Herr Philip R. ist ein langjähriger Abonnent des STANDARD, er kritisiert die Veröffentlichung diverser Chats türkiser Akteure, die aus dem Ibiza-Ausschuss bekannt wurden.

An diesen "ausgewählten Details aus vertraulichen Chatgesprächen zwischen Thomas Schmid und anderen besteht kein offensichtliches öffentliches Interesse. Gerade am Tag der Pressefreiheit möchte ich Ihnen die Frage stellen, ob hier nicht eine Linie überschritten und die mit der Freiheit verbundene Verantwortung übersehen wird."

Die Antwort, die wir Leser R. auch direkt übermittelt haben, lautet: Ja, man muss vorsichtig mit interner Kommunikation von Amtsträgern umgehen, aber es besteht zweifelsfrei ein öffentliches Interesse daran, wie seriös diese mit der ihnen anvertrauten Macht umgehen.

Vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss sagte jetzt der Aufsichtsratsvorsitzende der Verstaatlichten-Holding Öbag, Helmut Kern, er habe von den Deals, mit denen sich Thomas Schmid die Position als Alleinvorstand der Öbag eroberte, nichts mitgekriegt und könne auch nichts Anstößiges finden. Das erinnert etwas an den Spruch des großen Satirikers Kurt Tucholsky: "Ein Aufsichtsrat rät, was er beaufsichtigen soll."

Postenschacher- und Begünstigungsdeal

Wie es etwa im Finanzministerium zugegangen ist, geht aus einem Chat zwischen dem damaligen Generalsekretär Thomas Schmid und einer engen Vertrauten hervor. Schmid freut sich, dass die Mitarbeiterin Finanzminister Hartwig Löger auf dessen Reisen begleitet, denn da habe er ihn immer sozusagen unter Kontrolle. Die Mitarbeiterin: "Er braucht das eh, man kann ihn ja nicht allein lassen ohne Kontrolle. Sonst glaubt er, er kann Sachen selbst entscheiden."

Dazu ist anzumerken, dass Hartwig Löger eine ausgezeichnete Position als Vorstandsvorsitzender (!) der zweitgrößten Versicherung Österreichs aufgab, um in der Regierung Sebastian Kurz I den Finanzminister zu machen. Zum Lohn wurde er von Untergebenen wie Schmid verhöhnt, verwickelte sich Türkis zuliebe in einen Postenschacher- und Begünstigungsdeal mit dem damaligen blauen Vizekanzler H.-C. Strache (Untersuchungen laufen) und stand nach dem Platzen der türkis-blauen Koalition ohne Rückkehrmöglichkeit zur Versicherung da. Er wurde zunächst Berater. Seit Jänner ist er Vorstandsmitglied bei der größten Versicherung. Die Wut von Sebastian Kurz gegen die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft ("rote Netzwerke") speist sich übrigens (auch) aus diesem Schicksal Lögers, den er sozusagen in die Bredouille gebracht hat.

Warum soll eine an Demokratie, Rechtsstaat und politischer Kultur interessierte Öffentlichkeit über ein solches Innenleben einer türkisen Bewegung, die sich den Österreichern als "neuer Stil" und "Zeit für Neues" präsentiert hat, nichts erfahren? Gut, ein Kommentar im Kurier meint zwar unter Verwendung de Kurz-Lieblingsvokabels "anpatzen", diese Löger-Sachen seien doch nur "Bassena"-Tratsch.

Aber hier tratschen nicht die Frau Wopruschalek und die Frau Bißgurn von der Zweierstiagn, sondern Leute, denen staatliches Vermögen anvertraut ist. Relevant für einen bestimmten hemmungslosen, verlogenen und letztlich kontraproduktiven Politikstil sind sie leider sehr wohl. (Hans Rauscher, 5.5.2021)