Israel im Lockdown? Im neuen Misada in der Leopoldstadt derweil schon noch. Anstellen ist dieser Tage auch hier ein Thema.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Österreicher im Allgemeinen und der Wiener im Besonderen wähnt sich im Besitz der Wahrheit – zumindest, wenn es um sein Schnitzel geht. Unfehlbar ist sein Wissen, was ein satisfaktionsfähiges Exemplar dieser weltberühmten Sehenswürdigkeit können muss, wie kunstvoll die Panier sich in Falten zu legen hat und wie verhalten das Knistern beim Schnitt durch seine Ausläufer Knusprigkeit anzuzeigen hat.

Mit wohligem Schauder erzählt er seinesgleichen Gruselgeschichten von schrägen Schluchtenbewohnern an der Peripherie des Überbleibsels, die ihr Schnitzel als Marmeladebrot missverstehen, und von weit entfernten, schrecklichen Gefilden, in denen das Schnitzel in brauner Tunke ertränkt oder mit Champignonsauce vergewaltigt wird.

Alles schön und gut und wahr noch dazu. Nur halt völlig irrelevant. Der Welterfolg des Schnitzels und der Grund seiner Größe sind nämlich genau darin zu finden, dass es sich so fantastisch dafür eignet, ganz individuell interpretiert und immer anders als köstlich entdeckt zu werden.

Selbst in Wien werden nur die wenigsten ein pures Schnitzel als Gipfel des Genusses verteidigen wollen. Nein, erst in der Kombination mit Gurkensalat oder mit Erdäpfel-Vogerl mit oder ohne Kernöl (oder Mayonnaise!), mit Petersilerdäpfeln und Grünem oder, wie im Fall des Autors des meistverkauften Standardwerks der guten Wiener Küche, Christoph Wagner, gar mit Curryreis, wird es zum Objekt der Sehnsucht.

Das wird in Ljubljana und Mailand, in Brooklyn und Montevideo, in Malmö und Straßburg ganz genau so gesehen – nur halt in stets eigener Ausformung. Und in Tel Aviv, wohin sich viele Wiener flüchten mussten, sowieso. Da wird das Schnitzel seit jeher vom Hendl oder Puter geschnitten und seit sehr langem als ideale Unterlage für levantinische Herrlichkeiten von Tahini über Hummus bis S’chug und israelischen und/oder Krautsalat verstanden.

Israelis packen ihr Schnitzel am liebsten zwischen zwei Brothälften und sind den Wienern da durchaus ähnlich – nur brauchen sie es halt saftiger, als es eine Schnitzelsemmel (vulgo Brösel im Brot) bieten kann.

Alles mit scharf

Schnitzel-Pita gibt es jetzt auch in Wien.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Schön, dass es genau so eine Schnitzel-Pita jetzt auch in Wien gibt, konkret im Misada (hebräisch für "Restaurant") in der Rotensterngasse. Familie Haimov kommt aus Israel, aber auch aus Usbekistan (merkt man auch am Wodka-Kühler beim Ausgang) und betreibt eigentlich ein Grillrestaurant. Schnitzel muss aber auch sein.

Im Misada ist es vom Hendl und wird mit Kraut-Granatapfel-Salat, mit herausragendem Hummus und Tahini, mit mariniertem Rotkraut und Salzgurke, mit scharf-saurer Mangosauce ("Amba") und rotem Zwiebel in die Pita gepackt.

Was soll man sagen? Ganz sicher nicht das Schnitzel, nach dem man sich als weggesperrter Wiener zu allererst verzehrt – aber ein extrem inspirierendes, befriedigendes Exemplar seiner Art. Ein bisserl knuspriger dürfte es wohl sein, um dem allgegenwärtigen Safteln einen Tick länger zu widerstehen.

Wer auf Röstaromen besteht, wird am Hendl-Shawarma nicht vorbeikommen: knusprig, saftig, gut gewürzt – das will man aber in die Laffa gewickelt haben, das hausgemachte (!) und wirklich fantastische Fladenbrot, das im Arabischen Lawash heißt.

Dem usbekischen Erbe ist Schaschlik geschuldet, mit viel Koriander, Paprika, Kreuzkümmel und Zwiebel marinierte Lammspieße – für die sollte man aber noch bis zum Lockdown-Ende warten: Auf dem langen Weg nach Hause werden sie ganz eindeutig nicht besser.

Lole hingegen, die usbekischen Kebabs aus ganz herrlich gewürztem Faschiertem, eignen sich ganz hervorragend als Laffa-Fülle. Das Lokal ist koscher zertifiziert, die Milch zum Kaffee ergo aus Soja. (Severin Corti, RONDO, 7.5.2021)

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