Nein, Sie müssen mich nicht extra darauf hinweisen: Ich weiß, dass man zum Laufen lediglich zwei (hoffentlich) gesunde Beine und den Willen, es zu tun, braucht. Die Frage nach dem richtigen, individuell passenden Schuh ist zwar eine vernünftige, kann aber für gelegentliches, gemütliches Kürzest-Joggen ohne große Ambitionen schon als "Bonustrack" gewertet werden.

In meiner Kindheit bin auch ich noch mit Baumwollleiberl und -hose und "Gymnastikschuhen" über den Parkettboden des Turnsaals und den Betonschulhof gerannt und lebe noch. Ski fahren habe ich in Outfits gelernt, die sogar mehr Luis Trenker als "Last Christmas" waren. Trotzdem war es super.

Thomas Rottenberg

Kurz: Ja, ich weiß, dass es auch ohne High-End-Zinnober geht. Auch, dass die Griechen bei Olympischen Spielen nackt waren. Ausgeblendet wird dabei, dass nicht nur ausschließlich Männer mitspielen, sondern auch keine Frauen zuschauen durften, betonte meine altphilologische Klassenvorständin jedenfalls regelmäßig mit einem für uns Puberteln lasziv-anrüchig-eindeutigen Augenaufschlag.

Ich weiß noch etwas: Obwohl es angeblich "vollkommen blunzen" ist, was man oder frau beim Laufen anhat, kommt die Frage nach dem Kleid im Bild noch häufiger als die nach "der besten Uhr" oder "dem besten Schuh". Also permanent: Es dürfte also ein Informationsbedürfnis geben.

Thomas Rottenberg

Das Blöde, aber auch Feine am Outfit ist, dass das genauso wie bei den Schuhen und den Uhren funktioniert: "Das Beste" gibt es nicht. "Das Richtige" schon. Aber auch da gilt, dass jeder und jede anders tickt, anders gestrickt ist und immer nur selbst rausfinden kann, was wann wo am besten funktioniert.

Ein paar Binsenweisheiten gibt es aber. Etwa die, dass man ungeübte oder unerfahrene Läuferinnen und Läufer meist daran erkennt, dass sie viel zu warm angezogen sind: Der Klassiker schlechthin ist Lang/lang (also lange Hose und lange Ärmel). Tausendschaften, die beim Vienna City Marathon die zweite, kürzestes Staffeletappe in Lang/lang laufen, während man dort kaum Halbmarathonis oder Volldistanzläuferinnen mit langen Hosen oder umgewickelten Jacken sieht.

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"Learning by Einfahring" nannte eine gute Freundin derlei einst: Dass die eigene Performance oft im eigenen Hitzestau kollabiert, man aber dann, wenn man die Thermoschichten zu spät ablegt, nassgeschwitzt doch wieder friert, kann man Einsteigern und Einsteigerinnen so oft, wie man will, sagen: Das lernen (fast) alle nur auf die harte Tour. Und mindestens einmal im Jahr mache ich diesen Fehler eh auch selbst.

Aber darum, was nicht funktioniert, soll es hier und heute nicht gehen, sondern um ein "Was tragt ihr beim Laufen, und warum?".

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Dazu auch gleich ein Geständnis: Ich trauere. Denn Skinfit hat meine Lieblingshose auslaufen lassen: Die "Saroja Trail Short" haben Sie, falls Sie hier öfter reinschauen, x-mal gesehen. Ich habe sie in den letzten Jahren viermal nachgekauft und bereue es, letzten Sommer, als mir eine Mitarbeiterin des Vorarlberger Labels das baldige Aus "leakte", nicht gehamstert zu haben: Trailshorts – Hosen mit enger, längerer Innenhose und Flatterndem darüber – gibt es Tausende. Aber die sanfte, nie labbrig werdende Weichheit innen und die robuste Luftigkeit außen habe ich anderswo bisher nicht gefunden. Schon gar nicht mit zwei Taschen direkt am Bein und einer im Kreuz: Schlüssel, Ausweis, Geld, Handy, Taschentücher und Gel passten super rein und verrutschten oder hüpften nie. Wieso tut Skinfit mir (und vielen anderen) das an?

Immerhin: Bei langen Hosen gibt es meinen Favoriten noch. Die "Marul". Was sie von anderen langen Laufhosen unterscheidet: Nicht nur ich stehe auf die Taschen seitlich an den Oberschenkeln, weiß aber auch, dass es Leute gibt, die das gar nicht mögen. Allerdings trage ich lange Hosen beim Laufen wirklich nur im Winter, bei Temperaturen unter 5 Grad, starkem kalten Wind oder bei langsamen Läufen im Regen. In allen anderen Settings habe ich lieber Luft am Bei. Andere aber sind eben anders.

Und: Ja, ich weiß, dass es auch von anderen Herstellern tolle Hosen gibt.

Aber gerade bei Hosen kann man was Nähte, Textur, Scheuerstellen und Co angeht seine (sehr individuellen) blauen (eher: blutigen) Wunder erleben. Wozu also experimentieren, wenn klar ist, was subjektiv passt?

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Wobei ich da aber natürlich privilegiert bin, weil mir Hersteller hin und wieder Gewand zum Testen schicken. Dass sie das nicht tun, weil sie mich so lieb haben oder für bedürftig halten, ist klar: Was mir taugt, trage ich ja dann öfter. Und kaufe es auch nach.

Nach dem Test zurückschicken? Von mir aus gern – aber bitte sagen Sie dem Verkäufer bei Ihrem nächsten Sportgewandkauf, dass Sie auch Ware nehmen, die schon richtig "eingeschwitzt" worden ist. Ob mit oder ohne Unterhose macht da wohl keinen Unterschied.

Thomas Rottenberg

Die "Ultimate 2in1-Short" von Gorewear zum Beispiel.

Die kam vor ein paar Wochen und verblies meinen "Saroja"-Kummer: perfekter Sitz, noch schlauere Taschen (auch im Bund) und bis auf die unerreichte "Saroja"-Kuschelweichheit innen sogar noch feiner und universeller für lange Läufe. Auch weil sie im Gegensatz zur Skinfit am Bund ein Band hat: bei voller Taschenlast nicht blöd.

Am einzigen "Bug" der Hose bin ich selbst schuld: Ich schwitze leicht. Bei einer hellorangen Hose sieht das eher unschön aus. Nachkaufen werde ich sie dunkel. Wenn möglich (das Teil ist gerade vergriffen) im stationären Handel.

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Das ist etwas Grundsätzliches. Erstens weil ich Geld lieber in Läden mit Beratung lasse. Aber auch weil Größen online relativ sind. Bei Schuhen sowieso. Aber Gore ist auch ein gutes Beispiel: Während ich sonst überall M trage, sehe ich in Jacken der Amerikaner am Bauch und an den Schultern wie eine Knackwurst aus.

Das Angebot, die deshalb viel zu kleine "Infinium"-Jacke zurückzuschicken, lehnte die Agentur freundlich, aber bestimmt ab. PR-Leute wissen warum: Meiner Freundin passt die Jacke nämlich fast perfekt. Und sobald sie in dem winddichten und superwarmen Leichtgewicht auf einem Foto auftaucht, passiert, was immer und in jedem Medium passiert, wenn Frauen und nicht Männer Outfits "präsentieren": Was Frauen tragen, wird – von Männern wie Frauen – deutlich bewusster wahrgenommen. Und auch signifikant öfter nachgefragt.

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Mir selbst sind gut gefütterte Jacken aber rasch zu warm. Auch an kalt-windigen Tagen: Da tickt jeder und jede anders. Ich mag es dünner und im Zwiebellook. Mein Favorit für regenlose Läufe bei Wind oder (anfangs) niedrigen Temperaturen, in der Früh oder der "Übergangszeit" ist derzeit das "Hooded Light Hybrid Jacket" von Löffler. Nicht nur wegen des Austro-Nachhaltigkeits-Zuganges der Rieder, sondern auch weil das Teil Wind von vorn abfängt, hinten an Armen und Schultern aber gut "atmet". Klar, könnte ich stattdessen auch einfach ein GiIet und Ärmlinge nehmen. Allerdings weiß ich, dass ich einmal warm den Windschutz meist als zu viel empfinde: Eine Jacke kann ich umwickeln, ein Gilet aber muss ich an der Seite in die Hose stopfen.

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Womit wir beim "Darunter" wären: Es gibt Millionen Laufshirt-Philosophien und -Stoffe. Ich habe aber aufgehört, Shirts gezielt zu kaufen: Bei den meisten Bewerben bekommt man Finisher- oder Starter-Shirts (hier: das aktuelle Wings-For-Life-Worldrun-Leiberl). Oft sind diese sogar von guter Qualität. Wenn es frisch ist, nehme ich ärmellose Rad- oder Skiunterleiberln (Bei dieser untersten Schicht achte ich darauf, dass es wirklich Premiumware ist. Meist lande ich bei den hier schon erwähnten Austro-Labels.) und ziehe ein Kurzarmshirt drüber, dazu Ärmlinge, eventuell leichte Handschuhe.

Wieso eher kein Langarmshirt? Ich habe gelernt, dass ich mit warmen Fingern und Unterarmen aber nackten Oberarmen und manchmal auch Schultern meinen Wärmehaushalt besser regulieren kann, als wenn ich Ärmel hochschiebe.

Auch da tickt jede und jede anders. Ich kenne Eliteläufer, die auf die Kombi Ärmlinge / nackter Oberkörper schwören. Ob das seltsam ausschaut? Egal! Was funktioniert, das gilt.

Thomas Rottenberg

Wobei "Funktionieren" oft auch im Kopf passiert: Das dänische High-End-Label Fe226 etwa schickte mir im März Shirt und Hose. Beides möge ich bitte nicht als Bekleidung, sondern als "Trainingstool" sehen. Schließlich seien die "Muscle Activator Short" und das "Perfect Posture Top" aus der TEM-Serie ("The Ekstra (sic!) Mile") von Biomechanikern dahingehend optimiert, dass die unterschiedlichen und unterschiedlich straffen Stoffbahnen einerseits den Rumpf straffen, andererseits aber bestimmte Muskelpartien aktivieren und unterstützen würden. In etwa so, erklärte mir Nis Sienknecht, einer der FE226-Köpfe, "als ob man Kinesiotape am Körper trüge". Das Resultat sei neben sauberer Haltung und Technik auch ermüdungsfreieres und auch schnelleres Laufen.

Thomas Rottenberg

Ob das stimmt? Noch dazu in der Altherrenliga? Keine Ahnung. Aber die "Vorspannung" am Körper (die auch andere Hersteller anbieten) ist tatsächlich spürbar. Wenn ich meinen Körper spüre, bewege ich mich bewusster.

Bei der Hose finde ich das super. Beim Shirt bin ich mir nicht ganz sicher: Damit es wirkt, muss es richtig knackig sitzen. Aber nach 16 schnellen Kilometern zeichneten sich dann zumindest beim T-Shirt nicht nur die unterschiedlich engen und stützenden Stoffbahnen im T-Shirt ab, sondern auch eher hässliche Salzränder. Ganz abgesehen davon: Um mit so einem engen Shirt öffentlich zu laufen, braucht man entweder einen Superbody oder ein Super-Selbstbewusstsein.

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Womit ich bei einem Stützkleidungsstück angekommen wäre, über das ich genau gar nix sagen kann. Als Mann steht man recht rasch in einem Minenfeld, wenn man bei Sport-BHs mitreden will. Darum habe ich noch trotz regelmäßiger Aufforderung noch nie darüber geschrieben. Ich werde das auch jetzt nicht tun, obwohl das Thema wichtig ist. Darum bat ich die auf das Trainieren mit Frauen spezialisierte Wiener "Bewegungsexpertin" (Eigendefinition) Beatrice Drach um ein Grundsatzzeilen und ein paar (subjektive!) Servicetipps: "Das Laufen, respektive Sport mit höherem Impact, ist eine Belastungsprobe für die weibliche Brust. Das geht nicht spurlos an Haut und Gewebe vorbei. Die weibliche Brust besteht schließlich nicht aus Muskelfasern, sondern aus Drüsen und weichem Fett- und Bindegewebe. All das wird beim Laufen stark belastet. Und zwar unabhängig davon, ob frau einen großen oder kleinen Busen hat: Ein Alltags-BH kann die Unterstützung bei Bewegungen wie Laufen, Springen etc. nicht ausgleichen, da das Material nicht darauf ausgerichtet ist."

"Darum ist – ganz besonders bei größeren Brüsten – der Sport-BH ein Muss."

Thomas Rottenberg

Drach hat das Thema in ihrem Podcast (Folge 88) schon ausführlich behandelt – und fasst zusammen: "Die Cups sollten die Brust sicher umschließen und glatt anliegen. Das Material sollte nirgends kräuseln oder Falten werfen. Der BH sollte nicht zu locker sitzen, aber auch nicht zu fest, um ausreichend zu stützen. Am besten lässt man sich im Fachhandel beraten."

Wobei sie mit "Fachhandel" nicht den Sportfachhandel, sondern Spezialshops wie die Wiener 'Dessous Avenue' meint. Marken? Modelle? "Ich selbst empfehle BHs von Anita, viele meiner Kundinnen schwören auf Triumph oder 'Shock Absorber'."

Foto: Thomas Rottenberg

Fehlt noch etwas? Ja, Unterhosen! Aber da lasse ich Sie ganz allein rausfinden, was für Sie funktioniert und was nicht.

Und Socken: Ich kenne Menschen, die socken- und dennoch problemlos Marathon rennen. Ich hingegen überlebe ohne Socken in keinem Laufschuh der Welt mehr als 5K. Dicke Socken halte ich (beim Laufen!) nicht einmal im Winter aus, eine Spur mehr Material an intensiv mit dem Schuh arbeitenden Stellen schätze ich aber dennoch. Wichtig für mich ist auch, ob der Stoff sich (etwa beim Swimrun) mit Wasser vollsaugt oder nicht. Wurscht ist mir die Glaubensfrage "Kompression".

Aber andere sehen genau das grundlegend anders: In der "Runners’ World" habe ich zum Thema "Welche Socken?" schon mehrseitige Abhandlungen gefunden.

Natürlich können Sie an dieser Stelle jetzt wieder einwerfen, wie wurscht das alles ist. Stimmt – für Sie.

Aber für manche Menschen ist all das relevant. Und glauben Sie mir: Das sind gar nicht so wenige. (Thomas Rottenberg, 5.5.2021)

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Wie Longruns nicht langweilig werden

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