Die Chatnachricht von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann an Gernot Blümel hat die Staatsanwaltschaft auf den Plan gebracht.

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Die Nachricht, die Novomatic-Chef Harald Neumann am 12. Juli 2017 an Gernot Blümel absetzte, hatte fatale Folgen. "Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problemes, das wir in Italien haben!" Die Chats machten den heutigen Finanzminister zum Beschuldigten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), es geht um den Verdacht der Korruption. Blümel und Neumann weisen die Vorwürfe zurück und es gilt die Unschuldsvermutung.

Aus der Zeugenaussage eines langjährigen Novomatic-Managers erschließt sich, was sich damals rund um das Steuerproblem im Glücksspielkonzern abgespielt hat.

Feuer am Dach

Virulent wurde das "Problem in Italien" demnach im Juni 2017, als die italienische Finanz ihre Betriebsprüfung bei der Novomatic Italia beendet hatte. Mit dem vorläufigen Ergebnis, dass die Italiener bestimmte von den Österreichern in Rechnung gestellte Gebühren nicht in voller Höhe anerkannten. Zwar habe die Behörde noch keinen Betrag für eine Steuernachzahlung genannt, die eigenen Leute seien aber von 40 Millionen Euro ausgegangen. "Ein exorbitanter Betrag", so der Zeuge. Später, als man große Steuerberatungskanzlei eingebunden hatte, befürchtete man freilich noch eine viel höhere Nachzahlung: 70 Millionen Euro.

Er selbst sei von dem Problem am 29. Juni informiert worden und habe den Vorstand am 6. Juli informiert, dann war "Feuer am Dach". Die "Angst" des Vorstands sei es gewesen, dass die italienische Behörde einen endgültigen Bescheid ausstelle, ohne dass die Novomatic ihre Sicht der Dinge einbringen könne. Denn: Der Finanzprüfer "konnte kurzfristig nicht gesprochen werden, eine übergeordnete Stelle war uns nicht bekannt", sagte der Exmanager vor den Ermittlern aus. Also habe er eine "geeignete Kontaktperson" finden wollen.

Und: Es sei das "berechtigte und legitime Interesse des Vorstands" gewesen, "alle möglichen Kanäle zu einem Ansprechpartner zu identifizieren, um zu verhindern, dass es zu einer Steuerfeststellung kommt, bevor wir unseren Input einbringen konnten".

In Italien überrumpelt

Die Novomatic sei "überrumpelt" gewesen, den Behördenlauf in Italien habe man nicht gekannt. Erst später hätten Steuerberater über das Procedere dazu aufgeklärt. Kurz zusammengefasst: Die Finanzpolizei (Guardia di finanza) müsse binnen 60 Tagen einen Bericht erstellen und der Agenzia di Entrata zur weiteren Behandlung übergeben – dort könne der von der Finanzpolizei Geprüfte dann seine Argumente einbringen.

Das Ende vom Lied: Novmatic habe seine Argumente bei dieser quasi in zweiter Instanz agierenden Behörde erläutert und im Dezember 2017 einen Vergleich geschlossen. Novomatic bezahlte 20 Millionen Euro. Die österreichische Regierung habe seines Wissens nach keine Aktivität gesetzt, erklärte der Zeuge wiederholt.

Die Novomatic erklärt das Thema auf Anfrage des STANDARD so: Das Verfahren vor den italienischen Abgabenbehörden habe eine Frage der steuerrechtlichen Behandlung von Softwarelizenzen betroffen. Es sei dann unter Mitwirkung einer lokalen Steuerberatungskanzlei sowie unter "beratender Beiziehung" einer der großen Wirtschaftsprüfungskanzleien (Big Four) im gegenseitigen Einvernehmen gelöst worden. Zu einer Intervention durch den österreichischen Bundeskanzler (den Neumann ja laut seiner Nachricht an den damaligen ÖVP-Wien-Chef Blümel dringend treffen wollte, Anm.) oder den österreichischen Finanzminister sei es dabei nicht gekommen. Im Übrigen halte man fest, dass es von Novomatic "niemals die Junktimierung eines Spendenangebotes mit einer Bitte um Unterstützung, welcher Art auch immer, gegeben hat".

Kontaktmöglichkeiten gesucht

Doch zurück in die Zeit von Ende Juni, Anfang Juli 2017. Da herrschte helle Aufregung im Glücksspielkonzern aus Gumpoldskirchen. Der Vorstand teilte die Arbeit zur Problembewältigung in Italien laut dem Zeugen so auf: Neumann sollte sich auf "zwischenstaatlicher Ebene erkundigen", was zu tun sei, er selbst habe in Italien Kontaktmöglichkeiten gesucht.

So kam auch Alfred Gusenbauer ins Spiel, Exkanzler (SPÖ) und "seit mehreren Jahren" Novomatic-Berater. Am 11. Juli – zwischen Zeugen und Neumann "flogen die Fetzen", weil Neumann ihm vorwarf, ihn zu spät informiert zu haben – schrieb Neumann an Gusenbauer. Er möge bitte Herrn Brodi (sic) kontaktieren, "vielleicht gelingt es Dir, einen Termin im Finanzministerium zu erreichen". Romano Prodi war damals aber nicht in der italienischen Regierung, laut dem Zeugen sei es zu keinem Termin mit dem Finanzministerium in Rom gekommen. Und: Gusenbauer habe "keine wie immer geartete Aktivität" entfaltet. Was dessen Honorar betrifft, dürfte das nicht ins Gewicht gefallen sein, denn der Berater habe eine monatliche Pauschale gehabt. All das ist im Aussageprotokoll zu lesen.

Novomatic wollte in den Börsenolymp

Ein Grund für die große Nervosität und den Vorwurf Neumanns, der Kollege setze nicht "alle Hebel und Beziehungen" ein, die das Unternehmen habe: Novomatic bereitete damals einen Börsengang vor, und der sei nun "gefährdet", wie der Konzernchef in empörten Mails an den Manager festhielt. Tatsächlich bereitete die Novomatic damals in ihrem "Projekt Olymp" einen Börsengang, so der Exmanager, und die Italienproblematik habe dafür eine "große Bedrohung dargestellt". Auch Novomatic-Eigentümer Johann Graf setzte Neumann ins Bild, in einer Mail an dessen Assistentin schrieb er von einem "unakzeptablen" Vorgehen des Managers. Der verließ das Unternehmen im Herbst 2019.

Dass der Börsengang dann nicht kam, sei allerdings nicht am italienischen Steuerthema gelegen, sondern: Die Banken hätten wegen sinkender Ertragsaussichten im Konzern von diesem IPO (Initial Public Offering) abgeraten – das kristallisierte sich aber erst am 25. September heraus.

"Tu es für mich"

Dass Neumann damals an Blümel schrieb, sei nicht mit ihm abgesprochen gewesen, sagte der Exmanager. Er habe davon "konkludent" erfahren, als Neumann berichtete, dass es in derartigen Steuersachen die Möglichkeit eines "Verständigungsverfahrens" gebe. Das sei Neumanns Information über die "Hebel, die er in Bewegung gesetzt hat" gewesen.

Die Sache mit dem Verständigungsverfahren hatte Neumann wohl vom Thomas Schmid, dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium. Er war von Blümel über das Thema informiert worden, der hatte ihn quasi um Unterstützung gebeten, mit den inzwischen fast berühmten Worten "Tu es für mich". Schmid am 18. Juli 2018 an Neumann: "Lieber Harald, aus unserer Sicht kann das auch ein Fall für ein Verständigungsverfahren sein". Neumann leitete seinem Kollegen diese Post weiter, mit dem Satz, "wir sollten auch diesen offiziellen Weg wählen." Allerdings sei es dann nicht dazu gekommen, so der Zeuge, weil man ja einen Vergleich mit den italienischen Behörden geschlossen habe.

Kein Wissen über Spenden

Und: Zur im Chat erwähnten Spende wisse er nichts, erklärte der Zeuge mehrfach. Was eine "karitative Spende" ist, von der Neumanns Anwalt Norbert Wess in dem Zusammenhang sprach, das wisse er nicht.

Ihre Gesellschaft in Italien wollte die Novomatic dann übrigens verkaufen, wie der Zeuge unter Wahrheitspflicht auch ausgesagt hat. Als das Steuerverfahren im November 2017 "nahezu abgeschlossen war" habe der Vorstand beschlossen, den Verkauf der gesamten Landesorganisation zu prüfen. Zwei Investmentbanken seien dafür bereits engagiert worden – letztlich sei aus dem Verkauf aber nichts geworden. Der Grund dafür: Die Preisvorstellungen der Novomatic seien "nicht realisierbar" gewesen. (Renate Graber, 4.5.2021)