Die Kindergärten sind geöffnet. Aber werden die Kinder dort auch ausreichend vor Corona geschützt? Es gibt Eltern, die das bezweifeln.

Foto: EPA/Rodrigo Jiminez

Juristin Clara Steinhardt ärgert sich in ihrem Gastbeitrag über den Umgang mit Kindern während der Pandemie-Bekämpfung.

Im Kindergarten meines Kindes gab es im März einen Corona-Durchmarsch. In der Gruppe meines Sohnes waren fast alle Kinder und Pädagoginnen erkrankt, die Familien ebenso, eine Schwangere war auch darunter. Vergangene Woche sind erneut Infektionen in der Einrichtung aufgetreten. Regt das jemanden auf – abgesehen von den Betroffenen? Nein. Zuletzt gab die Politik unumwunden zu, dass mit den Öffnungen die Infektionen bei den Kindern steigen werden. Gleichzeitig heißt es: Jeder, der wolle, könne sich mit einer FFP2-Maske schützen. Tatsache ist aber, dass das für kleine Kinder und ihre Eltern nicht zutrifft.

Kleine Kinder werden sich in Kindergärten und Schulen infizieren, denn sie können keine FFP2-Masken tragen. Luftfilteranlagen sind nicht installiert; Bildungspersonal nicht zur Impfung verpflichtet. Eltern müssen das ohnmächtig zur Kenntnis nehmen, weil die Kleinsten selbst wohl erst 2022 geimpft werden können. Die Kinder also noch länger zu Hause behalten?

Neben den sozialen Kosten und versäumten Bildungschancen, denen Eltern nicht gleichgültig gegenüberstehen, kommen sie nun weiter unter Druck. Erstens gibt es wieder Präsenzunterricht. Zweitens werden die wenigsten Arbeitgeber darauf Rücksicht nehmen, dass Kinder trotz Öffnung daheim betreut werden. Von einem echten Recht auf bezahlte (Teil-)Freistellung für Eltern, um die Mehrfachbelastung durch die Pandemie abzumildern, war ohnehin nie ernsthaft die Rede. Kinder werden ihre impfwilligen, aber mangels Priorisierung noch ungeimpften Eltern anstecken.

Gefährliche Entwicklung

Es ist schockierend, dass die Gesundheit von Kindern einen so geringen Wert hat. Jetzt, da die ältere Generation geimpft ist, ist es aus mit der Solidarität. Kinder und Eltern werden von der hohen Inzidenz in einer teilimmunen Bevölkerung überproportional betroffen sein. Diese gefährliche Entwicklung wird mit Öffnungen geradezu provoziert, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass das Virus für Kinder eine Gefahr darstellen kann: PIMS, Diabetes und Long Covid können ihre Gesundheit auf Dauer zerstören. Kinder sind darauf angewiesen, dass Erwachsene sie vor Leid schützen. Alle, die nun die Öffnungen durchdrücken, müssen sich vergegenwärtigen, welche Gefahr das für die Kleinsten bedeutet.

Länder wie Neuseeland oder Finnland leben mit einer Niedriginzidenzstrategie erfolgreich vor, dass es auch anders geht. Warum reißt sich Österreich für die Kinder nicht ein letztes Mal zusammen? Ein kurzer, aber strikterer Lockdown als zuletzt würde die Inzidenz so weit drücken, dass danach mit moderaten Vorsichtsmaßnahmen und rigidem Contact-Tracing nachhaltige Öffnungen möglich wären, die auch die ungeimpften Kinder nicht gefährden. Der vergangene Sommer hat uns gezeigt, wie gut es sich mit einer Niedriginzidenz als Resultat eines harten Lockdowns leben lässt.

Wir wissen nicht, welche negativen Folgen eine Corona-Infektion für die vielen Lebensjahre haben kann, die unsere Kinder noch vor sich haben. Wer übernimmt die Verantwortung für etwaige lebenslange Beeinträchtigungen? In zwanzig Jahren werden chronisch kranke junge Leute vielleicht Vergangenheitsbewältigung einfordern und ihren Eltern vorwerfen, sie während der Pandemie nicht ausreichend beschützt zu haben. Von denen, die wirklich verantwortlich sind, wird vermutlich keiner und keine mehr im Amt sein. (Clara Steinhardt, 5.5.2021)