In Syrien ist Machthaber Bashar al-Assad unangreifbar. Nun wird man sich wohl auch in Riad mit ihm arrangieren.
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Der Krieg in Syrien hat eine halbe Million Menschen das Leben gekostet und Millionen in die Flucht getrieben: Aber zehn Jahre nach dessen Beginn scheinen sich immer mehr regionale nahöstliche Staaten, die ab 2011 die Aufständischen unterstützt haben, damit abzufinden, dass Bashar al-Assad zumindest vorläufig an der Macht bleibt. Am Montag war eine saudi-arabische Delegation, angeführt von Geheimdienstchef Khalid al-Humaidan, in Damaskus, laut Rai al-Youm um einen höherrangigen Besuch nach dem Opferfest am Ende vorzubereiten.

Es geht um die geplante Wiedereröffnung der saudi-arabischen Botschaft in Damaskus und damit verbunden um die Teilnahme Syriens am nächsten Gipfel der Arabischen Liga, der in Algerien stattfinden soll – das Datum hängt nicht zuletzt von der Entwicklung der Pandemie ab. Das heißt, es ist nicht unwahrscheinlich, dass Syrien, zehn Jahre nachdem es im November 2011 als Mitglied der Staaten der Arabischen Liga suspendiert wurde, wieder dabei sein wird. Russlands Außenminister Sergej Lawrow versuchte zuletzt bei einer Tour durch arabische Staaten dafür zu werben.

Offene Türen rannte er dabei in den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ein, die sich für eine Normalisierung mit Syrien einsetzen. Gleichzeitig sind die VAE auch der Champion der arabischen Annäherung an Israel, sie haben sich 2020 als erster arabischer Staat zu den "Abrahams Accords" bekannt. Das ist nicht unbedingt ein Widerspruch, wenn man sich die strategischen Ziele der Syrien-Politik der VAE ansieht: durch Syriens Wiedereingliederung in die arabische Welt dessen Verbindung mit Teheran zu schwächen sowie der türkischen Präsenz im Westen und Norden Syriens etwas entgegenzusetzen.

Emirate sind vorn

Die VAE haben bereits Ende 2018 ihre Botschaft wiedereröffnet. Die Staaten der Arabischen Liga gingen während der zehn Jahre sehr unterschiedlich mit der Suspendierung von Damaskus um; so diverse Länder wie Algerien oder Oman etwa haben ihre Beziehungen zu Damaskus nie abgebrochen. Manche, wie Ägypten, verhielten sich weitgehend neutral. Saudi-Arabien setzte hingegen ab 2011 voll auf den Sturz Assads, musste aber seit dem militärischen Eingreifen Russlands 2015 zusehen, wie sich Assad mit der Hilfe Moskaus und Teherans – und Iran-gesteuerter Milizen – wieder konsolidierte.

Eine offene Frage wird sein, wie Saudi-Arabien seine Beziehungen zur syrischen Opposition gestalten wird, die teilweise in Riad ansässig und von dort finanziert ist. Diese Opposition ist, wie das syrische Regime auch, in Genf an Uno-geführten Gesprächen über die zukünftige syrische Verfassung beteiligt.

Dass Assad eine Normalisierung bekommt, ohne selbst Konzessionen zu machen, ist schwer vorstellbar. Die Umsetzung der Uno-Sicherheitsratsresolution 2254 aus dem Jahr 2015, die eine politische Transition in Syrien fordert, bleibt weiter auf dem Tisch – genauso wie die von US-Präsident Donald Trump 2020 eingeführten neuen US-Sanktionen gegen Damaskus unter dem "Caesar Civilian Protection Act", benannt nach dem Pseudonym eines syrischen Fotografen, der Fotos von tausenden Folter- und Mordopfern des Assad-Regimes aus Syrien herausschmuggelte. Die Caesar Sanctions erschweren auch eine arabische Kooperation mit Syrien, wie der emiratische Außenminister Abdullah bin Zayed im März bei einer Pressekonferenz während des Lawrow-Besuches in den VAE sagte.

Unter Erfolgsdruck

Die Sanktionen treffen vor allem die Zivilbevölkerung, Syrien braucht dringend humanitäre Hilfe. Der Krieg ist zwar weitgehend abgeflaut, die Lage der Menschen, die oft nicht einmal Brot haben, ist jedoch schlechter als je zuvor. Insofern steht auch Assad unter Druck, der sich am 26. Mai Präsidentenwahlen stellt. Die wird er zwar gewinnen, dennoch könnte die Wut – sogar unter seiner Klientel – sichtbar werden. Er braucht dringend einen politischen Erfolg.

Ein wichtiger Beweggrund für Saudi-Arabien, sich auf einen Politschwenk einzulassen, ist ohne Zweifel der Libanon, wo Teheran durch die schiitische Hisbollah mitregiert. Entscheidend für den saudisch-syrischen Bruch vor Ausbruch des Aufstands war, dass Assad Zusagen an die Saudis, im Libanon an einem politischen Kompromiss mitzuarbeiten, nicht einhielt: Der damalige saudische König Abdullah (gestorben 2015) war dazu im Juli 2010 zuerst nach Damaskus und von dort aus gemeinsam mit Assad nach Beirut gereist.

Nach Beginn des Aufstands begannen die arabischen Golfstaaten Gruppen zu unterstützen, die ihren Kampf gegen Assad mit einer religiösen Mission verbrämten, um mehr Unterstützung zu lukrieren: als einen gegen "die Schiiten" und "die Alawiten" (die der Schia verwandten religiösen Gruppen, aus der Assad und viele im Staats- und Sicherheitsapparat stammen). Assad seinerseits stilisierte sich als Retter der religiösen Minderheiten vor dem sunnitischen Extremismus. (Gudrun Harrer, 6.5.2021)