Bild nicht mehr verfügbar.

Etwa 50 Fischerboote blockierten den Hafen, am Donerstagnachmittag fuhren sie zurück nach Frankreich.

Foto: Ap/Oliver Pinel

Bild nicht mehr verfügbar.

Boris Johnson beim Besuch des schottischen Marinestützpunkts Clyde.

Foto: Reuters/Jeff J Mitchell

Die Patrouillenboote Severn (Bild) und Tamar wurden nach Jersey entsandt.

Foto: AFP Fotograf: GLYN KIRK

Bild nicht mehr verfügbar.

Jersey liegt rund 23 Kilometer vor der Küste Frankreichs.

Foto: REUTERS/Toby Melville

apoleons Kontinentalsperre von 1806 ist zwar noch weit. Doch vor allem auf französischer Seite herrscht wilde Entschlossenheit, aufs Ganze zu gehen. Etwa zwei Dutzend französische Fischkutter nahmen am Donnerstag Kurs auf die britische Kanalinsel Jersey, um gegen die Erteilung von Lizenzen zu protestieren, die ihrer Ansicht nach den Zugang zu den dortigen Gewässern zu sehr einschränken.

In London hatte Premier Boris Johnson den unerhörten Vorgang antizipiert, indem er zwei Patrouillenboote der Marine – die HMS Tamar und die HMS Severn – Richtung Kanalinseln entsandte. Paris schickte seinerseits zwei Marineschiffe in die Gewässer. Die Fischer beendeten am Nachmittag ihre Aktion, und die britische Regierung beorderte ihre Schiffe zurück.

Anlass für die Eskalation ist die schleppende Vergabe britischer Fischlizenzen in den Gewässern um Jersey. Das Brexit-Abkommen sieht eine klare Regelung vor: Französische Fischer dürfen in einer Übergangsphase bis 2026 weiterhin ihre Netze in den fischreichen und relativ ruhigen britischen Gewässern auswerfen – danach werden die Fangrechte um 25 Prozent reduziert.

Schwierige Bürokratie

Die Franzosen aber werfen den Briten vor, sie verzögerten auf perfide Art die Lizenzvergabe. Von 344 Gesuchen seien erst 41 bewilligt worden. Die Briten müssen nur Fischerboote zulassen, die seit 2012 in den Gewässern aktiv sind. Das ist für die Franzosen nicht immer leicht zu belegen.

Die Regierung Jerseys behauptete anfangs Woche in einem Communiqué, sie vergebe die Fischereilizenzen exakt nach dem Wortlaut des Brexit-Abkommen von Dezember 2020.

Namens der EU-Kommission warf am Donnerstag eine Sprecherin hingegen London einen Verstoß gegen ebenjenen Pakt vor: "Die Kommission hat Großbritannien klargemacht, dass die Vorgaben des Handels- und Kooperationsabkommens nicht respektiert wurden." Frankreichs Meeresministerin Annick Girardin macht dagegen politische Ursachen für den Zoff aus: "Großbritannien hat seine Souveränität zurückerlangt und will das der Welt zeigen."

Die französische Meeresministerin Annick Girardin macht dagegen politische Ursachen für den Zoff aus: "Großbritannien hat seine Souveränität zurückerlangt und will das die Welt auch wissen lassen." Die Brexit-Befürworter hätten die Vorteile für die eigenen Fischer jahrelang übertrieben; jetzt müssten die französischen Fischer dafür büßen.

Drohung mit Stromversorgung

Frankreichs Meeresministerin Annick Girardin macht dagegen politische Ursachen für den Zoff aus: "Großbritannien hat seine Souveränität zurückerlangt und will das der Welt zeigen."

Sie drohte offen damit, dass Frankreich unter anderem den Strom der größten Kanalinsel Jersey kappen könnten, um seine Fischerrechte durchzusetzen. Die nur gut 20 Kilometer von der Normandie entfernte Kanalinsel und ihre 102.000 Einwohner erhalten die Elektrizität über drei Unterwasserkabel aus Frankreich. Jersey, Guernsey und ein paar kleinere Inseln gehören nicht zu Großbritannien, sondern zur Krondomäne, genießen aber den Schutz der britischen Außen- und Verteidigungspolitik. Eine Sperre des Hafens, wie sie die französischen Fischer androhten, wäre "völlig ungerechtfertigt", erklärte der britische Premier Johnson; zugleich rief er zu einem "Abbau der Spannungen" auf. Jerseys Außenminister Ian Gorst erklärte, es wäre "unverhältnismäßig, den Strom zu kappen, bloß weil wir ein paar Details liefern sollen".

Schon 2018 kam es zu Querelen

Nur um "Details" geht es allerdings mitnichten. Im Sommer 2018 waren Fischerboote beider Länder in der Bucht der Seine-Mündung erstmals aneinandergeraten. Muschelsucher aus England rammten dabei mehrere französische Fischerboote. Mit dem rabiaten Vorgehen wollten sie sich den Zugang zu den französischen Muschelbänken für die Zeit nach dem Brexit sichern.

Dass der EU-Austritt Großbritanniens für Spannungen unter den Kanalfischern sorgen würde, vermag insofern nicht zu überraschen. Der neueste Clash zeigt aber darüber hinaus, dass sich beide Seiten nicht mehr an eine innereuropäische Kooperation oder gar Solidarität gebunden fühlen. Das führt gerade heute, da die Nerven wegen der Covid-Krise vielerorts blank liegen, sehr rasch zu neuem Streit zwischen Briten und Franzosen. (Stefan Brändle aus Paris, 6.5.2021)