"Changed my entire life": NFTs haben das Leben von Kenny Schachter verändert.

Foto: Kenny Schachter

Kenny Schachter ist Kurator, Kunstkritiker, Kolumnist auf Artnet und macht seit den frühen 1990er-Jahren digitale Kunst. Er gilt als Provokateur, Outsider und Insider der Kunstszene zugleich. Bisher hatte der New Yorker kleine Gruppenausstellungen, plötzlich werden seine Arbeiten in bekannten Galerien in Europa gezeigt. Der Grund? Seitdem es NFTs (Non Fungible Tokens) digitalen Kunstwerken ermöglichen, diese als Originale zu handeln, ist Schachter Profiteur und Experte. DER STANDARD hat den Künstler in seiner aktuellen Ausstellung in der Wiener Galerie Charim getroffen. Darin treten seine Werke mit jenen der Malerin Eva Beresin in Dialog, die sich auch mit sozialen Medien und neuen Technologien befasst. Beide haben sich über Instagram kennengelernt.

STANDARD: Ist das hier Kryptokunst?

Schachter: Nein, das ist keine Krypto-Show. Aber es gibt Arbeiten von mir hier, die waren NFTs oder werden noch welche. Alles, was ich je als Künstler gemacht habe, ist als digitale Datei entstanden, auch die Skulpturen hier. Später habe ich sie als NFTs veröffentlicht.

STANDARD: Waren Sie immer schon Künstler?

Schachter: Ich habe 30 Jahre damit verbracht, zu kuratieren, über Kunst zu schreiben und digitale Kunst zu machen. Jetzt kommen NFTs, und es ändert sich alles. Ich hatte bisher erst kleine Ausstellungen, seit meinen Vorträgen und Artikeln über NFTs erlebe ich diesen Erfolg. Plötzlich laden mich große Galerien und bekannte Künstler ein, ich habe auch Arbeiten um sehr viel Geld verkauft. Vor sechs Monaten wusste noch niemand in der Kunstwelt davon. Es ist revolutionär.

STANDARD: Ist das ein Weg, wie man NFTs in Zukunft ausstellen kann?

Schachter: Ja. Menschen beschweren sich, dass man NFTs nicht zeigen könne. Dabei man kann sich ein NFT kaufen und es ausdrucken, auch in 3D, oder auf einen Bildschirm spielen – es ist eine digitale Datei. Das werden wir auch im Zuge dieser Ausstellung machen.

STANDARD: Man möchte sich digitale Werke also trotzdem an die Wand hängen?

Schachter: Ja, ich werde anschließend eine Ausstellung speziell zu NFTs in der etablierten Kölner Galerie Nagel Draxler haben. Im Endeffekt ist es auch einfach Kunst.

Im Dialog: Das Gemälde "Good grief" von Eva Beresin und die Skulptur "Selfie Man" von Kenny Schachter. Wie alle seine Werke ist sie zuerst digital entstanden.
Foto: Charim Galerie Wien

STANDARD: Warum dreht die etablierte Kunstwelt gerade so durch wegen des Themas?

Schachter: Die menschliche Natur sträubt sich gegen Veränderungen. Und in der Kunstszene geht es um Kontrolle und Zugang. Viele der Vorwürfe gegen NFTs müsste sich die traditionelle Kunstwelt selbst machen: Spekulation mit Kunstwerken, Energieverbrauch. Wenn man wirklich erfolgreich sein will mit einem NFT, kann man das auch nicht so minten und auf eine Plattform stellen. Bei den großen Anbietern kommt man kaum noch rein.

STANDARD: Agieren diese Plattformen dann quasi wie Galerien?

Schachter: Genau, sie sind auch Gatekeeper. Nur dass dort niemals jemand Kunst studiert oder in einer Institution gearbeitet hat – und trotzdem kontrollieren sie, welche Kunst rein- und rauskommt.

STANDARD: Ist das dann immer noch Kunst?

Schachter: Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen einem Gemälde, einer Skulptur und einer Datei. Manches davon ist gut, anderes nicht. Kunst ist Kunst. Punkt.

STANDARD: Was bedeuten NFTs für Sie?

Schachter: Sie haben mein Leben verändert. Auch für viele Künstler und Künstlerinnen, die lange etwas anderes arbeiten mussten. Anders als in der hierarchischen Kunstwelt können sie jetzt ihre Kunst verkaufen. Wie Instagram demokratisieren NFTs die Kunstwelt. Instagram war hier die erste Abrissbirne, neue Plattformen sind jetzt quasi die Fortsetzung.

STANDARD: Max Hollein, der Direktor des Metropolitan Museum in New York, sagte in einem Interview, dass es sich bei NFT-Geschäften "vor allem um Propaganda für die Spekulation mit Kryptowährungen" handle. Was sagen Sie dazu?

Schachter: Das ist ein gutes Beispiel, und Max Hollein ist ein Freund von mir. Aber ich wette, in einem Jahr wird auch das Met NFTs verkaufen. Es ist kompletter Blödsinn, so etwas Innovatives gleich zu verteufeln. Die Kunstwelt ist einfach genervt, dass hier etwas so Neues kommt. Auch die Galerien haben Angst.

STANDARD: Sollten sie Angst haben?

Schachter: Nein, man sollte diese Chance an den Eiern packen und sich freuen. Hier bildet sich gerade eine neue, junge Käuferschaft ab.

STANDARD: Werden Sie jetzt Teil der etablierten Kunstwelt?

Schachter: Dazu bin ich unfähig. Ich will einfach nur Kunst machen, der Rest ist mir egal.