Die Zahl der Jobsuchenden 50 plus ist im Vergleich zum Vorkrisenniveau deutlich gestiegen. Ältere Arbeitssuchende sind oft Diskriminierung ausgesetzt.

Foto: APA

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) versprüht Optimismus. Die Zahl der Arbeitslosen sei im April im Vergleich zum Vormonat weiter klar zurückgegangen, sagte Kocher am Montag erfreut. Ende des Monats sei die nationale Arbeitslosenquote zudem bei 8,7 Prozent und damit wieder unter dem Wert von 2016 gelegen, so der Minister.

Während diese Zahlen korrekt sind, offenbaren sie dennoch im besten Fall bloß die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte lautet: Zwar ist der tiefe Fall nach der Krise vorbei und es gibt tatsächlich erste, positive Entwicklungen. Doch verglichen mit dem Vorkrisenniveau bleibt der Arbeitsmarkt schwer angeschlagen – und neue Probleme tun sich auf.

So waren im April insgesamt 433.000 Menschen als arbeitslos gemeldet oder befanden sich in Schulung beim AMS. Das ist deutlich weniger als noch vor einem Jahr, als die Pandemie gerade für die bisher schwersten Verwerfungen am Arbeitsmarkt gesorgt hatte und mehr als 560.000 Menschen keinen Job hatten. Doch im Vergleich zum Vorkrisenniveau sind es immer noch 72.000 Menschen, die derzeit vom Arbeitsmarkt zusätzlich ausgeschlossen sind. Zum Vergleich: Das entspricht der doppelten Einwohnerzahl von Wiener Neustadt. Das war auch der Wert, um den die Zahl der Arbeitslosen am Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 gestiegen war, worauf Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte beim Wifo, hinweist.

Hinzu kommt, dass es zwar auch bei der Kurzarbeit einen positiven Trend gibt. Doch mit Ende April waren immer noch gut 236.000 Menschen in Kurzarbeit angemeldet.

Angeschlagene Branchen

Erst in den kommenden Monaten und Wochen dürfte sich die Lage am Arbeitsmarkt tatsächlich deutlich verbessern. Jedenfalls dann, wenn Gastronomie und Hotellerie ab 19. Mai wieder wie angekündigt aufsperren können und der Handel von weiteren Lockdowns verschont bleibt. So sind derzeit in Gastronomie und Hotellerie 20.000 Menschen im Vergleich zum Vorkrisenniveau zusätzlich arbeitslos gemeldet. Im Handel sind es gut 10.000 Betroffene mehr.

In der Kurzarbeit sind es ebenfalls diese beiden Sektoren, die stark ins Gewicht fallen. Mehr als die Hälfte der Kurzarbeitsmeldungen Ende April erfolgten in den beiden genannten Branchen. Der Weg zurück zum Vorkrisenniveau wird aber selbst nach den Öffnungen nicht einfach.

Zunächst ist die Arbeitslosigkeit in nahezu allen Branchen höher als vor der Krise, selbst dort, wo es eigentlich sehr gut läuft wie in der Industrie. Dazu kommen Bereiche, wo Ökonomen zwar eine Erholung erwarten, aber eine Rückkehr in die alte Normalität als unwahrscheinlich gilt. Bestes Beispiel dafür ist der Verkehrssektor, wo das Geschäft der Airlines dramatisch eingebrochen ist und sich 2021 bei weitem nicht vollständig erholen dürfte. Hinzu kommen Probleme für besonders sensible Gruppen am Arbeitsmarkt. "Wo Verfestigungstendenzen befürchtet worden waren, treten sie nun ein", sagt Ökonom Mahringer. Neben den Langzeitarbeitslosen sind es vor allem die Älteren, bei denen die Entwicklung negativ ist.

Aktuell sind etwas mehr als 128.000 Menschen in der Gruppe 50 plus als arbeitssuchend gemeldet. Zur selben Zeit vor zwei Jahren sind es nur 103.000 Menschen gewesen. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit unter Älteren war damit stärker als in der allgemeinen Bevölkerung. Das ist nicht überraschend, ältere Arbeitnehmer sind häufiger Diskriminierung durch Arbeitgeber ausgesetzt, in vielen Fällen sind sie auch teurer als jüngere Kräfte.

Damit steigt aber das Risiko, dass die Zahl der älteren Langzeitarbeitslosen mit der Zeit weiter zunehmen wird, die Gruppe lässt sich dann nur noch ganz schwer auf den ersten Arbeitsmarkt zurückbringen.

Anstieg von 30 Prozent

Aktuell gibt es laut den Zahlen des AMS fast 150.000 Langzeitarbeitslose, die also seit mehr als einem Jahr suchen, das ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr von gut 30 Prozent.

Arbeitsminister Martin Kocher hat bei einem Gastauftritt im Klub der Wirtschaftspublizisten am Montag das geplante Förderprogramm für diese Gruppe vorgestellt. Im Zuge der Aktion Sprungbrett sollen bis Ende des kommenden Jahres 50.000 Langzeitarbeitslose in einen Job gebracht werden. Die Menschen sollen vor allem bei Unternehmen Beschäftigung finden: Dafür wird das AMS für bis zu ein Jahr 50 Prozent der Lohnkosten übernehmen.

Kocher präzisierte nun, dass das ein Durchschnittswert ist und in einzelnen Fällen die Beihilfe auch höher ausfallen dürfte, in anderen niedriger. Das Programm soll über den Sommer anlaufen.

Kocher sprach auch davon, dass nach der Krise das Thema Fachkräftemangel wieder akut werden wird. Neben nationalen Anstrengungen werde es daher auch so wie im Regierungsprogramm vereinbart eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte brauchen, um zusätzlich gut ausgebildete Arbeitskräfte aus Drittstaaten ins Land zu bekommen. Gefragt nach Asylwerbern, die eine Lehre in Österreich absolvieren und denen nach ihrer Ausbildungszeit die Abschiebung droht, meinte Kocher, auch diese Fälle müssten im Zuge einer Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte diskutiert werden.

Diese kleine Gruppe werde das Fachkräfteproblem aber sowieso nicht lösen, er als Arbeitsminister wolle sich zudem nicht auf einzelne, kleine Gruppen fokussieren, sondern sich um die großen Themen am Arbeitsmarkt kümmern. (András Szigetvari, 3.5.2021)