Doris Bures, Zweite Präsidentin des Nationalrates, argumentiert in ihrem Gastkommentar, warum es aus ihrer Sicht wichtig ist, dass die Vorsitzführung in Untersuchungsausschüssen in den Händen von Parlamentariern bleibt.

Österreich gehört zwar nicht zu den Geburtsländern der parlamentarischen Demokratie, hat sich aber nach den Irrungen der Ersten Republik, zwei faschistischen Regimen und dem Furor des Zweiten Weltkriegs schließlich zu einer verlässlichen und stabilen demokratischen Republik entwickelt. Gerade dieser Tage unter dem ungeheuren gesellschaftlichen Stress einer Jahrhundertpandemie erweist sich die parlamentarische Demokratie als vitaler und voll funktionsfähiger Stabilitätsanker. Diese Bedeutung muss allerdings vor durchschaubaren Angriffen und Unterminierungsversuchen geschützt werden.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) kann sich vorstellen, dass bei künftigen U-Ausschüssen Richter als Vorsitzende eingesetzt werden.
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Es ist in letzter Zeit leider Mode geworden, grundlegende Elemente der parlamentarischen Demokratie infrage zu stellen, wenn es einem zum augenblicklichen taktischen Vorteil gereichen könnte. Dieses Spiel mag da und dort auf kurzfristigen populistischen Beifall mancher stoßen, es untergräbt aber nach und nach den demokratischen Grundkonsens der Zweiten Republik. Das Parlament hat neben seiner gesetzgeberischen Kompetenz die verfassungsmäßige Aufgabe, stellvertretend für das Volk die Regierung zu kontrollieren und entsprechend für Transparenz und Information der Öffentlichkeit Sorge zu tragen. Ein essenzielles Kontrollinstrument des Parlaments ist dabei der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der – jeweils thematisch abgegrenzt – die Vollziehung des Bundes zu kontrollieren hat.

Detailliert geregelt

Der Untersuchungsausschuss ist genauso alt wie unsere Bundesverfassung und wichtiger Bestandteil des gewaltentrennenden Systems. Das Minderheitsrecht wurde 2015 eingeführt, seitdem können auch Oppositionsparteien einen U-Ausschuss beantragen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wurde als oberstes Streitschlichtungsorgan installiert, der Schutz von Persönlichkeitsrechten weiter ausgebaut und besondere Betonung auf eine unabhängige, objektive Vorsitzführung gelegt. Die Kontrollkompetenz des Nationalrats durch seinen U-Ausschuss wurde detailliert geregelt und durch den VfGH besonders geschützt. Dieses Regelwerk wurde samt seiner detaillierten Regelung über den Umgang mit schützenswerten Informationen von allen im Parlament vertretenen Parteien 2014 beschlossen.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) denkt nun laut darüber nach, Richter zu Vorsitzenden des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu machen. Dies wurde aber ganz bewusst nicht vorgesehen, weil ein parlamentarisches Kontrollinstrument auch tatsächlich von einem Parlamentarier oder einer Parlamentarierin geleitet werden sollte. Das Präsidium des Nationalrats wurde gerade daher zur Vorsitzführung bestimmt, um eine objektive und unabhängige Vorsitzführung sicherzustellen, die ja auch bei den Plenarsitzungen des Nationalrats gewährleistet sein muss. Die Verfahrensordnung des Untersuchungsausschusses kennt großzügige Vertretungsregelungen – eben auch, um etwaige Befangenheit zu vermeiden.

In bisher vier Untersuchungsausschüssen (Hypo, BVT, Eurofighter 2017 und 2018) haben acht unterschiedliche Personen den Vorsitz geführt. In 174 Sitzungen und rund 326 Befragungen hat sich diese Vorsitzregelung bewährt und niemals zu grundsätzlichen Debatten um dieses Reglement Anlass gegeben. Auch die Frage der Befangenheit war in all diesen Untersuchungscausen niemals ein essenzieller Kritikpunkt. Denn hier sieht ja die bestehende Vertretungsregelung entsprechend saubere und unangreifbare Lösungsmöglichkeiten vor. Die Feststellung von Befangenheit liegt freilich in der Eigenverantwortung jedes Vorsitzführenden, weil nur sie oder er beurteilen kann, inwieweit tatsächliche oder mögliche Involvierungen in Untersuchungsmaterien problematisch auftreten können.

Die sehr weit hergeholte Diskussion darüber, ob ein Richter einen unangreifbareren Vorsitzenden abgeben könnte, löst die Frage möglicher Befangenheit jedenfalls gar nicht, weil theoretisch auch ein Berufsrichter in Akten des Untersuchungsausschusses auftauchen kann. Noch dazu geht es um einen parlamentarischen Kontrollvorgang und eben um kein Gerichtsverfahren. Abgesehen davon, dass damit das Parlament einen Akt der Selbstaufgabe setzen würde, weil es ein wesentliches Element parlamentarischer Kontrolle aus der Hand gäbe. Kein Parlament mit Selbstachtung und demokratischem Selbstverständnis würde auf dieses Recht freiwillig verzichten.

Rote Linie

Vielfach drängt sich der Verdacht auf, dass von verschiedenen Seiten bewusst Wesenselemente der parlamentarischen Demokratie und des entwickelten modernen Rechtsstaates ins Gerede gebracht werden. Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer! Wer selbst zum antidemokratischen Brandbeschleuniger greift und simpel die Kosten parlamentarischer Kontrolle, also letztlich der Kernelemente von Demokratie, in Stellung bringt, überschreitet leichtfertig und wohl unüberlegt eine markante rote Linie.

Es spricht nichts dagegen, auch die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle immer wieder auf Effizienz und Tauglichkeit zu überprüfen und zu optimieren. Diese Debatte sollten wir offen und ohne Tabus führen. Etwa hinsichtlich der Frage von Transparenz und erweiterten Informationspflichten. Was allerdings keinesfalls unwidersprochen hingenommen werden kann, ist, dass sich Parlamentarier der Kanzlerpartei dazu hergeben, elementare Kontrollrechte des Parlaments zu opfern oder zu beschneiden. Respektlosigkeiten gegenüber dem Parlament, dem Verfassungsgerichtshof und der Justiz im Allgemeinen haben sich ohnehin schon bedenklich eingebürgert.

Dieser Weg der aufreizenden Informations- und Kontrollverweigerung bis hin zu Schredder-Exzessen darf von einem selbstbewussten Parlament nicht noch beflügelt und erleichtert werden. (Doris Bures, 6.5.2021)