Lieber in Medienschelte versteigen, als "Sorry, ist schiefgegangen", oder so ähnlich, zu sagen.

allesdichtmachen

Ich möchte mich vorab bei Ihnen entschuldigen, dass mir diese Kolumne nicht leidtut. Oder halt, doch nicht. Falls ich mit den folgenden Sätzen Ihre Gefühle verletzen sollte, bin ich natürlich untröstlich. Aber Fehler werden begangen worden sein. Vielleicht werde ich mir den Vorwurf machen müssen, zu umsichtig und eloquent geschrieben zu haben. Doch am Ende des Tages geht es darum, sich selbst noch ins Gesicht sehen zu können. Ich könnte es weder mit der Vaterlandsliebe, die ich nicht empfinde, noch mit meinem Glauben an einen nichtvorhandenen Gott vereinbaren, einen weniger großartigen Text zu schreiben. Für manche Dinge wie beispielsweise den Tod von 290 Zivilisten sollte man einfach nicht um Verzeihung bitten, egal was die Fakten sagen.

Und wie drückte es John Wayne schon vor Jahrzehnten so schön aus: "Entschuldigen Sie sich niemals, Mister, es ist ein Zeichen von Schwäche."

garydemar

Deshalb habe ich Ihnen nicht nur in aller Kürze ein paar der klassischen Zutaten einer Nichtentschuldigung zusammengestellt, sondern belästige Sie ganz ungeniert im restlichen Verlauf des Textes mit der Tatsache, dass vor allem Männer sich nicht entschuldigen können. Ja, genau: Obwohl Frauen sich durchaus der gleichen Mittel bedienen, spreche ich hier von der Manpology und damit von der Frage, warum Männer in ungleich größerer Zahl anscheinend nicht in der Lage sind, sich angemessen zu entschuldigen. Tut mir ja leid, wenn Sie solche Sensibelchen sind, dass Sie diese Wahrheit nicht verkraften. Womöglich haben Sie mit Ihrem Verhalten selber auch zu diesem Text beigetragen, haben Sie daran schon mal gedacht?! Immerhin tut mir das hier mehr weh als Ihnen. Also könnten Sie vielleicht ausnahmsweise vernünftig sein. Reißen Sie sich doch wenigstens einmal zusammen. Wo waren wir? Ach ja: Frauen bitten viel häufiger um Entschuldigung.

Sie tun es, weil man Ihnen beigebracht und mit ihrem Geschlecht identifiziert hat, sich um die Gefühle und das Wohlergehen anderer sehr viel mehr zu kümmern als Männer. Sie werden dafür verantwortlich gemacht, den sozialen Frieden wiederherzustellen und dafür sehr hart mit sich selbst ins Gericht zu gehen.

Männer hingegen werden nicht nur dazu angehalten, "unapologetic" aufzutreten, damit sie geradlinig, kompromisslos und führungsstark wirken, sie bewerten einfach auch ganz grundsätzlich weniger Situationen als entschuldigungswürdig. Es ist also eine Mischung aus "Echte Männer entschuldigen sich nicht" (Buchtitel des Schauspielers Jim Belushi, danke dafür) und "So eine Pillepalle muss einem wirklich nicht leidtun". Sexismus zum Beispiel. Der entsteht ja bekanntlich, wie schon der Landesparteiobmann der SPÖ, Georg Dornauer, wusste, "beim Empfänger". Oder auch die ignorante Überheblichkeit, mit der sich der Schauspieler Jan Josef Liefers zu einer angetäuscht satirischen und dann doch nur zynisch-peinlichen Mediengeneralschelte verstiegen hat, als er mit zahlreichen Schauspielkolleg*innen unter dem Hashtag #allesdichtmachen kleine Videoclips in makellosen Eigentumswohnungen drehte.

allesdichtmachen

Wenn-dann-Manpology aus dem Drehbuch. Wenn das jemand falsch verstanden haben sollte, dann tut es ihm leid. Wofür sollte der Mann auch sonst um Verzeihung bitten? Etwa dafür, dass er die Medien, die er hier angeht, laut Selbstauskunft seit Monaten überhaupt nicht mehr liest?

Oder dafür, dass er "denen eine Stimme geben will, die zu wenig gehört werden", ohne dass er tatsächlich benennen könnte, wer das wohl sein mag? Wer so dringend will, dass Liefers für sie oder ihn spricht, und ihn damit mit einem Mandat ausstattet, dass er aber mal so richtig vom Leder ziehen kann? Jetzt ist einfach nicht die Zeit für Entschuldigungen. Sorry seems immer noch to be the hardest word, und gerade ist es echt hart genug, verstehn se?!

Scheiß Regierung, fucking Corona-Maßnahmen einfach. Schlimm genug, dass außer dem Jan Josef und ein paar anderen niemand die Regierung und die Corona-Maßnahmen kritisiert (außer sehr, sehr vielen). Und wenn, dann keine so linksliberale Künstlertypen (außer so linksliberale Künstlertypen, und zwar bereits seit vergangenem Jahr).

Viel Verzeihen nötig

Außerdem hat es ja was gebracht: Ganz im Gegensatz zu den Vertreter*innen von Berufs- und Betroffenengruppen, die seit Monaten darum kämpfen und betteln, gehört zu werden, läuft Liefers sich gerade für die große Talkshowrunde warm und durfte gerade öffentlichkeitswirksam mit dem deutschen Gesundheitsminister debattieren.

Demselben Gesundheitsminister, der vor einem Jahr prognostizierte, dass wir einander viel werden verzeihen müssen. Und damit recht hatte. Denn das werden wir wirklich. Voraussetzung dafür sind allerdings aufrichtige, schuldbewusste Bitten um Verzeihung. Ohne "aber". Ohne "ihr habt ja auch". Ohne "ich wollte doch nur". Und weil das zu oft so unter ihrer Würde zu sein scheint, so anmaßend, so übertrieben und zu viel verlangt, gilt das vor allem für Männer. (Nils Pickert, 3.5.2021)