Eine Expertenrunde rund um die zivilgesellschaftliche NGO "Aufstehn" empfiehlt, die Statue des Lueger-Denkmals von ihrem Sockel zu entfernen.

Foto: Christopher Glanzl / #aufstehn

Die Plattform "Aufstehn" startet einen neuen Anlauf für eine Umgestaltung des Karl-Lueger-Denkmals am Wiener Stubenring: Eine von ihr ausgewählte Kommission an Expertinnen und Experten hat Empfehlungen an die Stadt Wien erarbeitet, wie mit dem Denkmal des früheren Bürgermeisters und Antisemiten umzugehen ist. Denn nach rund zehn Jahren seit der Präsentation des ersten Vorschlags einer Umgestaltung sei es an der Zeit: "Den Worten der Stadt Wien müssen endlich Taten folgen", so die Projektleiterin bei "Aufstehn", Jasmin Chalendi.

Nach den Vorstellungen der Kommission soll der gesamte Lueger-Platz zu einem "Ort der Reflexion" umgestaltet werden. So müsse der "Dr.-Karl-Lueger-Platz" umbenannt werden, die Statue auf der Spitze des Denkmals solle ihren Ehrencharakter verlieren und vom Denkmal entfernt werden. Außerdem müsse die Ausschreibung für die Umgestaltung öffentlich sein. Der von "Aufstehn" initiierten Kommission gehörten die Historiker Oliver Rathkolb und Florian Wenninger, die Kunstpädagogin und Kuratorin Elke Krasny, die Architektin Gabu Heindl, die Denkmal-Expertin Mechthild Widrich und die Jüdischen Österreichischen HochschülerInnen (Jöh) an. Architektin Gabu Heindl, Historiker Wenninger und Jöh-Präsidentin Sashi Turkof schildern ihre Forderungen:

STANDARD: Was soll jetzt mit dem Lueger-Denkmal passieren?

Heindl: Die Expertenkommission hat sich einstimmig für eine Umbenennung und Umgestaltung des Platzes ausgesprochen. Wie die Umgestaltung aussieht, ist noch nicht entschieden. Sicher ist, dass die Statue Luegers nicht an der Spitze in erhöhter Form auf diesem Platz stehen bleiben kann. Der Platz soll ein Ort sein, an dem sich Wien damit auseinandersetzt, wem Ehre in der Stadt gebühren soll. In jedem Fall wird hier ein Denkmal entstehen, das die Entehrung eines Antisemiten zeigt. Die Frage ist: Welche Jahreszahl will die Stadt Wien auf dieser Tafel stehen haben? 2021 ist schon ziemlich spät. Je später, desto problematischer wird es.

Wenninger: Die Ehrung in Form der Statue auf der Spitze des Denkmals muss weg. Wenn es darum geht, hier der Lueger-Ära zu gedenken, müssen wir uns aber seiner gesamten Zeit als Bürgermeister erinnern.

STANDARD: Was soll neben seinen stadtpolitischen Errungenschaften noch erinnert werden?

Wenninger: Wir könnten hier auch ein Denkmal für die antisemitischen Randale errichten, die im Anschluss an eine Lueger-Veranstaltung im Dezember 1895 stattfanden. Nach dieser Rede im Prater zog ein Mob an 2.000 Personen durch die Leopoldstadt und griff Menschen an, die für Juden gehalten wurden. Wer an Lueger denken mag, soll diese Seite miterinnern können.

STANDARD: Ist mit ihrem Bericht nun die Forderung der gesamten Entfernung des Denkmals ("Weggestaltung", Zitat Marlene Streeruwitz) vom Tisch?

Heindl: Das hängt davon ab, was wir unter dem Denkmal verstehen. Das Denkmal ist vielschichtig: Zum Beispiel sitzen Leute gerne auf den Stufen am unteren Teil des Denkmals. Wir sollten uns auch damit beschäftigen, was der mittlere Teil des Denkmals mit den Statuen aussagen kann. Beim dritten Teil – also der Bronzestatue auf der Spitze – aber sehen wir außer einer Entfernung keine Möglichkeit, eine Entehrung vorzunehmen.

Turkof: Für uns Jüdinnen und Juden stellt diese Statue eine reale Gefahr dar, weil sie ein Sammelort für gewaltbereite Rechtsextreme ist, die sich mit dem Antisemitismus Luegers identifizieren. Bei Antisemitismus gibt es für uns keine Ambivalenz. Das Wichtigste ist, dass jetzt etwas passiert.

STANDARD: Stadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hat einen runden Tisch mit Expertinnen und Experten angekündigt. Sie fordert eine "Überschreibung" des Denkmals. Was erwarten Sie sich von den Treffen?

Heindl, Wenninger, Turkof: Eine offene Diskussion. (Interview: Laurin Lorenz, 5.5.2021)