Eine Begegnung mit einem Goldschakal ist beinahe ausgeschlossen, denn die Tiere sind extrem scheu und können nur mit enormem Aufwand aufgespürt werden.

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Während die Rückkehr des Wolfes in unsere Wälder heftig diskutiert wird, siedelt sich einer seiner Verwandten still und heimlich in Österreich an: Vom Balkan aus breitet sich der Goldschakal seit Jahren fast unbemerkt in Europa aus.

Einzelne Exemplare wurden sogar schon in Frankreich, Estland und den Niederlanden gesichtet. Ein Monitoring-Projekt der Universität für Bodenkultur Wien soll seine Verbreitung und weitere Entwicklung in Österreich erfassen.

Mit einer Schulterhöhe von 44 bis 50 Zentimetern und einem Gewicht von zehn bis 15 Kilo ist der Goldschakal (Canis aureus) etwas größer als der Fuchs, aber deutlich kleiner als der Wolf. Was seinen Lebensraum betrifft, ist er sehr flexibel: Wo er sich am wohlsten fühlt, ist noch wenig erforscht, doch scheint er überall zurechtzukommen, wo es ausreichend Deckung und Nahrung gibt.

In erster Linie frisst er Mäuse, Ratten und kleine Huftiere, verschmäht aber auch Amphibien, Insekten und Fische nicht. Aas ist ein ebenfalls beliebt. In Gegenden, wo viel gejagt wird, können die vom Menschen zurückgelassenen Kadaver sogar seine Hauptnahrung darstellen. Zur entsprechenden Jahreszeit kann er sich auch eine Weile von Mais, Wildbeeren und Weintrauben ernähren.

Leben im Familienverband

Goldschakale leben in Familiengruppen zusammen, die aus den Eltern und deren Nachwuchs bestehen. Nach der Paarungszeit, die in Europa von Mitte Jänner bis Mitte Februar ist, wirft das Weibchen gewöhnlich vier bis fünf Junge, die bereits im darauffolgenden Jänner geschlechtsreif werden und selbst auf Partnersuche gehen können.

Es kommt aber auch immer wieder vor, dass ein Junges länger "daheimbleibt" und die Eltern bei der Aufzucht der nächsten Generation unterstützt. In jedem Fall verteidigen erwachsene Tiere ein Territorium, in dem sie vorwiegend in der Dämmerung und nachts auf Nahrungssuche gehen.

Zehn Areale

Seit 2015 untersucht Jennifer Hatlauf vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien die scheuen Beutegreifer. Seit dem ersten Nachweis eines Goldschakals in Österreich 1987 in der Steiermark und dem ersten belegten Nachwuchs 2007 im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel hat sich einiges getan: Mittlerweile gibt es Einzelsichtungen aus allen Bundesländern außer Wien und Vorarlberg und nachgewiesene Reproduktion im Burgenland, der Steiermark und Niederösterreich.

In diesen Bundesländern gibt es rund zehn Areale, in denen sich nachweislich Goldschakal-Familiengruppen aufhalten. Wie viele Tiere tatsächlich im Bundesgebiet leben, ist allerdings unklar: "Natürlich gibt es mehr Goldschakale", sagt Hatlauf, "aber es ist sehr schwierig, aus Einzelnachweisen auf seriöse Gesamtzahlen zu schließen. Außerdem geht das nur mit gesicherten Hinweisen, wie etwa guten Fotos, und davon gibt es nicht so viele."

Dem Heulen nahe

Um die Lage besser einschätzen zu können, nutzen Hatlauf und ihre Kollegen die Neigung der Schakale, auf das Heulen von revierfremden Artgenossen ihrerseits mit Heulen zu reagieren. Für diese "akustische Stimulation" genannte Methode werden Punkte im Gelände ausgewählt, an denen die Anwesenheit von Goldschakalen bestätigt ist oder vermutet wird.

Dort wird dann der Ruf eines Goldschakals abgespielt. Sind Schakale in der Nähe, antworten sie gewöhnlich und erlauben dadurch eine Bestätigung ihrer Anwesenheit. Allerdings bedeutet das Ausbleiben einer Reaktion nicht unbedingt, dass es auf dem Areal keine Goldschakale gibt. Deshalb werden im Zweifelsfall zusätzlich Kamerafallen installiert.

Auf Spurensuche

Demnächst sollen außerdem Spürhunde zum Einsatz kommen: In einem Pilotversuch wurden zwei Hündinnen, die schon Erfahrung im Aufspüren von Wolfkot hatten, erfolgreich darauf trainiert, die Losung von Goldschakalen im Gelände zu erschnüffeln und ihren Hundeführern diese durch Bellen oder Hinsetzen anzuzeigen. Nachdem die Zuverlässigkeit der Spürhunde also bewiesen ist, sollen sie bald auch dazu herangezogen werden, das Vorkommen von Goldschakalen in bestimmten Gebieten nachzuweisen.

Diese aufwendigen Bestandserhebungen sind vor allem deshalb notwendig, weil die Art eine heimliche und vorsichtige Lebensweise pflegt: "Bei größeren Veränderungen im Gebiet kann es sein, dass die sehr vorsichtigen Goldschakale abwandern", sagt Hatlauf. In der Folge wird "die Anzahl wohl unterschätzt", nimmt die Wildtierökologin an.

Citizen-Science

Eine weitere potenzielle Quelle von Nachweisen ist die Mitarbeit einer interessierten Öffentlichkeit. Unter www.goldschakal.at können Beobachtungen gemeldet werden. Auf Straßen tot aufgefundene Goldschakale können auch beim Projekt Roadkill eingetragen werden.

Das Hauptproblem dabei ist die häufige Verwechslung mit Füchsen, auch wenn Hatlauf diese sportlich nimmt: "Mittlerweile erhebe ich auch Fuchs-Meldungen. Das sind schließlich auch interessante Informationen und nützliche Vergleichsdaten." Zuverlässigere Daten zum Goldschakal liefert die Jägerschaft, die die beiden Arten gut auseinanderhalten kann.

Eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht mit einem Goldschakal ist laut Hatlauf so gut wie ausgeschlossen: "Der läuft vorher weg." Nichtsdestoweniger sehen vor allem Schafhalter die Ausbreitungstendenzen der Art mit gemischten Gefühlen: Auch wenn er deutlich kleiner ist als der Wolf, kann er schon einmal ein Nutztier reißen.

So fielen im vergangenen Jahr erstmals in Österreich Lämmer dem Schakal zum Opfer. Auch manche Jäger fürchten, dass der Schakal Niederwild, wie Hasen oder Fasane, reduzieren könnte. Gleichzeitig kann er aber auch dazu beitragen, Mäuse- oder Rattenplagen zu verhindern. (Susanne Strnadl, 5.5.2021)