Am Mittwoch präsentierten Expertinnen und Experten vor dem Lueger-Denkmal ihre Forderungen an die Stadt Wien.

Foto: Christopher Glanzl / #aufstehn

Aus rund 20 Meter Höhe starrt die umstrittene Bronzestatue des ehemaligen Bürgermeisters Karl Lueger auf den Wiener Stubenring. Seit mehr als zehn Jahren werden die Umgestaltung des Platzes und eine Lösung für das Denkmal gefordert. Kritiker bemängeln, dass der rabiate Antisemitismus Luegers noch immer ausgespart bleibt. Am Mittwoch hat eine Gruppe von Expertinnen und Experten Forderungen an die Stadt Wien formuliert, wie mit dem Denkmal umzugehen sei. "Den Worten der Stadt Wien müssen endlich Taten folgen", sagte Jasmin Chalendi von der Initiative Aufstehn, die das Projekt ins Leben gerufen hat.

Nach den Vorstellungen der Kommission soll der gesamte Lueger-Platz zu einem "Ort der Reflexion" umgestaltet werden. So müsse der Dr.-Karl-Lueger-Platz umbenannt werden, denn der Bruch müsse auch sprachlich passieren, so die Begründung der Kommission. Dafür müsse es eine öffentliche und niederschwellige Ausschreibung geben. Wie die Umgestaltung aussieht, ist noch offen. Einig ist sich die Kommission, dass die Statue Luegers nicht an der Spitze in erhöhter Form auf ihrem jetzigen Platz stehen bleiben könne.

Noch eine Runde an Experten

Die Entfernung der Statue ist wohl der strittigste Punkt des Forderungskatalogs. Jene Stimmen, die eine Entfernung Luegers forcierten, wertete Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) Anfang April als "Cancel-Culture". Sie sei für eine Überschreibung des Denkmals, sagte sie damals zum "Kurier". Es werde aber bald einen runden Tisch mit allen Beteiligten geben. Auf Anfrage des STANDARD betonte Kaup-Hasler, der Runde an über 40 Experten nicht vorgreifen zu wollen. "Das Denkmal so beschmiert zu belassen, wie es ist, ist für die Stadt keine Lösung", sagte sie.

Eine offene Diskussion wünscht sich auch das siebenköpfige Expertenteam, das am Mittwoch seine Forderungen präsentierte. Der Kommission gehörten die Historiker Oliver Rathkolb und Florian Wenninger, die Kunstpädagogin Elke Krasny, die Denkmalexpertin Mechthild Widrich, die Architektin Gabu Heindl und die Jüdische HochschülerInnenschaft (JöH) an. Rathkolb selbst formulierte die 2016 am Sockel des Denkmals angebrachte Zusatztafel, die in zwei Sätzen auf den Antisemitismus Luegers hinweist.

Die Architektin Heindl will einen Ort schaffen, an dem sich Wien damit auseinandersetzt, wem Ehre in der Stadt gebühren soll. Der Historiker Wenninger will eine umfassendere Erinnerung an die Ära Luegers als derzeit ermöglichen: Man soll auch die antisemitischen Randalen erinnern, die 1895 nach einer Lueger-Veranstaltung im Prater stattfanden, sagte Wenninger. Damals zog ein randalierender Mob von rund 2.000 Personen durch die Wiener Leopoldstadt und griff Menschen an, die für Juden gehalten wurden. "Wer an Lueger denken mag, soll diese Seite miterinnern können", sagte Wenninger dem STANDARD.

Treffpunkt für Rechtsextreme

Ein rasches Handeln forderte auch die JöH. "Für uns Jüdinnen und Juden stellt diese Statue eine reale Gefahr dar, weil sie ein Sammelort für gewaltbereite Rechtsextreme ist, die sich mit dem Antisemitismus Luegers identifizieren", sagte Sashi Turkof.

Tatsächlich kam es bereits mehrmals zum Aufmarsch rechtsextremer Gruppierungen beim Denkmal. Zuletzt tauchten im Herbst Mitglieder der rechtsextremen Identitären auf, als eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern die aufgesprayten Schriftzüge auf dem Denkmal mit Beton verewigen wollte. Sie hämmerten den Beton vor den Augen der Exekutive ab. Daraufhin kam es zu einer Demo mit Zwischenfällen. Die Polizei leitete damals Ermittlungen wegen schwerer Sachbeschädigung ein, im linken als auch im rechten Lager, hieß es damals. Mittlerweile wurden Zeugen einvernommen, das Verfahren wurde aber an die Staatsanwaltschaft Graz abgetreten. (Laurin Lorenz, 6.5.2021)