Die Universität Innsbruck meldet eine wissenschaftliche Sensation: den Fund eines Eisenmeteoriten. Der rund vier Kilogramm schwere Brocken, der in der Umgebung von Innsbruck gefunden worden sein soll, ist der erste seiner Art auf österreichischem Boden.

Der Finder will anonym bleiben, sagt Jürgen Konzett vom Institut für Mineralogie und Petrographie der Universität Innsbruck, und auch der genaue Fundort soll nicht bekanntgegeben werden. Der Grund dafür liegt auf der Hand: der Fund eines so seltenen Objekts würde wohl Menschenmassen zur Schatzsuche animieren.

Der Meteorit, der in der Umgebung von Innsbruck gefunden wurde, ist rund vier Kilogramm schwer.
Foto: APA/UNIVERSITÄT INNSBRUCK

Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt der Mineraloge, der Finder habe den Brocken Ende April zur Überprüfung an sein Institut gebracht. Auf den ersten Blick sei anhand der Oberflächenstruktur klar gewesen, dass es sich um einen Eisenmeteoriten handelt. Das ist nicht selbstverständlich: im Regelfall sind Forschern zur Prüfung vorgelegte vermeintliche Meteoriten alles mögliche, nur keine Eindringlinge aus dem Weltall.

Eindeutige Strukturen

Doch in diesem Fall sind die für die Oktaedriten genannte Gruppe von Eisenmeteoriten typischen Widmannstättenschen Figuren schon an der Oberfläche des Fundstückes identifizierbar. Diese nach dem österreichischen Naturwissenschafter Alois Beckh von Widmanstätten benannten Strukturen kommen natürlich nur in bestimmten Eisen- und manchen Stein-Eisenmeteoriten vor und werden von den Nickel-Eisen-Mineralen Taenit und Kamacit bei der langsamen Abkühlung im Inneren eines planetaren Körpers gebildet.

Schon an der Oberfläche sind die für Oktaedriten typischen Widmannstättenschen Figuren erkennbar

Konzett nahm eine Probe von dem vorgelegten Fundstück. die Schnittfläche ätzte er mit Salpetersäure und machte so die Widmannstättenschen Figuren auch im Inneren des Brockens sichtbar.

Klassifizierung

Der Mineraloge hofft, dass weitere Analysen Hinweise auf die Herkunft geben werden und Einblicke in die Entstehungsprozesse des Sonnensystems möglich machen. Dabei soll mithilfe von Mikro-Röntgenfluoreszenz-Analysen die anteilmäßige chemische Zusammensetzung aus den Elementen Eisen, Nickel und Kobalt geklärt werden.

Auch die Anteile von Spurenelementen wie Gallium, Germanium und Iridium werden untersucht. So soll eine genaue Klassifizierung des Meteoriten erfolgen. Nach abgeschlossener Klassifizierung und Anerkennung durch die Meteoritical Society erhält der Meteorit den Namen des Fundortes und wird in die Datenbank der Gesellschaft eingetragen, wo die wissenschaftlichen Daten Forschern weltweit zur Verfügung stehen.

Ein kleines Stück des Meteoriten steht Jürgen Konzett für Analysen zur Verfügung.
Foto: APA/UNIVERSITÄT INNSBRUCK

Fund im Bach

Geprüft werden muss auch, wie lange sich der Meteorit schon auf der Erde befindet. Konzett zufolge berichtete der Finder, er habe ihn in einem Bach gefunden, wo er im Sonnenlicht glänzte.

Ludovic Ferrière, der Kurator der Meteoritensammlung des Naturhistorischen Museums Wien zeigt sich im Gespräch mit dem STANDARD anhand der vorliegenden Fotos des Meteoriten überrascht von dem Fund und sieht noch Analysebedarf bei den Fundumständen. Eigentlich sollte ein frisch gefallener Meteorit eine entsprechende Schmelzkruste haben, ein länger auf der Erde befindliches Objekt hätte eine entsprechend verwitterte Oberfläche. Das Fundstück habe hingegen eine glänzende Oberfläche, als ob diese saubergebürstet worden wäre – so könne der Meteorit kaum gefunden worden sein, meint der Impaktforscher. Ferrière würde vielmehr damit rechnen, dass ein Eisenmeteorit bei österreichischen Witterungsverhältnissen, insbesondere in einem Bach, innert kürzester Zeit – er spricht von wenigen Tagen – zu rosten beginnen würde.

Bisher ausschließlich Steinmeteoriten in Österreich

Die bisher auf österreichischem Territorium gefundenen Meteorite – je nach Definition sieben oder acht – sind allesamt Steinmeteorite.

Zwei davon wurden gar in Tirol entdeckt: der gewöhnliche LL6-Chondrit Ischgl wurde 1976 bei der Räumung von Schnee am Rand einer Hochgebirgsstraße gefunden, jedoch erst viele Jahre später erkannt und beschrieben. Neuschwanstein, ein Enstatit-Chondrit der Klasse EL6, fiel am 6. April 2002 beim Schloss des bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. Ein Stück davon – "Neuschwanstein III" – landete über der Grenze im Gebiet Reuttes und wurde mehr als ein Jahr später geborgen. Obwohl es sich bei diesem Fragment um das größte geborgene, also die Hauptmasse des Meteoriten handelt, gilt Neuschwanstein aufgrund des Erstfundes als deutscher Meteorit.

Die Geschichte der beiden Meteorite ist miteinander verknüpft: nachdem Medien von einem Prozess um die Besitzrechte an Neuschwanstein III berichteten, erinnerte sich der Finder des Ischgl-Meteoriten an seinen Stein und brachte ihn zur Innsbrucker Universität, wo er identifiziert wurde. Gemeinsam mit den Experten des Naturhistorischen Museums wurde Ischgl damals publiziert. Heute ist er im Meteoritensaal des NHM in der Vitrine der österreichischen Meteorite zu sehen. In dieser weltgrößten Meteoritenschausammlung könnte vielleicht auch der nunmehr gefundene Meteorit nach seiner wissenschaftlichen Beschreibung seinen Platz erhalten. (Michael Vosatka, 4.5.2021)