Beim Display setzt man auf ein 6,4-Zoll-AMOLED-Panel (2.400 x 1.080 Pixel). Es bietet HDR10+-Unterstützung und eine Bildwiedergabe von bis zu 120 Hz. Wie von Bildschirmen dieses Typs gewohnt, werden Inhalte mit guten Kontrasten und satten Farben abgebildet. In Sachen maximaler Helligkeit erreicht es nicht ganz die Leuchtkraft aktueller Samsung-Spitzenhandys, Inhalte lassen sich unter schwierigen Lichtbedingungen draußen aber noch passabel erkennen, was auch daran liegt, dass der Bildschirm nicht stark spiegelt. Lob verdient der flotte und zuverlässige Indisplay-Fingerabdruckscanner. Die Rückseite allerdings sammelt ganz gerne sichtbare Fingerabdrücke. Wer das Problem mindern und das Handy zusätzlich schützen will, kann einfach zur beigelegten, transparenten Silikonhülle greifen.

Den Motor des Handys bildet Qualcomms Snapdragon 888-Chip, der auch im Line-up fast aller anderen Hersteller in die Spitzenmodelle eingebaut wurde. Je nach Modell wird er entweder mit acht GB RAM und 128 GB Speicher oder 12 GB RAM und 256 GB Speicher gepaart (getestet wurde erstere Variante). Dazu kommt State-of-the-Art-Konnektivität: 5G, Wifi 6 (802.11ax), Bluetooth 5.2 und NFC. Zum Aufladen und für kabelgebundene Datenübertragung gibt es einen USB-C-Port (USB 2.0). Ebenfalls mit dabei, und in dieser Kategorie schon fast eine Rarität, ist außerdem ein 3,5-mm-Klinkenstecker.

Der Akku liefert eine Kapazität von 4.500 mAh und kann mit bis zu 65 Watt Leistung schnell geladen werden. Ein passendes Ladegerät liegt bei, benötigt allerdings einen Adapter, um in hiesige Steckdosen zu passen. Einen solchen legt aber so gut wie jeder Importhändler ohnehin bei. Verzichten muss man auf drahtloses Aufladen.

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Bei der Kamera hat Realme ein Triplepack geschnürt. Die Hauptkamera arbeitet im Weitwinkel mit 64 Megapixel. Dazu kommen ein Ultraweitwinkel-Sensor mit 8 MP und eine dedizierte Makrokamera mit 2 MP. Die Selfiecam auf der Vorderseite sitzt in einem Loch im Display und bietet eine Auflösung von 16 MP. Auf dem Handy vorinstalliert ist Android 11 in der Geschmacksrichtung "Realme UI".

Performance und Software

Die Hardware hält in Benchmarks und in der Praxis, was sie verspricht. Apps starten flott, die Systemoberfläche reagiert zackig und auch bei grafisch anspruchsvolleren Spielen gerät das Realme GT nicht ins Stocken. Bei längerer Last ist eine gewisse Erwärmung zu merken, die allerdings kein bedenkliches Niveau erreicht.

Die Systemoberfläche von Realme UI unterscheidet sich deutlich von "Vanilla"-Android. Puristen wird gleich auffallen, dass App-Shortcuts standardmäßig über mehrere Homescreens verteilt werden. Dankenswerterweise lässt sich das aber auch auf einen Appdrawer umstellen. Zu den vorinstallierten Programmen gehören gleich zwei Appstore, davon einer spezialisiert auf Spiele, deren Angebot allerdings komplett in Chinesisch gehalten ist. Selbiges gilt für die "Realme"-App, die scheinbar einfach zu den Foren des Herstellers führt, sich aber außerhalb Chinas gar nicht erst verbindet. Dazu kommen eigene Umsetzungen für die Fotogalerie und ein paar andere Standardprogramme. Sporadisch führen Appstore-Links zum Realme-Store, wenn eine App sowohl auf Google Play, als auch dort verfügbar ist.

Foto: Screenshot

Nicht aktivieren sollte man die "Heytap"-Cloudanbindung oder den Sprachassistenten Breeno, da dieser ohnehin weder Deutsch noch Englisch versteht. Über den Play Store lässt sich der Google Assistant nachinstallieren, der allerdings manuell aufgerufen werden muss für eine Spracheingabe. Ihn auf dem üblichen Wege, die entsprechende Einstellung in der Google-App, jederzeit auf "Ok Google" hören zu lassen, war nicht möglich.

Von diesen Unzulänglichkeiten abgesehen ließ sich das Realme GT normal verwenden. Realme UI bietet ein hohes Maß an Anpassbarkeit. Von (Live-)Hintergründen, Schriftarten bis hin zur Form der Icons lässt sich alles nach eigenem Gusto konfigurieren.

Das System bringt auch verschiedene Gaming-Funktionen mit. Das Repertoire entspricht dem, was man bereits von anderen Geräten kennt. Benachrichtigungen lassen sich während des Spielens pausieren, die Verteilung der Systemressourcen zugunsten des gerade laufenden Games verschieben und auch die Regelung des Prozessortaktes aggressiver gestalten. Und zusätzlich gibt es auch einen mit einem Klick aktivierbaren "GT-Mode", der gleich mehrere solcher Einstellungen tätigt. Der praktische Leistungsgewinn war nicht spürbar. Im 3DMark-Benchmark lag der Unterschied mit ein- und ausgeschaltetem "GT Mode" bei 20 Punkten und somit innerhalb der erwartbaren Schwankungsbreite bei einer Bewertung im Bereich mehrerer tausend Punkte.

Ein erwähnenswertes Feature ist auch noch die zuschaltbare "O1 Ultravision Engine". Diese bietet für Videoinhalte wahlweise an, Non-HDR-Content farblich zu erweitern, um einen HDR-artigen Effekt zu simulieren oder für niedriger aufgelöste Inhalte algorithmisch höhere Auflösung zu simulieren. Ersteres macht bei den meisten Clips kaum einen Unterschied, sieht bei manchen Videos aber ganz nett aus. Zweiteres macht etwa 360-p-Youtube-Videos zwar weniger pixelig, sorgt mit deftiger Nachschärfung dafür aber für einen Art "Zeichnungseffekt". Diese Optimierung funktioniert für Animationsfilme passabel, nicht aber für "Live Action"-Inhalte.

Und wer sich fragt, wie es eigentlich mit der Update-Politik von Realme aussieht: 2020 erklärte das Unternehmen, dass alle Handys wenigstens einen Android-Versionssprung mitmachen und zwei Jahre Sicherheitspatches erhalten. Das lässt zumindest die Möglichkeit offen, dass zumindest Flaggschiffe länger "gepflegt" werden, ist aber freilich keine Garantie.

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Kamera

Zeit, über die Kamera zu reden. Das Design der Foto- und Video-App hat man sich etwas bei Apple abgeschaut. An Aufnahmemodi mangelt es nicht. Mit dabei ist unter anderem ein KI-gestützter "Passbildautomat", der eine Schablone für die Gesichtspositionierung anzeigt und anschließend anbietet, den Hintergrund zu entfernen oder auszutauschen. Das könnte sich als praktisches Werkzeug erweisen, wenn das Verreisen wieder möglich wird.

Spannender ist aber, wie sich die Kamera im Alltag bewährt. Fotos bei Tageslicht sehen auf den ersten Blick gut, aber nicht umwerfend aus. Die Farbwiedergabe ist realistisch und auch bei den beiden Hauptsensoren gut abgestimmt. Bei genauem Hinsehen offenbart sich allerdings nicht nur, dass die Sensoren schlicht nicht ganz so lichtstark sind, wie jene von Samsung und Co., sondern auch eine Tendenz zur Unschärfe in Randbereichen bei Weitwinkel- und Ultraweitwinkelfotos.

Das Phänomen verschwindet erst bei der Nutzung des 2x-Zooms, der aber nichts anderes, als ein Ausschnitt aus dem Aufnahmebereich der Hauptkamera (Weitwinkel) ist. Zu kritisieren ist, dass kleine Hintergrunddetails oft verschwinden, was dem aggressiven Postprocessing zu verdanken sein dürfte. Die Kamera-App bietet auch Schnellzugriff auf 5x-Zoom, das hier bei der Vergrößerung hauptsächlich digital nachgeholfen wird, ist offensichtlich. Dass es nur elektronische, aber keine optische Bildstabilisierung gibt, erweist sich ebenfalls als nachteilig.

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Enttäuschend ist der Makrosensor. Er verfügt zwar über ein Objektiv mit einer Brennweite, die Aufnahmen aus vier Zentimeter Distanz erlaubt, stellt seine eigene Existenzberechtigung jedoch damit infrage, dass er so wenige Details erfasst, dass viele Aufnahmen mehr wie ein Gemälde aussehen.

Die Qualität von Fotos im Nachtmodus schwankt. Solange es relativ viel Umgebungslicht (Straßenbeleuchtung etc.) gibt, sind die Ergebnisse absolut herzeigbar. Je schwächer die Beleuchtung, desto unschärfer und verrauschter fallen die Fotos aus – wobei auch hier die fehlende optische Stabilisierung ihren Tribut fordert.

Diese Kritik muss man freilich in Relation stellen, wird das Realme GT hier doch mit Handys vergleichen, die, ganz ohne Importaufschlag, mehr als das Doppelte kosten. Innerhalb der eigenen Preisklasse ist die Kamera des Handys zwar auch nicht das Nonplusultra, aber auch weit davon entfernt, eine Enttäuschung zu sein. Dieses Fazit kann man auch der Frontkamera angedeihen lassen, die ein bisschen zur Unschärfe tendiert.

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Akustik und Akku

In puncto Akustik schneidet das Realme GT gut ab. Die Stereo-Ausgabe über die Lautsprecher klingt für ein Handy sehr gut und selbst bei höherer Lautstärke kaum verzerrt. Man muss natürlich die üblichen Abstriche machen, speziell was Basswiedergabe angeht. Beim Telefonieren sind leichte Verzerrungen zu hören, der Gesprächspartner klingt ein wenig undeutlich, was die Gesprächsführung aber nur wenig stört. Man selbst wird gut verstanden, die Geräuschunterdrückung leistet gute Arbeit.

Mit 4.500 mAh ist der Akku durchaus üppig ausgestattet. Erlaubt man dem Handy, die Bildwiederholrate je nach App selbständig zwischen 60, 90 und 120 Hz zu variieren (Standardeinstellung), kommt man auch bei intensiverer Verwendung des Smartphones gut über den Tag – plus die eine oder andere Stunde Reserve. Laut Realme lässt sich die Batterie mit dem beigelegten Ladegerät binnen 35 Minuten von null auf 100 Prozent aufladen. Wenngleich dies zwar nicht explizit getestet wurde, erscheint es aber realistisch, zumal es etwa 25 Minuten dauert, den Akku von 50 auf 100 Prozent zu bringen.

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Fazit

Das Realme GT ist ein starker Mitbewerber im Bereich unter 500 Euro. In Sachen Ausstattung und Performance hält es mit viel teureren Flaggschiffen, die man am heimischen Markt bekommt, gut mit. Der Bildschirm ist gut, die Akkulaufzeit ordentlich und die Akustik solide.

Merkliche Einbußen muss man aber bei der Kamera hinnehmen, die dem Preisniveau viel eher entspricht. Wer mit diesem Defizit und den eingangs erwähnten Besonderheiten eines astreinen "Chinaphones" leben kann, sollte das Handy in die engere Wahl nehmen. (Georg Pichler, 3.5.2021)

Testfotos

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Tageslicht
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Tageslicht
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Ultraweit (0,6x)
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Weitwinkel (1x)
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2x-Zoom
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5x-Zoom
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Frontkamera
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Gadsenfoto, Kunstlicht
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Makro
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Makro
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Nachtmodus
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Nachtmodus
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