Wien – Seit Montag kehrt in Ostösterreich tröpfchenweise Leben in den Handel zurück. 142 Tage währte die Zwangspause seit Anbeginn der Pandemie, über 30 Tage erstreckte sich in Wien und Niederösterreich die verlängerte Osterruhe. Bis die Geschäfte quer durchs Land wieder in ihre alten Bahnen zurückkehren, wird es jedoch noch dauern.

142 Tage währte der Stillstand im Wiener Handel. Um ihn österreichweit wieder in Schwung zu bringen, braucht es die Gastronomie und den Tourismus als Motor.
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Hinter den Kulissen wird dieser Tage um die Spielregeln für die kommenden Monate gefeilscht. Es geht um die Ladenöffnung und die Abgeltung von Mehrarbeit, um die Regeln für Corona-Tests aller Einzelhandelsangestellten und ihre Impfungen.

Das Sozialministerium arbeitete einen Entwurf aus. Den Nationalrat hat dieser in den vergangenen Tagen bereits passiert. In eine Verordnung ist er noch nicht gegossen. Im Ministerbüro wird auf einige noch offene Details verwiesen. Doch die Eckpunkte der Arbeitsbedingungen, die ab spätestens 19. Mai für mehr als eine halbe Million Beschäftigte gelten sollen, sind mittlerweile weitgehend geklärt, bestätigen Experten dem STANDARD.

Was Konsumenten freut und worüber Einigkeit herrscht: Einkaufen wird abends wieder länger erlaubt sein. Bisher mussten Geschäftstüren um spätestens 19 Uhr schließen. Hält der Plan, darf der Handel künftig wieder bis 21 Uhr öffnen und damit den vollen Zeitrahmen von 72 Stunden pro Woche ausschöpfen.

In den Papieren des Sozialministerium war bis heute Früh von einer möglichen Ladenöffnung bis 22 Uhr die Rede. Dies wird über Ausnahmeregelungen weiterhin möglich sein. In der Praxis werden die Rollbalken aber – wie in den Jahren vor Corona üblich – eine Stunde früher fallen. Das Ministerium hat den Zeitrahmen für den Handel daher am Donnerstag Vormittag richtig gestellt.

Kundenströme entzerren

Die Lockerung passiert zeitgleich mit dem voraussichtlichen Ende der Ausgangsbeschränkungen und dem Neustart der Gastronomie. Große Supermärkte wollten die Sperrstunde schon weitaus früher nach hinten verschieben. "Das hätte die Kundenströme entzerrt", betont Spar-Sprecherin Nicole Berkmann.

Gewerkschafterin Anita Palkovich hingegen hätte damit lieber abgewartet, bis die betrieblichen Impfungen in die Gänge kommen. Andererseits könnten Mitarbeiter durch die Zuschläge ihr Einkommen wieder erhöhen, gibt sie zu bedenken.

Handelsverbandschef Rainer Will hält den größeren zeitlichen Spielraum für seine Branche für wichtig. Diesen vorab zu lockern hätte sich aufgrund der übrigen Restriktionen für einen Großteil der Unternehmen jedoch finanziell nicht gelohnt.

Maske bleibt

Handelsangestellte müssen sich jedenfalls auf eine erweiterte Testpflicht einstellen. Das Tragen einer FFP2-Maske wird ab Mitte Mai nicht mehr genügen. Die Regierung will Corona-Tests für Verkaufsmitarbeiter zur Pflicht machen. Wie regelmäßig diese dazu antreten sollen, darüber wird noch verhandelt. Will plädiert für maximal ein Mal pro Woche, zumal es vor allem in ländlichen Regionen an Testkapazitäten fehle.

Auch Palkovich fordert mehr Möglichkeiten, sich auf das Virus testen zu lassen. Die Hoffnung der Angestellten, dass sich damit die leidigen Schutzmasken erübrigen, dürfte sich aber nicht erfüllen. "Die Erfahrungen im Einzelhandel zeigen: Die Kunden akzeptieren keine Verkäufer ohne Maske", sagt Palkovich. Aus ihrer Sicht ist es daher längst schon überfällig, Schwangere von der Arbeit freizustellen, wie es auch körpernahe Dienstleistungen handhaben. Bisher geht hier in Österreich nur eine einzige große Handelskette auf eigene Kosten voran.

Weitere Impfstraßen

Auf Hochtouren im Handel läuft die betriebliche Impfung. Wobei die Politik hier zuletzt für reichlich Verwirrung sorgte, ärgert sich die Gewerkschafterin. "Erst hieß es, Handelsangestellte haben hier Priorität, dann wiederum wurde betont, keine Berufsgruppe zu bevorzugen."

Die dafür notwendigen Strukturen sind jedenfalls im Aufbau, bei Spar etwa 23 Impfstraßen. Der Startschuss für die ersten Impfungen der Mitarbeiter auf freiwilliger Basis soll Mitte Mai fallen, sagt Berkmann.

Attraktivere Mehrarbeit

Bewegung kommt zudem in die Arbeitsbedingungen für viele Angestellte des Lebensmittelhandels, die während der Krise besonders gefordert waren. Seit Monaten ringen die Sozialpartner um eine höhere Abgeltung der Mehrarbeit in der Branche. Billa und Billa Plus sicherten Palkovich zufolge nun Verbesserungen zu. Der Konzern werde Teilzeit-Mitarbeitern anbieten, ihre Arbeitsstunden aufzustocken.

Zudem könnten diese zukünftig mit Monatsende entscheiden, ob sie Überstunden als Zeitausgleich abgegolten oder ausbezahlt bekommen wollen. Lidl setze Letzteres bereits um. Mit Spar werde darüber noch verhandelt. Palkovich erwartet eine Entscheidung nächste Woche.

Handel braucht Wirte

Wirklich Schwung in den Konsum kam bisher abseits der Grundversorgung nicht. Dafür fehlen Gastronomie und Tourismus als Motor. "Wir brauchen gerade in Wien offene Wirtshäuser", sagt Rainer Trefelik, Obmann des Handels der Wirtschaftskammer. Von einer vorerst alleinigen Öffnung der Schanigärten hält er wenig. Schulen dürften in den regulären Unterricht zurückkehren. Es spreche nichts dagegen, auch die Gastronomie indoor unter Auflagen ab 19. Mai wieder aufzusperren. (Verena Kainrath, 6.5.2021)

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