Eine Frau, die Gewalt erfährt, erfährt diese zu einer hohen Wahrscheinlichkeit durch einen nahen männlichen Angehörigen, ihren Vater, ihren Sohn – in den allermeisten Fällen durch den Lebensgefährten oder Ehemann. In Österreich betrifft dies jede fünfte Frau.

Gewalt ist eine Machtdemonstration.
Foto: Standard/urban

Gewalt hat mehrere Facetten. Körperliche Gewalt ist nur eine Form davon und die (be)greifbarste von allen, ein Femizid ist die letzte Konsequenz. Der komplexe Teil der Gewaltdynamik – und damit der schwer vermittelbare – entsteht durch Formen von psychischer Gewalt. Soziale Isolation, Kontrolle, Erniedrigung, Entwertung – um nur ein paar davon zu nennen. Sie hinterlassen keine Nasenbeinbrüche und keine Hämatome. Sie sind ein beständiger, unsichtbarer Begleiter in Gewaltbeziehungen, die stetig und manipulativ auf das Opfer einwirken und sich tief in die Seele eingraben. Sie rauben den Betroffenen nach und nach jeglichen Bezug nach außen und zu sich selbst, die Perspektive des Täters dominiert, das Opfer identifiziert sich mit seiner Perspektive, der Gefährder hat sich ihrer bemächtigt. Eine Machtdemonstration und -erhaltung. So viel zur Motivforschung.

Institutionelle Gewalt

Ja, Gewalt ist immer eine Machtdemonstration auf Kosten der körperlichen und seelischen Integrität des Gewaltopfers. Das kann so weit gehen, dass Frauen das mit ihrem Leben bezahlen.

Die Ungleichstellung von Frauen in der österreichischen Gesellschaft wird durch eine stetige, systematische Entwertung von Frauen herbeigeführt, Machtstrukturen bleiben dadurch erhalten, das ist institutionelle Gewalt. Sie äußert sich darin, dass Sicherheitslücken im Opferschutz damit begründet werden, dass Frauen nicht die Polizei verständigt haben. Oder sich nicht auf die Wartelisten der überfüllten Frauenhäuser haben setzen lassen. Oder darin, dass Gewalt an Frauen ein "Frauenproblem" ist und Feminismus eine "Frauensache" – und für die meisten auch ein Problem.

Sie äußert sich darin, dass beim Gewaltschutzgipfel Vertreter*innen von Gewaltschutzzentren aktiv ausgeschlossen werden. Dass der Erfahrung von Praktiker*innen von Frauenberatungsstellen kein Wert beigemessen wird. Dass empfohlene Maßnahmen von Forscher*innen nicht ernst genommen werden.

Der Umgang der Regierung mit den Expert*innen und Vertreter*innen der Gewaltschutzzentren und Frauenberatungsstellen beweist, dass auch systematische Gewalt immer eine Machtdemonstration ist, auf Kosten der körperlichen und seelischen Integrität von Gewaltopfern. In Österreich bezahlen Frauen das mit dem Leben. So viel zur Herkunftsforschung. (Miriam Jutz, 7.5.2021)