"Da, steck dich an mit meiner Krankheit!": Johann von Gaunt (Martin Schwab) geht auf Konfrontation mit König Richard (Jan Bülow, li.)

Foto: Marcella Ruiz Cruz

Der Legende nach sei der König Richard II. bei seiner eigenen Krönung eingeschlafen. Kein Wunder, war er doch erst zehn Jahre alt und hatte anderes im Kopf, als einer langwierigen Zeremonie mit lauter Wichtigtuern zu folgen. Dabei sollte es bleiben: Dem Spross aus dem Hause Plantagenêt fehlte das Talent zur Herrschaft und jeder Draht zum eigenen Volk. Missgeschicke säumten seinen Weg. Verschwendung und Kriegsmüdigkeit taten ihr Übriges.

Burgtheater Wien

William Shakespeares selten gespieltes Drama Richard II. hat den Kehraus dieses glücklosen Regenten zum Thema. Die Neuinszenierung von Johan Simons am Burgtheater ist nach der Vorpremiere bei den Bregenzer Festspielen vor zweieinhalb Wochen nun über einen einmaligen Livestream einem größeren Publikum präsentiert worden. 2410 Abonnenten waren am Dienstagabend über den Youtube-Kanal des Theaters zugeschaltet. Premiere war das aber noch immer keine. Die will man im Herbst vor Publikum im Haus am Ring geben. Dafür spricht einiges. Sind doch die auf diese feingliedrige Inszenierung gerichteten Kameras nur mäßig zufriedenstellende Transporteurinnen. Das ist einer teilweise mauen Übertragungsqualität geschuldet. Es funktioniert aber vor allem deshalb nur halb, weil die auf der Bühne weitverzweigte Spannung über den Bildschirm jeweils nur ausschnitthaft spürbar wird.

Rottweiler-Diplomatie

Regisseur Simons eröffnet den Machtspielen (ähnlich wie für seinen preisgekrönten Hamlet mit Sandra Hüller in Bochum) auf einer abgesenkten Spielfläche freien Raum. Hier fahren die Herren von York (Oliver Nägele), Gaunt (Martin Schwab) und Co die Geschütze der Hochdiplomatie auf. Und hier bringt sich rund um ein Gestängemodul von Bühnenbildner Johannes Schütz die Next Generation im Stil knurrender Hunde in Stellung.

Der von Jan Bülow auf einem bemerkenswerten Grat zwischen Ratlosigkeit und Manöverstress gespielte König hingegen markiert hier (Übersetzung Thomas Brasch) die Leerstelle zwischen Mensch und Amt. Er will nicht König sein und soll doch stets Herrschaftsansprüche erheben. Ruhe findet er nur bei seiner Frau (Stacyian Jackson). Von der Dissonanz seines Daseins künden zittrige Geigenstimmen (Musik: Mieko Suzuki).

Premiere im Herbst

So spielt die Inszenierung mit unkonventionellen Machtgesten. Allen voran Sarah Viktoria Fricks Bolingbroke. Als Richards größter Widersacher markiert sie in kecker Pumphose (Kostüme: Greta Goiris) und jenseits aller Männlichkeitsmasken die allergrößte Überlegenheit durch gespenstische Wurschtigkeit, durch Verstellungskunst und herablassende Verspieltheit. Vielen anderen Nuancen dieser Arbeit kann man nun bis Herbst freudig entgegensehen. (Margarete Affenzeller, 6.5.2021)