Ölförderung in der Nähe von Matzen in Niederösterreich, die viele in der OMV noch immer als Kerngeschäft sehen.

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Es liest sich wie die Geschichte vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird. Johann Pleininger hat 1977 als Lehrling ganz klein bei der OMV in Gänserndorf angefangen und sich im Lauf der Jahre bis in die Vorstandsetage von Österreichs größtem Industriekonzern hochgearbeitet.

Seit 1. September 2015 ist Pleininger als OMV-Vorstandsdirektor für Exploration & Produktion (E&P), also die Öl- und Gasförderung zuständig. Geholt hat ihn der jetzige CEO, Rainer Seele. Seit Juli 2017 ist Pleininger Seeles Stellvertreter. Nun soll es nach 44 Jahren OMV für ihn ganz nach oben gehen. Eine starke Unterstützerin habe er in Johanna Mikl-Leitner (VP), der Landeshauptfrau von Niederösterreich, heißt es in Politkreisen. Im Weinviertel hat die OMV Bohrtürme stehen, in Schwechat die Raffinerie.

Seele, der von der BASF-Tochter Wintershall kam, hat im Juli 2015 die Nachfolge des stark umstrittenen Gerhard Roiss als OMV-Chef mit viel Vorschusslob angetreten. Mit den österreichischen Usancen war der Deutsche nicht so vertraut, bis jetzt nicht. Seele will noch seinen Vertrag erfüllen, der Ende Juni nächsten Jahres ausläuft, und dann gehen – aus persönlichen Gründen. Das hat er vorvorigen Montag angekündigt. Vorausgegangen sind freilich Monate, in denen der Umgangston im Unternehmen immer rauer und ruppiger geworden ist.

Ärger wegen Schwenks zu mehr Chemie

Der Schwenk zu mehr Chemie im Konzern sei teuer erkauft, weil für die Mehrheitsübernahme der Kunststofftochter Borealis mehr als nötig bezahlt worden sei, lautet ein immer wiederkehrender Vorwurf. Ein ums andere Mal wird das von der OMV-Spitze zurückgewiesen, zuletzt auch mittels Gutachten. Von überdimensionalen Reisespesen des OMV-Generals mit Privatjet war die Rede. Die hat es gegeben, sie gehen aber auf einen noch von Roiss eingefädelten Deal mit einem Linzer Bedarfsflugunternehmen zurück. Dazu ein Clinch mit Teilen des starken OMV-Betriebsrats sowie Vorwürfe, die OMV-Führung habe NGOs durch externe Sicherheitsfirmen bespitzeln lassen. Der Druck auf Seele wurde groß, offenbar zu groß. Jetzt, wo ein neuer CEO gesucht wird, ist Pleininger zur Stelle.

Johann Pleiniger, Vorstandsdirektor für Exploration & Produktion und Generaldirektor-Stellvertreter, will OMV-Chef werden.
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Der 59-Jährige kennt die OMV in- und auswendig. Pleininger ist in Gänserndorf, der Wiege der OMV, groß geworden, ist mit (fast) allen per Du – "ein Ölmann durch und durch, der auf sein Leute schaut", wie ein Insider im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Er ist auch gut mit den Betriebsräten, und die wiederum sind gut mit ihm, zumindest die vom Upstream-Bereich.

Christine Asperger gehörte zur Gänserndorf-Partie. Sie hat wie Pleininger dort als Lehrling begonnen und ist als erste Frau an die Spitze des Konzernbetriebsrats gekommen. Ihr Abgang im vergangenen Herbst kam dann überraschend.

Kerngeschäft Öl und Gas

"Die Suche nach Öl und Gas ist Kerngeschäft der OMV. Die Weiterverarbeitung und der Weiterverkauf der Produkte gehören dazu, hat bei manchen aber einen geringeren Stellenwert", sagt ein Kenner des Unternehmens. Das zeige sich auch in der Bezahlung. Gänserndorf liege deutlich vor anderen Bereichen.

Noch tiefer im Ansehen steht bei manchen E&P-Leuten – und Pleininger ist E&P – die Chemie. Im Strategieschwenk von Seele zu mehr davon scheint einer der Schlüssel zu liegen, warum im Konzern so viele Fronten aufgebrochen sind. E&P, und damit Gänserndorf, fürchtet, nicht zu Unrecht, einen Machtverlust. Seele, selbst Chemiker, hat die Verlängerung der Wertschöpfungskette zu seinem Credo gemacht und in einer Strategie festgeschrieben, die Zug um Zug umgesetzt wird.

Hunger auf mehr Chemie hat der OMV-Vorstand öffentlich erstmals im März 2018 vor Analysten in London bekundet. Pleininger war dabei. Die OMV als Öl- und Gaskonzern zu bezeichnen sei zu kurz gegriffen, sagte Seele dann vor mehr als einem Jahr. Die OMV sei jetzt ein Öl-, Gas- und Chemiekonzern. Mit der Aufstockung der Anteile an Borealis von 36 auf 75 Prozent um netto 3,8 Milliarden Euro gilt das erst recht.

Klartext vor Mitarbeitern

Vorigen Freitag hat Pleininger erstmals Klartext gesprochen. Da wurde er in einem Online-Meeting, dessen Mitschnitt dem STANDARD vorliegt, gefragt, welche drei Sachen er als Erstes angehen wolle, sollte er OMV-Chef werden. "Das Wichtigste als neuer OMV-Chef ist, eine eigene Strategie zu haben. Ein neuer CEO kann nicht sagen, ich habe keine neue Idee, deshalb übernehme ich die Strategie meines Vorgängers", sagte Pleininger in der auf Englisch gehaltenen Frage-und-Antwort-Runde vor mehr als 300 eingewählten Teilnehmern, darunter erstmals auch Borealis-Leute. Zweitens werde er ein neues Team zusammenstellen. "Da ich nach 44 Jahren das Unternehmen in- und auswendig kenne, weiß ich genau, wen ich wohin setzen muss." Drittens gehe es um Stakeholder-Management, um Kontakt mit der Presse, Betriebsräten, Aufsichtsrat und mit der Politik.

Pleininger ließ am Dienstag über einen Sprecher wissen, in der CEO-Frage sei der Aufsichtsrat am Zug. Er habe nur ganz allgemein gesagt, was zu tun sei, wenn jemand neu als CEO antritt. In seinem Bereich hat Pleininger jedenfalls schon Personen seines Vertrauens in Schlüsselpositionen gebracht. Dazu gehören auch Frauen, die Pleiniger zum Teil aus Zeiten kennt, als er Petrom-Vorstand in Rumänien war. "Damit er auch in Sachen Diversität gut dasteht", wie ein Insider vermutet. (Günther Strobl, 5.5.2021)