Die "neue Frau": Werbeplakat von Vally Wieselthier für die Mode der Wiener Werkstätte.
Foto: Mak

"Ein Emaillierofen, eine Nähmaschine, ein Treibtischchen für Metallarbeiten, Kleistertöpfe, ein Batikapparat [...] ein Schrank voll von geheimnisvollen Tiegeln wie in einer Zauberküche, dazwischen eine Schar lachender, junger Mädchen und ganz selten einmal ein männliches Wesen – so sieht es in der Künstlerwerkstätte aus". Das schrieb das Neue Wiener Journal 1916 über die von Dagobert Peche und Josef Hoffmann initiierte Künstlerwerkstätte, die als "Ideenlaboratorium" der Wiener Werkstätte entstand. Diese galt für viele Absolventinnen der Kunstgewerbeschule während des Ersten Weltkriegs als Experimentierraum. Mit ihren produzierten Gegenständen prägten sie das Schaffen der Wiener Werkstätte (WW) maßgeblich.

Die meisten WW-Künstlerinnen hatten die Kunstgewerbeschule abgeschlossen (die bis 1909 an das Museum für angewandte Kunst – Mak – angeschlossen war) und bei Hoffmann und Koloman Moser studiert. Viele der männlichen Künstler der Werkstätte erlangten internationales Renommee. Zwar waren einzelne Namen wie Mathilde Flögl oder Vally Wieselthier bekannt – wer aber Rosa Krenn, Maria Likarz oder Mela Koehler waren, ist bis heute vielfach nicht überliefert. Böse Zungen nannten die Werkstätte "Wiener Weiberkunstgewerbe" oder "unerhörte Pupperlwirtschaft".

WW-Stoff Boston von Reni Schaschl, 1912/1917.

Foto: Mak

Karge Bühne für starke Muster

Um dies zu ändern, hat das Mak mit seiner Frühlingsausstellung Die Frauen der Wiener Werkstätte, die nach einjähriger Verzögerung am Mittwoch nun endlich eröffnet werden kann, Pionierarbeit geleistet. Im hausinternen WW-Archiv konnte die Kuratorin Anne-Katrin Rossberg gemeinsam mit der Gastkuratorin Elisabeth Schmuttermeier etwa 180 WW-Künstlerinnen entdecken. Zwar wurde hier bereits Vorarbeit geleistet – Material wie Dokumente und Entwurfszeichnungen ist en masse vorhanden, nur wurde dieses bisher nicht in diesem Ausmaß aufgearbeitet.

"Die Schau hätte man ruhig auch früher machen können", sagt Rossberg. Sie sieht hier aktuell einen Trend. Zwar werden jene Gender-Ausstellungen oft kritisch gesehen, allerdings hält sie es für notwendig, jene Künstlerinnen erstmals bekanntzumachen. Die letzte WW-Ausstellung 2003 zeigte zwar auch Werke von Frauen, wurde allerdings von den Künstlern dominiert. Irgendwann werden die Werke idealerweise für sich stehen.

WW-Frauen v.l.: Charlotte Billwiller, Mathilde Flögl, Susi Singer, Marianne Leisching und Maria Likarz, 1924.
Foto: Mak

Chronologisch und thematisch angeordnet gibt die Schau mit über 800 Exponaten – viele werden erstmals gezeigt – einen Einblick in das radikale weibliche Kunsthandwerk zwischen 1900 und 1930. Vor allem den Look der Zwischenkriegszeit haben die WW-Künstlerinnen mit ihren extravaganten Stoffen und abstrakten Musterungen "nicht nur mitgestaltet, sondern selbst geprägt", sagt Rossberg.

Karge braune Ausstellungswände sowie verzierte Wellbleche (Gestaltung: Claudia Cavallar) unterteilen die Halle, verweisen mit ihrer Wiederverwertbarkeit auf den Umweltansatz des Museums und fügen sich gut als nüchternes Display für den dicht gemusterten Auftritt. Auch ein Stoffbaldachin an der Decke des ersten Raums ist als Zitat auf die Gestaltung des WW-Verkaufslokals auf der Kärntner Straße 32 von 1918 zu verstehen, dessen Stiegenhaus von Künstlerinnen wie Hilda Jesser, Lilly Jacobsen oder Fritzi Löw gestaltet wurde. Fotos erinnern an die Ausstattung – und die Frauen dahinter.

Morgenmantel aus dem WW-Stoff Donnerwetter von Felice Rix, um 1920.
Foto: MAK / Branislav Djordjevic

Kimonos bis Keramik

Die in den Wänden eingefassten Glasfenster beherbergen Postkarten, Gläser und Plakate, in Vitrinen werden Stoffmuster mit dem typisch reduzierten, farbenfrohen Design ausgestellt, das sich zunehmend von dem Floralen des Jugendstils absetzte. Ein Fokus liegt auf der Stoff- und Modeproduktion der WW, deren Abteilungen 1910 und 1911 eingerichtet wurden:

Schaufensterpuppen tragen Blusen und Kimonos von Marie Händler, Valerie Petter oder Maria Likarz. Entwürfe korrespondieren mit Schmuckstücken, Taschen, Hüten und sogar Ansteckblumen. Durchwegs treten Skizzen und Zeichnungen mit Objekten in Dialog: Spielzeugfiguren, Tapeten, Vasen, Wohnaccessoires. Anhand jener Musterblätter konnten auch Stoffe den einzelnen Künstlerinnen zugeordnet werden.

Keramikfigur von Gudrun Baudisch, 1927.
Foto: MAK / Katrin Wißkirche

Die Schau endet mit dem im Laufe des Ersten Weltkriegs entstandenen Typus der "neuen Frau": Die emanzipierte, rauchende "Kunstgewerblerin" mit Bubikopf fand auch in den Entwürfen und extravaganten (zumeist weiblichen) Keramikfiguren von Gudrun Baudisch oder Lotte Calm Ausdruck.

Eine abschließende Wand mit allen WW-Künstlerinnen macht die Bandbreite – im Katalog sind auch die ganzen Biografien nachzulesen – der weiblichen Vertreterinnen der Wiener Werkstätte in ihrer Fülle deutlich. Ein gebührender Auftritt. (Katharina Rustler, 4.5.2021)