Der Staatsanwalt beantragt im Verfahren gegen Patrick S. keine Verurteilung des 37-Jährigen, sondern seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

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Wien – "Mein Entschluss war, sie mit dem Messer abzustechen", sagt Patrick S. lapidar vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Andreas Böhm. "Sie" ist eine junge Kindergartenpädagogin, die der 37-Jährige am 4. Februar in Wien-Penzing ermorden wollte. Da er überzeugt war und ist, sie sei Satanistin und eine Gefahr für die von ihr betreuten Kinder. S. sitzt aber nicht als Angeklagter vor Gericht, sondern als Betroffener, da er an paranoider Schizophrenie leidet und zum Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig gewesen ist.

Vor etwa zehn Jahren bemerkte seine Mutter die ersten Symptome der Krankheit. Bis dahin führte der Betroffene ein unauffälliges Leben: Er hatte eine Ausbildung zum Wirtschaftsinformatiker, war verheiratet. Übermäßiger Cannabiskonsum dürfte die psychische Erkrankung aber zum Ausbruch gebracht haben.

Mit "Engelswelt" in Kontakt

Vor Gericht äußerst sie sich so: "Ich stehe zur Engelswelt in Kontakt", sagt er an einer Stelle. "Ich hatte schon eine Gotterscheinung. In der Fachsprache heißt er Jahwe. Man soll diesen Namen nicht aussprechen, ich mach es aber trotzdem", an einer anderen. Auch dass ihn "die geistige Führung" an den Tatort gebracht habe.

Mitte Jänner sah er sein späteres Opfer zufällig im Garten der Einrichtung. Für ihn war sofort klar: "Die Dame ist Satanistin. Die hat dort nichts verloren." Er wandte sich stante pede an die Leiterin der Betreuungseinrichtung und forderte die Entlassung des Opfers. Die Leiterin hat Erfahrung im Umgang mit psychisch Kranken, nahm seine Forderung gelassen entgegen und schickte ihn weg.

Als er kurz darauf wieder erschien, rief sie die Polizei, die konnte aber nichts machen. "Das übliche Problem unseres Rechtssystems, dass man warten muss, bis etwas passiert", kommentiert Vorsitzender Böhm das. Es passierte dann am Morgen des 4. Februar: S. sprang über den niedrigen Zaun des Kindergartens, ging in die kleine Küche, wo sein Opfer gerade frühstückte.

"Ich hab mich wirklich sterben gesehen"

Die junge Frau schildert als Zeugin, dass S. sie zunächst nach ihrem Namen gefragt hatte. Als sie sich zu erkennen gab, zückte der Betroffene ein Messer und kam immer näher. "Ich schrie wie am Spieß", sagt die Zeugin. Bis auf 20 Zentimeter sei ihr der Mann nahe gekommen – "ich hab mich wirklich sterben gesehen". Erst als ein Kind kam und fragte, was los sei, habe S. abrupt umgedreht.

An dieser Stelle ihrer Aussage bricht die Zeugin in Tränen aus. Bis heute leidet sie darunter, dass sie damals so geschockt war, dass sie sich nicht rühren konnte. "Ich dachte, er schneidet dem Kind die Kehle durch! Und ich hätte es nicht verhindern können!", schluchzt sie. S. beachtete das Kind aber nicht einmal, sondern ging zu einer Bahnstation, wo er sich von der Polizei widerstandslos festnehmen ließ.

Der Betroffene hat die Aussage der Frau nicht verfolgt. "Wenn die Satanistin kommt, möchte ich zurück in die Zelle geführt werden", stellte der Unbescholtene schon zuvor klar. Er bestreitet auch, dass das Erscheinen des Kindes ihn abgehalten habe. "Als die Dame geschrien hat, hat sie menschlich gewirkt", verrät er, warum er nicht zugestochen habe.

Keine Krankheitseinsicht

Heute tut ihm das eigentlich leid, er glaubt noch immer an seinen Auftrag. "Ich bin für eine Tötung und nicht ein Morddelikt", erklärt er dem Gericht. "Was ist der Unterschied?", will Vorsitzender Böhm wissen. "Mord ist ein Verbrechen. Die Tötung ist notwendig." Dass er krank ist, glaubt S. nicht, daher will er auch keine Medikamente nehmen.

Im Akt findet sich auch eine Fotografie des Betroffenen, auf der er in einem Gastgarten zu sehen ist. Auf seinem Rücken klebt ein Zettel mit der Aufschrift: "Achtung! Attention! Von Satan infiziert. Bitte um ein erlösendes Gebet." Das interessiert den Vorsitzende: "Sie selbst waren auch von Satan besessen?" – "Damals", lautet die Antwort.

Der psychiatrische Sachverständige Siegfried Schranz sieht angesichts der mangelnden Krankheitseinsicht keine Chance auf eine bedingte Einweisung. Das Gericht folgt dieser Einschätzung und entscheidet sich rechtskräftig für eine Unterbringung von S. in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. (Michael Möseneder, 3.5.2021)