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Zahlreiche Eltern verlagerten ihre Arbeitszeiten in die Nacht, reduzierten Stunden oder kündigten ihren Job ganz.

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Graz/Berlin – Eltern mit Kindern bis zum Vorschulalter wurden durch die Corona-Pandemie teils an die Grenze ihrer Belastung gebracht – und sie hat nach ihrer Ansicht auch bei ihren Kindern zu psychischen bzw. sozio-emotionalen Veränderungen geführt. Viele fürchten langfristige und gravierende Folgen auf die Entwicklung ihrer Kinder, ergab eine Online-Befragung der Universität Graz und der Charité Universitätsmedizin Berlin unter 16.756 Familien in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Die Onlinebefragungen des sogenannten ICKE-Projektes (Internationale Corona-Kita-Erhebung) fanden von Jänner bis März 2021 statt, die Fragen bezogen sich auf den Zeitraum 2020 bis Jänner 2021 (zweite Welle), teilte die Universität Graz am Dienstag mit. Auf die Frage, wie hoch die Familien die Belastung während der Lockdownphase auf einer zehnstufigen Skala bewerten würden (der Wert zehn bedeutet eine extrem hohe Belastung), gaben 73 Prozent der Familien einen Wert von sechs oder höher an. 15,7 Prozent beurteilten den Belastungswert mit vier oder niedriger.

Grenzübergreifende Studie

Die Studie wurde vom Internationalen Zentrum für Professionalisierung der Elementarpädagogik (PEP) der Universität Graz mit Standorten in Österreich und Deutschland und der Charité Universitätsmedizin Berlin durchgeführt. In diesem Zeitraum gab es in 4,3 Prozent der Familien und in der Hälfte der Betreuungseinrichtungen zumindest einen Covid-Fall.

In rund 4.300 offenen Statements beschrieben die Familien mit Kindern im Krippen- und Kindergartenalter, wie sie die Situation während der Pandemie erlebt haben, und erläutern, woher der empfundene Stress für Eltern kommt: "Viele der Familien nennen hier konkret die Doppelbelastung durch pandemiebedingte Schließungen der Einrichtungen. Die Arbeit im Homeoffice bei zeitgleicher Kinderbetreuung führt dazu, dass die Familien das Gefühl haben, den Anforderungen kaum gerecht werden zu können", hieß es dazu in der Kurzfassung der Studie.

Arbeiten in der Nacht und Stunden reduziert

Eltern schilderten, dass sie die Arbeit in die Nacht verlegten, Stunden reduzierten oder gar den Job kündigten. "Dazu kommt die Sorge um die Entwicklung der Kinder durch fehlende Anregung, mangelnde Sozialkontakte und die angespannte Situation in der Familie", schilderte Catherine Walter-Laager von der Forscherinnengruppe für Elementarpädagogik an der Universität Graz.

In über 1.000 Nennungen wurde befürchtet, dass sich fehlende Sozialkontakte aufgrund von Kindergarten- und Krippenschließungen und daraus resultierender fehlender Abwechslung sowie mangelnde Sozialkontakte auf die psychische, motorische und sprachliche Entwicklung negativ auswirkten könnten. "Hunderte von Familien" bemerken mit zunehmender Länge bzw. Häufung von Lockdowns psychische bzw. sozio-emotionale Veränderungen bei ihren Kindern, die oft als "Wesensveränderungen" umschrieben werden – dazu zählen Gereiztheit, Lustlosigkeit und auch Traurigkeit. Vor allem Familien mit Kindern im Jahr vor der Einschulung sowie Kindern mit Förderbedarf bewerten die Situation als herausfordernd oder gar bedrohlich.

Außerfamiliäre Betreuung

"Es wird deutlich, dass die befragten Familien die Wichtigkeit der außerfamiliären Betreuung in Einrichtungen der frühen Bildung für die Förder- und Bildungsmöglichkeiten, für die Sozialisation, für eine gesunde psychische Entwicklung sowie für die körperliche und motorische Entwicklung von Kindern sehr hoch einschätzen", folgerten die Autoren zusammenfassend. Gleichaltrige sowie das pädagogische Personal seien wichtige Bezugspersonen, stabile soziale Netzwerke und vielfältige Lern- und Spielmöglichkeiten seien unerlässlich, damit sich die Jüngsten gut entwickeln. "Daher ist es wichtig, dass die Einrichtungen unter Einhaltung bekannter Sicherheitskonzepte geöffnet bleiben und der Betrieb möglichst gewohnt ablaufen kann. Das unterstützt auch das psychische Wohlbefinden", betonte Walter-Laager. (APA, 4.5.2021)