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Ein Bild aus besseren Tagen: Melinda und Bill Gates in Paris.

Foto: Reuters / Kamil Zihnioglu

Es gab sie, die Signale, die Probleme vermuten ließen. Vor zwei Jahren hat Melinda Gates in einem Interview mit der Londoner Sunday Times mehr oder weniger dezent angedeutet, welchen Spannungen ihre Ehe mit Bill ausgesetzt war. Ihr Mann, blendete sie auf die Anfänge zurück, habe lange überlegt, ob er heiraten solle. Die Entscheidung sei ihm schwergefallen, so schwer, dass er auf einer Tafel Punkt für Punkt Pro und Kontra auflistete. Nur sei es dabei nicht um sie gegangen, sondern um seine Zweifel: "Kriege ich die Balance zwischen Arbeit und Familie hin?" Oft habe er 16 Stunden am Tag gearbeitet. Man könne ihr glauben, schob sie hinterher, es habe Tage gegeben, an denen die Ehe solchen Belastungen ausgesetzt war, dass sie sich gefragt habe: "Schaffe ich das?"

Natürlich wäre es albern, aus einem einzigen Interview Schlüsse zu ziehen. Über ihr Privatleben haben Bill und Melinda Gates in der Öffentlichkeit so gut wie nie gesprochen. Gerade in Zeiten der Pandemie haben sie sich wiederum oft gemeinsam zu Wort gemeldet, in aller Regel in virtuellen Formaten, um über die Entwicklung und die gerechte Verteilung von Impfstoffen zu reden, ein zentrales Anliegen ihrer Stiftung. Die Nachricht über die Trennung überrascht wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel.

Gemeinsam getrennt

Über die konkreten Gründe wird in dem knappen Statement, das beide, er 65, sie 56 Jahre alt, parallel bei Twitter verbreiteten, praktisch nichts verraten. "Nach reiflicher Überlegung und viel Arbeit an unserer Beziehung haben wir die Entscheidung getroffen, unsere Ehe zu beenden", schreiben sie. Die gemeinsame Tätigkeit in ihrer Stiftung wolle man fortsetzen, "wir glauben aber nicht mehr daran, dass wir als Paar in der nächsten Lebensphase gemeinsam wachsen können". Im Scheidungsantrag, eingereicht in Seattle, ist von einem unwiderruflich gescheiterten Ehebund die Rede. Man habe sich geeinigt, wie das gemeinsame Vermögen aufgeteilt werde, heißt es in dem Papier, ohne dass Details genannt werden. Jennifer Gates (25), das älteste der drei Kinder des Paars, bittet via Instagram darum, in dieser schwierigen Phase die Privatsphäre der Familie zu respektieren. Weiteres werde sie nicht kommentieren, sie bitte um Verständnis, wenn sie in Ruhe gelassen werden wolle. Phoebe Adele, die jüngste Tochter, ist im September 18 geworden. Möglicherweise, spekulieren Amerikas bunte Blätter, haben ihre Eltern mit dem Vollzug der längst ins Auge gefassten Trennung gewartet, bis sie volljährig war.

Spontanes Dinner

Wie es begonnen hat, auch darüber hat Melinda Gates ein paar Anekdoten zum Besten gegeben, in The Moment of Lift, einem Buch über ihr gemeinnütziges Engagement, ebenso wie in einem von Netflix produzierten Dokumentarfilm. 1987 fing Melinda French, aufgewachsen in Texas, Absolventin der Duke University in North Carolina, bei Microsoft an. Vier Monate nach dem Start begleitete sie den Gründer der Firma auf einer Dienstreise nach New York. Zurück in Seattle, stellte Bill Gates bei einem Flirt auf dem Parkplatz die Frage, ob sie in zwei Wochen mit ihm ausgehen wolle. Sie lehnte ab: Das sei ihr nicht spontan genug, er solle sie kurz vor Ablauf der zwei Wochen noch einmal fragen. Eine Stunde später rief er sie an, um sie noch am selben Abend zum Dinner einzuladen. "Ist das spontan genug für dich?", zitierte sie ihn bei Netflix. 1994 folgte die Hochzeit auf Lanai, einer der kleineren Inseln Hawaiis.

Nachdem Bill den Posten des Microsoft-Chefs an seinen Mitstreiter Steve Ballmer übergeben hatte und im selben Jahr, 2000, die Bill & Melinda Gates Foundation entstanden war, trat seine Partnerin aus seinem Schatten heraus. 2006 sprach sie im Weißen Haus über den Kampf gegen Malaria, 2010 während der UN-Generaldebatte über den Kampf gegen Armut. Mit ihrem Schwiegervater, Bill Gates senior, lenkte sie die Geschicke einer Stiftung, die heute die größte private der Welt ist. Ein globales Schwergewicht in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Entwicklungszusammenarbeit und Familienplanung.

Buffetts Hilfe

Etwa 55 Milliarden Dollar sind bislang in Projekte rund um den Globus geflossen. Das Stiftungskapital beläuft sich nach dem aktuellsten verfügbaren Stand auf 49,8 Milliarden Dollar, wobei regelmäßige Großspenden Warren Buffetts, des eng mit Bill Gates befreundeten Investors aus Nebraska, dazu beitragen, es aufzustocken. Es war Buffett, der sich mit Gates verbündete, um mit dem "Giving Pledge" philanthropisches Neuland zu beschreiten. Die Initiative appelliert an vielfache Millionäre, mindestens die Hälfte ihres Vermögens für karitative Zwecke zu spenden – und damit nicht erst bis zum Lebensabend zu warten.

Dass der Einsatz fürs Gemeinwohl unter der Trennung nicht leiden soll, haben beide, Bill wie Melinda, deutlich gemacht. Gleichwohl melden sich Skeptiker zu Wort. Zu ihnen gehört Robert Reich, Politikwissenschafter an der Universität Stanford. Die Scheidung, orakelt er, könnte nicht zu unterschätzende Folgen für die Stiftung haben. Vielleicht nicht sofort, wohl aber dann, wenn die nächsten Strategien zu formulieren und die nächsten Budgets zu beschließen sind. Falls die angepeilte Aufteilung des Privatbesitzes mit starken Reibungen einhergehe, dürfte dies auch die Arbeit der Organisation beeinträchtigen. David Callahan, Gründer der Webseite Inside Philanthropy, prophezeit wiederum, dass Melinda Gates – eigenständig – auf Jahrzehnte hinaus eine herausragende Rolle im karitativen Bereich spielen werde. Und dass sie womöglich noch viel mehr von ihrem Reichtum abgeben werde, als es bisher der Fall war. Das Vorbild, sagt Callahan, wäre MacKenzie Scott.

Scott, bis 2019 mit dem Amazon-Gründer Jeff Bezos verheiratet, hat sich rasch dem "Giving Pledge" angeschlossen. Allein im vorigen Jahr spendete sie sechs Milliarden Dollar für gute Zwecke, das Gros für kleinere, wenig bekannte Hilfsorganisationen in den USA. Folgt man "Forbes", handelte es sich dabei um rund ein Zehntel ihres Besitzes. Es dürften ungefähr die Größenordnungen sein, mit denen man auch bei Melinda Gates rechnet. In der Liste der reichsten Menschen der Welt rangiert ihr Mann hinter Bezos, dem Tesla-Chef Elon Musk und dem Louis-Vuitton-Unternehmer Bernard Arnault auf dem vierten Platz. Das Vermögen des Ehepaars Gates wird auf 124 Milliarden Dollar geschätzt. Wird die Trennung nach den Gesetzen des Pazifikstaats Washington vollzogen, steht beiden davon exakt die Hälfte zu.(Frank Hermann, 4.5.2021)