Die Fans haben das Gefühl, dass Manchester United von den Glazers, den Besitzern der Tampa Bay Buccaneers, gekapert wurde.

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Den Unterschied an Gefühlen der Fans ihrer Vereine für Avram und Joel Glazer möchte man Klavierspielen können. Während das Ansehen der Glazers bei den Anhängern der Tampa Bay Buccaneers nach dem Gewinn des Super Bowl zur National Football League (NFL) kaum besser sein könnte, ist Avram (70), vor allem aber der um zehn Jahre jüngere Bruder Joel der Gottseibeiuns des Anhangs von Manchester United.

Hass ist kein zu großes Wort für die Empfindungen, die sich am Sonntagabend in Manchester Bahn brachen. Hunderte Anhänger der "Red Devils" stürmten Old Trafford, in Normalzeiten das Theater der Träume, und verhinderten so den Schlager der Premier League zwischen ManUtd. und dem FC Liverpool. Die Partie soll nachgetragen werden. Hätte Liverpool am Sonntag gepunktet, wäre übrigens Manchester City die Meisterschaft schon gewiss gewesen.

Die Falschen

Graeme Souness, die Legende der Gäste von der Merseyside, der wie den Expertenkollegen von Sky Sport Leuchtraketen und Flaschen um die Ohren geflogen waren, nannte die Aktion "inakzeptabel. Irgendein Dorftrottel hätte hier heute jemanden umbringen können." Die Empörung treffe außerdem "die Falschen". Tatsächlich wurden zwei Polizisten verletzt, während die Adressaten der zornigen Fans tausende Kilometer entfernt in den USA saßen. Es ist die milliardenschwere Besitzerfamilie um die beiden Vorstandschefs Joel und Avram Glazer, die United aus Sicht der Anhänger seit 16 Jahren zur Melkkuh degradierte.

Der Guardian schrieb von einem "Akt purer Verzweiflung und Machtlosigkeit" der Fans. Über Jahre angestauter Frust habe sich Bahn gebrochen, der denkwürdige Abend soll "nur der Anfang" gewesen sein, "das kann ich garantieren", sagte Clubikone Roy Keane: "Den Fans ist es todernst." Die überwiegende Mehrzahl der friedlich Demonstrierenden habe "aus Liebe zum Club" gehandelt, sagte Keane bei Sky. "Sie haben die Schnauze voll."

Als die Glazers 2005 unter der Führung des 2014 verstorbenen Familienpatrons Malcolm den Klub vollständig unter ihre Kontrolle brachten, wälzten sie die benötigte Kaufsumme für die Aktien auf United ab. Der bis dahin schuldenfreie Serienmeister (13 Titel zwischen 1993 und 2013) stand über Nacht mit 525 Millionen Pfund in der Kreide und wurde von der Börse genommen. Während United den Schuldenberg abträgt, der im vergangenen März noch immer stolze 455,5 Millionen Pfund hoch war, schöpften die Glazers über die Jahre mehrere Hundert Millionen Pfund an Gewinnen und Dividenden ab. Geld, das zum Beispiel auch in die Aufrüstung des Footballteams der Buccaneers floss, die nach der Verpflichtung von Superstar Tom Brady erst am 8. Februar den Super Bowl im eigenen Stadion gewannen.

Gegen dieses Gebaren der Glazers hatte sich von Beginn an Protest geregt. Schon als die Familie im Juli 2005 erstmals das Old Trafford besuchte, musste sie von der Polizei geschützt werden. Zur selben Zeit gründeten enttäuschte Anhänger den Protestklub FC United of Manchester. 2010 riefen sie die nach den Farben des Vorgängervereins Newton Heath benannte Bewegung "Green and Gold" ins Leben.

Die jüngsten Pläne zur Gründung einer europäischen Super League, die von den Glazers unterstützt wurden, brachten das Fass zum Überlaufen. "Das hat 16 Jahre geköchelt", sagte Ian Stirling von der Vereinigung Manchester United Supporters Trust. "Wir wollen ein anderes United."

Schöne Träume

Für Gary Neville, wie Bruder Phil Teil der letzten großen Manchester-United-Truppe unter Trainerlegende Alex Ferguson, ist es für die Glazers "an der Zeit zu verkaufen". Das wünschen sich auch die Fans. "Gierige Glazers, verpisst euch", stand auf Plakaten zu lesen.

Der Guardian beschwor schon ein "Endspiel" um die Klubzukunft herauf, doch die Chancen auf einen Sieg der Straße scheinen gering zu sein. Die Glazers lieben schließlich ihre Melkkuh. (sid, lü, 3.5.2021)