Die Gewaltspirale müsse durchbrochen werden, sagte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP).

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Erneut erschütterte die brutale Tötung einer Frau die Republik. Nachdem der mutmaßliche Täter wegen früherer Vorfälle bereits zweifelhafte Berühmtheit erlangt hatte, reagierte die Politik lauter als sonst und präsentierte rasch einen Maßnahmenkatalog.

Frage: Was ist ein Femizid?

Antwort: Der Begriff des Femizids etabliert sich zunehmend, um einen Frauenmord zu bezeichnen. Das Wort zeigt auf, dass Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind – weil sie in der Gesellschaft systematisch schlechtergestellt werden.

Frage: Hat Österreich ein Problem mit Femiziden?

Antwort: Ja, die Datenlage zeichnet ein bedrohliches Bild: Wurden im Jahr 2014 österreichweit 19 Frauen getötet, so verdoppelte sich diese Zahl bis 2019 auf 39. Im Vorjahr sank sie auf 31, heuer starben bisher neun Frauen mutmaßlich durch Angriffe ihrer Partner oder Ex-Partner. Ob all diese Fälle Morde waren, werden Gerichte klären.

Frage: Was plant die Politik nun?

Antwort: Das Maßnahmenpaket wirkt trotz großer Ankündigungen recht eilig zusammengebastelt. Auch Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, sagt dazu: "Sehr viel Neues steht nicht darin, wir drehen uns im Kreis." Alle zwei, drei Jahre würden derartige Forderungen laut werden, "doch es ändert sich nichts". Tatsächlich besteht ein Großteil des Pakets aus bereits existierenden Maßnahmen, die die Politik nun "forcieren" oder "intensivieren" möchte. Etwa die psychosoziale Prozessbegleitung durch Staatsanwaltschaften, die 2020 insgesamt 1636 Mal in Anspruch genommen wurde, oder die Beweissicherung, um mehr Verurteilungen zu erreichen. Kommende Woche soll es mit einem runden Tisch weitergehen, an dem Expertinnen und Experten aus den Gewaltschutzeinrichtungen teilnehmen werden. Der Bundeskanzler sagte außerdem am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz mehr Mittel zu: "Am Geld wird es nicht scheitern." Und: "Die finanziellen Fragen werden sich lösen lassen."

Frage: Ist auch Sinnvolles in dem Paket?

Antwort: Lob gab es etwa dafür, dass die mit Jänner 2020 wieder eingeführten sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen stärker genutzt werden sollen. Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Adelheid Kastner sagte dazu: "Die Prognosen sind immer nur so gut wie die Basis, auf der sie erstellt werden." Trage man nicht alle Informationen zusammen, könne auch eine Risikoeinschätzung nur unzureichend sein. Richterin Matejka begrüßt außerdem, dass Aussagen von Gewaltopfern verstärkt auf Video festgehalten werden sollen – erstens seien die frischen Eindrücke wichtig, zweitens könne das Opfern Hemmungen nehmen, die sich nicht in einem monatelangen Prozess immer wieder exponieren wollen. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 878 solcher Video-Vernehmungen von Zeuginnen durchgeführt.

Frage: Was hat es mit den Präventionsbeamten auf sich?

Antwort: Die sollen mehr werden. In jeder Inspektion soll es künftig geschulte Polizistinnen geben, die als Ansprechpartnerinnen für weibliche Gewaltopfer da sind. Bundesweit gibt es laut Innenministerium 800 solcher Beamte und Beamtinnen, deren Aufstockung soll schon begonnen haben. In Wien zumindest ist das bisher nicht der Fall gewesen. Da gibt es momentan 84 Präventionsbeamte und -beamtinnen, die Hälfte davon Frauen. Diese Zahl sowie das Geschlechterverhältnis haben sich in den letzten fünf Jahren nicht verändert, heißt es von der Polizei Wien vor wenigen Tagen.

Frage: Motivforschung, qualitative Eruierung – auch das klingt irgendwie bekannt?

Antwort: Auch derartige Maßnahmen sind nach Gewaltfällen gegen Frauen nicht neu. Als sich im Jahr 2018 die Frauenmorde besonders häuften, richtete der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eine Screeninggruppe ein, die die Fälle durchleuchten soll. Heraus kam, dass sich in den allermeisten Fällen Täter und Opfer kannten. Ein Aspekt der nun angekündigten Motivforschung soll auch die Staatsbürgerschaft des Täters sein. Wenn von Femiziden die Rede ist, werden stets Stimmen laut, die die Schuld an Frauenmorden an gestiegener Zuwanderung festmachen. Fakt ist: Im Jahr 2020 waren die Tatverdächtigen bei allen Frauenmorden in 21 von 26 Fällen Österreicher. Im Jahr davon waren unter 43 Tatverdächtigen 22 Österreicher.

Frage: Und diese Checkliste, von der im Maßnahmenpaket die Rede ist, die gibt es doch auch schon, oder?

Antwort: Ja, so eine Checkliste war auch Teil eines Erlasses, den Justizministerin Alma Zadić im Dezember 2020 herausgab. In dem Erlass wird unter anderem bemängelt, dass die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei verbessert werden müsse, denn gerade am Wochenende müssen Journalstaatsanwältinnen und -anwälte oft unter Druck und ohne Unterlagen entscheiden, ob ein Gewalttäter in U-Haft kommt oder nicht. Die Staatsanwaltschaft Wien betont, man wiege jeden einzelnen Fall sorgfältig ab. Dennoch ist in dem Erlass die Rede von "Fragen bezüglich der Rolle der Staatsanwaltschaften hinsichtlich der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht".

Frage: Also was braucht es noch?

Antwort: Die Opferschutzeinrichtungen brauchen vor allem mehr Geld. Sie fordern, dass die Mittel für Gewaltschutz auf 228 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden und 3000 zusätzliche Arbeitsstellen. Das Ressort von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) ist allerdings schmal dotiert.

Frage: Wie ist die Zahlenlage international?

Antwort: Jeden Tag werden 137 Frauen von einem Familienmitglied getötet. Die Vereinten Nationen erhoben für das Jahr 2017, dass von den 87.000 getöteten Frauen mehr als ein Drittel durch ihren aktuellen oder ehemaligen Partner umgebracht wurden. Durch die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns dürfte sich die Lage dramatisch verschärft haben.

Frage: Es heißt immer, dass die skandinavischen Länder in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter gut dastehen. Wie sieht es bei der Gewalt gegen Frauen aus?

Antwort: Im Jahr 2016 etablierte sich in der Forschung der Begriff "Nordisches Paradoxon", wonach Frauen prinzipiell mehr Rechte haben, aber die Zahlen der Übergriffe und Morde besonders hoch sind. Zum Teil lässt sich das durch andere Zählweisen erklären. So werden Mehrfachanzeigen gegen den Partner in vielen Ländern nur einmal gezählt, in Schweden aber einzeln. Eine Untersuchung der Universität Lund zeigt aber trotzdem, dass finanzielle Unabhängigkeit von Frauen offenbar zu mehr Gewalt durch Männer führt. (Bianca Blei, Lara Hagen, Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 5.5.2021)